Hamburger Modemarke stellt Vertrieb um. Reaktion auf Wandel im Handel

Hamburg. Experimentierfreudige Modejünger sucht man in der Zentrale von Closed in Eppendorf vergeblich. Vielleicht liegt das auch am Firmensitz in Hamburg, der Stadt, die für ihre klassischen Outfits bekannt ist. „Ich ziehe an, was im Schrank oben liegt“, sagt Hans Redlefsen, 45, der sich als Finanzchef bei Closed allerdings auch eher auf die Arbeit mit Zahlen beschränkt. Wenig Risiko geht allerdings auch Chefdesigner Gordon Giers ein: „Im Prinzip habe ich jeden Tag das Gleiche an, alles in Dunkelblau, höchstens mal Grau“, sagt der 44-Jährige. „Wenn die Putzfrau mal ein rotes T-Shirt findet, packt sie das automatisch in den Schrank meiner Frau.“ Keine Experimente, das gilt bei Closed auch für den Stil der Marke. Closed ist und bleibt ein Label für Sportswear und Jeans im Premiumsegment. Seit der Gründung 1978 in Italien, unverändert auch nach dem Umzug nach Hamburg und der Übernahme im Jahr 2004 durch die heutigen Eigentümer Redlefsen, Giers sowie Til Nadler.

Einen deutlichen Strategiewechsel vollzieht das Unternehmen jetzt allerdings im Vertrieb. Das Modelabel wird sich in Zukunft hauptsächlich in eigenen Läden präsentieren, in sogenannten Monomarkenshops. „So begegnen wir der Umwälzung im Handel“, sagt Giers. Über lange Zeit war der Standort am Eppendorfer Baum das einzige eigene Geschäft der sportlichen Marke gewesen. Unter Hamburgern hat zudem der Lagerverkauf in Billstedt im dortigen Closed-Logistikcentrum eine Art Kultstatus erreicht. Kundinnen, die sonst in Winterhude oder am Neuen Wall shoppen gehen, verzichten in der Industriehalle auf Umkleidekabinen, balgen sich um reduzierte Teile und vergessen dabei schon mal die gute Erziehung. Denn die Jeans, die bei Closed üblicherweise zwischen 150 und 200 Euro kostet, ist hier für einen Bruchteil zu bekommen.

Mit dem neuen Bekenntnis zum Vertrieb unter eigener Regie hat Closed allein in den letzten Wochen sechs Läden eröffnet, etwa in Scharbeutz, auf Föhr, in Linz, Kitzbühel und in Köln. Insgesamt betreibt Closed heute rund 30 Läden. Und weitere Standorte sollen schon bald folgen, etwa in Osnabrück. Der Umsatz soll damit im laufenden Jahr zweistellig wachsen. Bisher liegen die Erlöse der Firma mit 285 Mitarbeitern nach Schätzungen aus der Branche bei knapp 80 Millionen Euro. Die Eigentümer halten sich bei diesen Angaben hanseatisch zurück. Im vergangenen Jahr war der Absatz noch etwas zurückgegangen, nachdem der neue Kreativdirektor Kostas Murkudis nicht so recht den Geschmack der Closed-Kunden getroffen hatte. Jetzt kreiert wieder die eigene Designabteilung unter Leitung von Giers. Von Murkudis hat man sich derweil getrennt. Keine Experimente, wie gesagt.

Die Vertriebsoffensive, die Closed zum Teil mit Franchiseshops stemmt, ist auch eine Reaktion auf die Probleme des Fachhandels. Der Wirtschaftszweig leidet unter hohen Mieten und der Konkurrenz durch das Internet. Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland (HDE) bestätigt das allmähliche Aussterben von Fachhändlern oder Boutiquen. „Der Anteil der Fachgeschäfte ist stark zurückgegangen“, sagt der Brancheninsider. Erwirtschafteten die Einzelkämpfer im Handel im Jahr 2000 noch ein Drittel der Umsätze, ist ihr Marktanteil heute auf nur noch ein Fünftel gesunken.

„Wir beliefern rund 500 Verkaufspunkte in Deutschland, aber deren Zahl schrumpft von Jahr zu Jahr“, erklärt Giers den Wandel in der Verkaufsstrategie. Mit dieser Entwicklung steht Closed allerdings nicht allein in der Modebranche. Auch die Inhaber von Hugo Boss, die ebenfalls im Premiumsegment agieren, setzen auf eigene Monomarkengeschäfte. Hugo Boss will längerfristig weit mehr als 60 Prozent seines Umsatzes mit einem eigenen Einzelhandel erwirtschaften. „Wir tragen damit der zunehmenden Konsumentennachfrage nach Monomarken-Vertriebsformaten und der attraktiven Rendite dieses Vertriebskanals Rechnung“, heißt es bei Boss.

„Gerade die hochwertigen Marken verlieren ihre Partner im Einzelhandel“, begründet Peter Frank von der Handelsberatung BBE das Umdenken der Luxusanbieter. So hätten mit Mändler in München und Eickhoff in Düsseldorf zwei alteingesessene Modehäuser aufgegeben, sagt Frank. Eickhoff weicht nach 33 Jahren an der Kö in diesen Tagen einem seiner Lieferanten: Dior eröffnet an der Edelmeile einen Flagshipstore auf 1100 Quadratmetern. Die Entwicklung ist typisch für den Handel. Der Familienbetrieb Eickhoff macht den Weg frei für das Luxuslabel Dior, hinter dem die Aktiengesellschaft LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton steht. Kleiner Trost: Die Eickhoffs vermieten ihre Immobilie an der Königsallee 30 an den Pariser Konzern und haben damit ausgesorgt. Insider halten eine Miete von 150.000 Euro für den Eickhoff-Pavillon für realistisch.

Vergleichbare Modehäuser könne man auch in Hamburg nur noch an einer Hand abzählen, sagt Closed-Geschäftsführer Giers. Im hochpreisigen Bereich hätten sich in guten Lagen praktisch nur die Anbieter Braun für Herren und Unger für die weibliche Kundschaft gehalten.

Die steigenden Immobilienpreise beschleunigen das Sterben der traditionsreichen Fachgeschäfte, aber auch die Ansprüche der Hersteller tragen dazu bei: Hugo Boss oder Closed erwarten vom Handel, das gesamte Sortiment zu zeigen, um die Marke entsprechend der eigenen Designlinie präsentieren zu können. „Dann müssen Sie als Händler auch die lila Hose mit den rosa Punkten abnehmen, um die dunkelblaue zu bekommen“, sagt Branchenexperte Peter Frank. Die extravaganten Teile müsse der Fachhandel am Ende der Saison dann zu Schleuderpreisen anbieten. Das belaste die Rendite für die meist im voraus bezahlten Kollektionen.

Bei Closed steht ebenfalls die Präsentation einer eigenen Markenwelt im Mittelpunkt der neuen Strategie. „Wir müssen mit den eigenen Shops aber auch unsere Kunden immer besser kennenlernen und auf ihre Bedürfnisse reagieren können“, sagt Giers. Deren Vorstellungen sollen viel stärker als bisher in die Closed-Kollektion einfließen. Sogar eine maßgeschneiderte Jeans halten die Closed-Manager für möglich. Die Option der selbst gestalteten Hose solle zunächst aber nur an einem Standort eingeführt werden, vermutlich in München, sagt Giers. Keine Experimente, wie gesagt.