Hamburger Protonet sammelt im Rekordtempo Geld für einen Computerserver, der hohe Datensicherheit verspricht

Hamburg. Das Vorhaben klang ambitioniert, manche hielten die Chefs der Hamburger Computerfirma Protonet gar für größenwahnsinnig. 1,5 Millionen Euro wollten die Hanseaten Mitte dieser Woche für den Bau einer knallorangefarbenen, sechseckigen Speicherbox namens Maya einsammeln. Nicht große Banken oder Fonds sollten das Geld für den neuartigen Computerserver zur Verfügung stellen, sondern private Unterstützer aus der Netzgemeinde. Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung nennt sich das, was sich da auf der Plattform Seedmatch abspielte.

Im Nachhinein betrachtet haben die Chefs von Protonet wohl eher zu tief als zu hoch gestapelt. Gerade einmal 39 Minuten dauerte es, bis die Hamburger die ersten 500.000 Euro für ihr Projekt zusammenhatten. Nach dreieinhalb Stunden hatten Investoren schon Anteile in Höhe von einer Million Euro erworben. Am Ende des Tages war dann das Finanzierungsziel erreicht. Keine andere Crowdfunding-Aktion weltweit soll schneller gewesen sein.

Quasi im Minutentakt schickten Mitarbeiter und Unterstützer neue Erfolgsmeldungen über den Kurznachrichtendienst Twitter und auf die Facebook-Seite des Unternehmens. „Wir haben mit allem gerechnet, aber nicht damit“, sagte Firmenchef Ali Jelveh. „Das motiviert uns weiterhin, noch härter zu arbeiten.“

Hinter Maya verbirgt sich laut Protonet der „einfachste Server der Welt“, ein Rechner also, auf dem kleine und mittlere Firmen all ihre Geschäftsdaten ablegen, bearbeiten und von mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablet-PC darauf zugreifen können. Eine private Variante der Datenwolke oder Cloud, wie sie auch Google oder Dropbox zur Verfügung stellen.

1200 Euro soll das Hamburger Modell im Verkauf später einmal kosten. Ziemlich viel für ein Gerät, dass in der Standardausführung mit 250 Gigabyte Speicher daherkommt. Im Gegensatz zu bereits existierenden Lösungen soll es mit einem eigenen Betriebssystem namens Soul aber besonders leicht zu bedienen und auch für Laien ohne tiefere Computerkenntnisse zu installieren sein. Und es funktioniert unabhängig von den großen, weltweit operierenden Internetfirmen.

Tatsächlich ist es wohl dieses Versprechen auf Unabhängigkeit und Sicherheit, dass sich in Zeiten des NSA-Abhörskandals, immer neuer Berichte über Datenklau und die zunehmende Macht von Google, Facebook und Co. gut verkauft. „An unserem Erfolg zeigt sich, wie wichtig den Menschen heutzutage verlässliche Datenhoheit ist“, sagt Protonet-Chef Jelveh.

Als Vorreiter für mehr Datensicherheit hat es Jelveh schon in die Hauptnachrichten im Fernsehen geschafft. In Werbespots spricht die Firma vor allem die Gefühle ihrer Kunden an, vertreibt sogar Fan-T-Shirts mit der Aufschrift „I love my data“. Hinter Protonet stehen zudem einige einflussreiche Investoren der ersten Stunde wie Tarek Müller, im Hauptberuf Co-Chef der Modeplattform Collins des Hamburger Otto-Konzerns. Auch die Werber Stefan Kolle und Stephan Rebbe zählen zu den Anteilseignern.

Schaut man allerdings auf Umsatz und Gewinn von Protonet, dann haben die Hamburger bislang noch nicht viel vorzuweisen. Gerade einmal 300.000 Euro erwirtschaftete die Firma mit insgesamt 23 Beschäftigten im vergangenen Jahr. Diese Erlöse kamen durch den Verkauf der größeren Vorgängerversion des Maya-Servers namens Carla zustande. In diesem Jahr soll der Umsatz auch dank der kleineren und flexibleren Variante nun auf 1,3 Millionen Euro ansteigen. Gewinne werden nach Angaben eines Sprechers aber nicht vor dem Jahr 2016 erwartet.

Insofern ist auch offen, mit welcher Rendite die jüngsten Geldgeber von Protonet rechnen können. Am handfestesten ist die Zusage, dass Anleger, die mindestens 2000 Euro in die Firma investiert haben, einen der neuen Computerserver bekommen. Im Herbst soll die Fertigung der in Hamburg zusammengeschraubten Geräte anlaufen.

Darüber hinaus hängt die Verzinsung des Kapitals von den erzielten Gewinnen oder Umsätzen sowie von der Tatsache ab, ob die Beteiligungsverhältnisse durch weitere Finanzierungsrunden noch verwässert werden. Auf eine konkrete Rendite will sich der Unternehmenssprecher auf Nachfrage dieser Zeitung nicht festlegen. Ziehen sich die Unternehmensgründer im Rahmen einer Exitstrategie aus der Firma zurück, werden die Anleger zumindest an dem erzielten Verkaufspreis beteiligt.

In jedem Fall tragen die Geldgeber aber das volle unternehmerische Risiko. Erworben haben sie laut der Finanzierungsplattform Seedmatch sogenannte partiarische Nachrangsdarlehen. Sollte es also – rein hypothetisch – zu einer Insolvenz von Protonet kommen, würden sie nachrangig zu den übrigen Gläubiger bedient, es würde also der Totalverlust drohen. Eine Kündigung der Darlehen ist erst Ende 2019 möglich.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht Crowdfunding wegen des möglichen Totalverlusts und der oft langen Laufzeiten einer Anlage grundsätzlich kritisch. Wer Geld auf diese Weise investiere, solle sich zumindest über die Risiken im Klaren sein und das jeweilige Projekt sowie die Geschäftsprognosen genau prüfen, raten die Verbraucherschützer.