Hamburger Agentur für Arbeit fordert Jugendliche auf, auch exotische Berufe zu wählen. Land- und Tierwirte gefragt

Hamburg. Lisa Bannick nimmt Schwung und wirft den Kühen mit der Heugabel die Silage direkt vor die Mäuler. Als alles auf dem Gang verteilt ist und die Rinder blinzelnd auf dem Grünzeug herumkauen, schaut die 20-Jährige noch schnell nach den Kälbern. Die Kleinen liegen vor der Halle in eigenen Ställen und dösen. Zeit für eine kurze Pause, an einem langen Tag, der morgens bei Sonnenaufgang mit dem Hahnenschrei beginnt. Einem von 365 Arbeitstagen im Jahr, denn die Tiere kennen keine Feiertage. Auch Weihnachten und Silvester muss Lisa Bannick hier kräftig mit anpacken. Doch die gebürtige Kielerin ist zufrieden, die Ausbildung zur Landwirtin macht der jungen Frau viel Spaß, sagt sie: „Meine Großeltern haben auf einem Resthof gewohnt, und schon als Kind war ich dort gerne mitten in der Natur.“

Bisher stürzen sich die meisten Jugendlichen auf nur wenige Berufe

Eine Ausbildung zum Landwirt zu beginnen erscheint den meisten Hamburger Großstadtkindern wahrscheinlich als eher ungewöhnliche Idee. In der Hansestadt locken der (vermeintliche) Glamour der Medien, schicke Büros der Banken oder coole Werbeagenturen. „Es ist aber wichtig, den Markt der Möglichkeiten zu sehen“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit Hamburg, die am Freitag bei Landwirt Hauke Jaacks einige außergewöhnliche Berufe vorstellte.

Die Agentur wählte den Bauernhof in Rissen, Arbeitsplatz von Lisa Bannick, um den Blick von Jugendlichen zu weiten und auch exotische Ausbildungsgänge ins Auge zu fassen. Schließlich würden sich bisher alle auf die „Klassiker“ stürzen und Berufe wie Kfz-Mechatroniker oder Friseurin anstreben. „Die meisten der jährlich 14.000 Schulabgänger in unserer Stadt kennen nur zehn Ausbildungsberufe“, argumentierte Fock. Dabei böten Karrierewege fernab der eingefahrenen Pfade unzählige Chancen. Als Beispiele für Berufe, in denen derzeit noch Nachwuchs fehlt, nannte Fock Orgel- und Harmoniumbauer, Müller (Verfahrenstechnologie), Behälter- und Apparatebauer und Hafenschiffer. Über all diese Berufe könnten sich junge Leute bei der Agentur informieren. Für den ebenfalls seltenen Beruf des Holz- und Bautenschützers warb auf der Presseveranstaltung Kevin Westphal, technischer Leiter der Firma Isotec. Aufgabe des Bautenschützers sei es, Gebäude vor Schimmel und Feuchtigkeit zu bewahren und Schäden zu beseitigen. „Hier lockt ein Wachstumsmarkt“, sagt Westphal, jedes zweite Haus sei von den Problemen betroffen. Martin Grenz, der diesen noch jungen Ausbildungsgang abgeschlossen hat, lobte die Vielfalt der Aufgaben: „Das geht vom Maurer über den Maler, Tischler, Stukkateur bis zum Zimmermann“, sagte der 29-Jährige, der bei Isotec inzwischen zum Teamleiter aufgestiegen ist. Auch aktuell sucht die Ottenser Firma angehende Holz- und Bautenschützer. Der Verdienst steigt von 670 Euro im ersten Lehrjahr bis auf 1300 Euro im dritten Jahr.

Agenturchef Fock hält Ausbildung in der Landwirtschaft für sehr chancenreich

Auch Hauke Jaacks wünscht sich weiteren Nachwuchs für seinen Betrieb. Bewerber, die sich auf seinem Milchviehhof zum Land- oder Tierwirt ausbilden lassen wollen. Eine Ausbildung in der Landwirtschaft biete vielfältige Chancen, warb Fock: „Sie können später in Gärtnereien, in Ingenieurbüros, Naturparks oder Zoos arbeiten“, sagte der Agenturchef.

Auch Lisa Bannick denkt schon an ein Leben nach der Arbeit auf dem Bauernhof am Rande der Stadt: „Am liebsten würde ich ein Studium der Agrarwissenschaften anschließen und dann in die Wirtschaft oder als Entwicklungshelferin ins Ausland gehen.“ Hauke Jaacks wird sich immer wieder um Nachwuchs kümmern müssen, seine Auszubildenden scheinen sehr flexibel zu sein: „Meine letzte Tierwirtin ist nach Aserbaidschan gegangen“, sagt der Rissener lachend.