Bei Thomas Soltau in Ochsenwerder kann man auch ohne Platzreife spielen. Eine ungewöhnliche Geschäftsidee

Hamburg. Rund 140 Jahre lang kannte die Familie Soltau aus Ochsenwerder keinen anderen Broterwerb als die Landwirtschaft. Große Getreidefelder lagen neben dem Hof mit dem reetgedeckten Haus, das 1872 hinter dem Elbdeich errichtet worden ist. Fast 140 Jahre ging das so, dann kam der jüngste Spross der Familie, Thomas, auf die Idee, einen Teil der Flächen für eine andere Geschäftsidee zu nutzen. Er pflügte die abgeernteten Weizenstängel unter und säte Rasen. Dann grub er kleine Löcher und steckte Fähnchen hinein. Und fertig war sie: die erste und einzige Swingolfanlage Hamburgs.

Swingolf wurde in Frankreich erfunden und ist die rustikalere Schwester des normalen Golfsports. Auch hier ist es das Ziel, Bälle mit einem Schläger über gemähte Spielbahnen in ein kleines Loch zu befördern. Man braucht aber keine Ausrüstung wie Putter, Eisen, Holz, keine Kleiderordnung oder Platzreife. Es gibt nur einen Schläger, und den bekommt man gestellt. Swingolf ist Golfsport für jedermann.

Entsprechend locker geht es auf der Anlage von Thomas Soltau zu: Fairway drei wird gerade von einem Betriebsausflug bevölkert, wobei einige Spieler ihren Ball aus dem Graben fischen müssen. An Bahn acht nähert sich eine Familie mit Kindern dem Green. Ein Ehepaar übt professionelle Abschläge am Netz. In die Quere kommt man sich auf dem zehn Hektar großen Gelände nicht. Schwere Golftaschen sind nicht zu schleppen. Stattdessen bekommt jede Gruppe einen Bollerwagen mit Kühltasche und Getränkehaltern mit auf den Weg. Gegen Aufpreis gibt es eine Lunchbox dazu. Andere buchen ein Grillbüffet zum Abschluss dazu. „Bei uns melden sich Betriebe, Junggesellen, Geburtstagsgäste aber auch durchschnittliche Familien an“, sagt Soltau, der gerade eine Gruppe in die Spielregeln einweist. „Einige wenige Profis haben aber auch eine Dauerkarte.“ Denn Soltaus Anlage ist Heimstätte des Hamburger Swingolf-Bundesligaclubs.

Mit der BSE-Krise begann die Suche nach einem neuen Geschäftszweig

Die Saison ist von März bis Oktober. Als Freiluftvergnügen ist die Auslastung stark vom Wetter abhängig. „Im vergangenen Jahr war es lange kalt und der Sommer sehr durchwachsen. Da war der Umsatz nicht besonders hoch.“ An schönen Tagen würden aber bis zu 120 Spieler über die Greens laufen. Bei Kartenpreisen von elf Euro für Erwachsene, sieben Euro für Kinder und Jugendliche, sowie 28 Euro für Familien, kommen da auch schon mal 1000 Euro am Tag zusammen. Das ist auch notwendig. Denn Soltau hat die Anlage zwar aus Liebe zum Swingolf eingerichtet, verfolgt aber auch einen betriebswirtschaftlichen Zweck: Der Golfbetrieb ist ein zweites wichtiges Standbein zur Versorgung der Familie.

Früher hat sie neben den Getreidefeldern eine Bullenmast bewirtschaftet. Doch beim Ausbruch von BSE im Jahr 2000 fielen die Rindfleischpreise stark. Familie Soltau gab die Bullenmast 2004 auf. Die Rinderstallungen, die im hinteren Teil des reetgedeckten Hauses untergebracht waren, baute Soltau zu einem Café um, das heute von seiner Frau bewirtschaftet wird. Vor der Tür entstand eine große Terrasse mit Blick auf die Golfanlage. Nicht nur Swingolfer auch Radwanderer und andere Ausflügler kehren hier ein.

Daneben bewirtschaften die Soltaus zusammen mit den Eltern noch immer rund 150 Hektar Getreideflächen. Denn von der Golfanlage allein könnte die Familie, zu der noch zwei Töchter im Alter von fünf und neun Jahren gehören, nicht leben. Etwa zwei Drittel ihres Jahreseinkommens erzielen sie mit der Landwirtschaft. „Dafür müssen alle anpacken. Allein würden wir das nicht schaffen“, sagt Soltau.

Nein, sein Vater habe ihn nicht für verrückt erklärt, als er 2010 mit der Idee von der Swingolf-Anlage ankam, sagt Soltau. In einer Zeitung hatte er davon gelesen, dass ein französischer Bauer damit erfolgreich war. „Wir suchten nach einer Einnahmequelle.“ Weitere Flächen für den Weizenanbau hinzuzugewinnen war nicht möglich. Denn das Spadenland, dass sehr ländlich wirkt, aber noch zu Hamburg gehört, ist wie das Alte Land bedroht: „Das Ackerland wird nicht mehr, sondern eher weniger, weil die Stadt immer wieder Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen sucht“, sagt Soltau. Deshalb habe die Familie den Swingolf-Plan umgesetzt. Zumal das Investitionsvolumen überschaubar war. „Die Geräte zur Herrichtung der Rasenflächen hatten wir schon.“ Und auch die Bewässerung war durch das alte Grabensystem sichergestellt. „Entscheidend war, dass es sich um unsere eigenen Flächen handelte, wir von keinem Fremden abhängig waren.“

Etwa 50 Swingolf-Anlagen gibt es in Deutschland, sagt Konrad Buritz, Präsident des Dachverbands. In der Vergangenheit seien fünf bis sechs neue Anlagen jährlich hinzugekommen, im Moment stagniere das Wachstum, sagt Buritz. „Die Errichtung neuer Anlagen hängt eng mit den Preisen in der Landwirtschaft zusammen“, sagt Buritz. In der Regel handele es sich um Bauern, die diesen Nebenerwerbszweig für sich entdecken. „Da die Produktpreise derzeit steigen, nimmt die Bereitschaft ab, sich auf etwas Neues einzulassen“, so Buritz. Und nicht jede Anlage liege so günstig wie die von Soltau.

Durch die Nähe zum Stadtgebiet ist dessen Kundenpotenzial groß. Es gibt sogar einen Busverbindung vom Hauptbahnhof. Die Gruppe vom Betriebsausflug hat inzwischen ihre 18 Bahnen beendet. „Eine Runde Bier, bitte“, lautet nun die Bestellung. Soltau hat jetzt keine Zeit mehr. Er muss den Grill anschmeißen. Die Gruppe hat nämlich das Komplettpaket mit Grillbüffet für 28,50 Euro pro Person gebucht. Und das eine oder andere Stück Torte, von Soltaus Frau gebacken, wird auch verlangt.