Hamburger Urbana will die dezentrale Energieversorgung voranbringen. Mieter könnten sparen, doch die größte Wohnungsgesellschaft sperrt sich

Hamburg. Warme Luft dringt aus dem Technikraum im Siedlungskomplex der Saga GWG am Bekkamp im östlichen Hamburger Stadtteil Jenfeld. Heizkessel und Pumpen rauschen und brummen, umgeben von einem Bündel an Rohrleitungen – auf den ersten Blick ein Heizkeller wie Hunderttausende andere in Deutschland auch. Tatsächlich aber ist die Anlage des Hamburger Energiedienstleisters Urbana ein Blockheizkraftwerk, das Gebäudewärme für Hunderte Wohnungen und obendrein auch Strom erzeugt.

Mit Kellerkraftwerken dieser Art will Urbana in den kommenden Jahren am deutschen Strommarkt mitmischen. Den Strom, der beim Betrieb der Blockheizkraftwerke quasi als Nebenprodukt anfällt, speist Urbana bislang in das Netz des regionalen Energieversorgers ein und bekommt dafür eine festgelegte Einspeisevergütung. Alternativ kann das Unternehmen den Mietern der Gebäude den Strom aber auch selbst vermarkten: „Wir wollen Strom aus solchen Blockheizkraftwerken den Mietern in den Immobilien, die wir mit Wärme versorgen, direkt anbieten“, sagt Urbana-Vorstand Jan-Christoph Maiwaldt. „Die Mieter können dadurch im Jahr, je nach Wohnungsgröße und Stromtarif bei ihrem Hauptversorger, gut 100 Euro sparen.“ In Jenfeld aber darf Urbana den Strom nicht direkt anbieten, anders als etwa bei einem Pilotprojekt des Unternehmens in Berlin. Mit Saga GWG konnte Urbana bislang keine Übereinkunft erzielen.

Der deutsche Energiemarkt ist in Bewegung, im Guten wie im Schlechten. Teure Rohstoffe haben in den vergangenen Jahren die Wohnnebenkosten für Strom und Heizung in die Höhe getrieben. Ein zusätzlicher Kostenfaktor ist die Förderung von Ökostrom, die bei Privathaushalten mittlerweile mit einer Umlage von 6,24 Cent je Kilowattstunde zu Buche schlägt. Fortschritte ließen sich erzielen, wenn der Wärme- und der Strommarkt stärker als bislang miteinander verbunden würden. Der Meinungsstreit um die Kosten der Energiewende wird vor allem am Strommarkt ausgetragen. Am Wärmemarkt etablieren sich unterdessen die erneuerbaren Energien, aber auch die hoch effiziente Kraft-Wärme-Kopplung – die Kombination von Heizung und Stromerzeugung – weitgehend geräuschlos und mit geringen Subventionen durch die Verbraucher.

Urbana will die dezentrale Stromversorgung vorantreiben. Deutschlandweit versorgt das Unternehmen seit mehr als 50 Jahren Wohnungsgenossenschaften und Gewerbebetriebe mit Heizwärme. Insgesamt 740 Heizwerke und Heizzentralen hat Urbana in Betrieb, 150.000 Wohnungen sowie 600 kommunale und gewerbliche Objekte sind daran angeschlossen, rund 15.000 Wohnungen allein in Hamburg. Unter anderem nutzt Urbana, wie in Jenfeld, Blockheizkraftwerke, die gut 90 Prozent der eingesetzten Energie in Wärme und Storm umwandeln – ein Effizienzwert, doppelt so hoch wie der von Kohlekraftwerken, die nur Strom erzeugen.

„Wir glauben nicht an den langfristigen Erfolg der Einspeisevergütungen für Ökostrom, weil dieses System für die Stromkunden immer teurer wird“, erklärt Maiwaldt die Motivation von Urbana. Strom aus dem Keller lasse sich für 23 bis 26 Cent je Kilowattstunde anbieten, das sei ein Preisvorteil von zwei bis drei Cent gegenüber gängigen Tarifen. Denn die Mieter zahlen für den Strom aus dem eigenen Keller kein Entgelt für die Nutzung des regionalen Netzes. Um Strom direkt zu vermarkten, muss Urbana in den Gebäuden Bilanzkreise installieren. Damit wird technisch und buchhalterisch exakt erfasst, welcher Teil des Strombedarfs in den Wohnungen aus dem Heizkeller und welcher von außerhalb gedeckt wird.

In Berlin startete Urbana im Mai sein bundesweit erstes Projekt für die Versorgung von Wohnungen mit sogenanntem Mieterstrom. In 1423 Wohnungen der Gesellschaft Gewobag im Spandauer Quartier Falkenhager Feld können die Mieter nun Strom aus dem eigenen Keller beziehen. Das reicht zwar nicht zur Vollversorgung aller angeschlossenen Wohnungen während des ganzen Jahres – das Blockheizkraftwerk der Siedlung läuft immer primär nach dem jeweiligen Wärmebedarf der Wohnungen, im Sommer weniger als im Winter. Aber auch bei kombiniertem Bezug von Strom aus dem Keller und aus dem regionalen Netz können die Mieter ihre Stromkosten senken.

In der Metropolregion Hamburg versorgt Urbana rund 10.000 Wohnungen mit Wärme. Auch in Hamburg will das Unternehmen zusätzlich Mieterstrom anbieten, etwa in Siedlungen wie im Jenfelder Bekkamp der Saga GWG, für die Urbana die Gebäudewärme erzeugt. „Technisch gesehen gibt es in Hamburg für 260.000 Wohneinheiten die Möglichkeit, auf Mieterstromversorgung umzustellen“, sagt Maiwaldt. Doch in der Hansestadt existiert bislang noch kein vorzeigbares Projekt. Ohne die Zustimmung der Wohnungsunternehmen dürfe man sich nicht äußern.

Hamburgs größtes Wohnungsunternehmen Saga GWG, ein wichtiger Wärmekunde von Urbana, sträubt sich: „Das Konzept von Urbana ist sicher ein interessanter Ansatz. Aber es kann keine flächendeckende Lösung für die Energiewende am Strommarkt sein“, sagt Lutz Basse, Vorstandsvorsitzender von Saga GWG. „Würden das alle Betreiber großer Wohneinheiten und ihre dezentralen Energieversorger praktizieren, würde das die Energiepolitik der Bundesregierung konterkarieren, vor allem den Ausbau der Infrastruktur wie etwa der Fernleitungen für Windstrom von Nord- nach Süddeutschland.“ Entscheidungsbedarf gebe es nicht: „Die Frage der Zustimmung stellt sich nicht, weil wir die Eckdaten überhaupt nicht kennen. Saga GWG wird aber weiter kooperativ mit Urbana zusammenarbeiten“, sagt Basse.

Gebäudewärme wird dezentral nah beim Verbraucher erzeugt. Der deutsche Strommarkt hingegen ist bislang von den zentralen Strukturen großer Kraftwerke geprägt. Mit der Energiewende, mit Hunderttausenden Windkraftwerken, Solaranlagen, Biomasse- oder Blockheizkraftwerken rückt auch die Stromerzeugung näher an die Verbraucher heran. Damit der Strukturwandel nicht gebremst wird, fordern Beteiligte wie Kommunen, Verbände und Unternehmen Korrekturen an der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die im Sommer den Bundestag passieren soll. Das Hamburger Unternehmen LichtBlick ist ein Vorreiter beim Ausbau einer dezentralen Energieversorgung vor allem durch Blockheizkraftwerke und Solarstromanlagen. Im Gelben Viertel im Berliner Stadtteil Hellersdorf beteiligte sich LichtBlick 2013 am Bau der größten Fotovoltaikdachanlage Deutschlands und vermarktet nun dort den Solarstrom als ZuhauseStrom an die Mieter der Siedlung mit ihren insgesamt 3000 Wohnungen. Für den Strom fällt keine Netznutzungsgebühr an, und die EEG-Umlage ist um zwei Cent geringer als der volle Satz – bislang noch.

„Wir sind keineswegs dagegen, dass Eigenstromverbraucher an der Finanzierung der Energiewende beteiligt werden“, sagt LichtBlick-Sprecher Ralph Kampwirth. „Aber es kann nicht sein, dass Eigenheimbesitzer künftig von der Solaranlage auf dem Dach profitieren können, Mieter aber nicht von der Stromerzeugung in der eigenen Siedlung.“ Wird die EEG-Novelle Realität, müssen Mieter künftig für Solarstrom vom Dach im Jahr rund 150 Euro mehr zahlen als Eigenheimbesitzer. Das erschwere die Energiewende in den Städten, sagt Kampwirth: „Wenn die Direktvermarktung von Strom bei einer großen Zahl von Mietern funktioniert, wird das der Energiewende einen gewaltigen Schub bringen.“