Heinrich Maria Schulte nimmt erstmals zum Vorwurf der Untreue Stellung

Hamburg. Seine Stimme ist fest und entschlossen, sein Auftritt perfekt inszeniert. Heinrich Maria Schulte, der 147 Millionen Euro an Fondsgeldern abgeschöpft haben soll, ist makellos gekleidet. Acht Monate Untersuchungshaft sieht man ihm nicht an, obwohl dort „nichts einvernehmlich geschieht“, wie er dem Richter am zweiten Verhandlungstag wissen lässt.

Damit gibt er zu verstehen, dass er am Holstenglacis 3 so isoliert und abgeschirmt ist, dass er fast nichts zur Aufklärung beitragen kann. Selbst ein Diktiergerät, auf das er Erläuterungen für seine drei Anwälte sprechen will, darf er in der Untersuchungshaftanstalt nicht verwenden. Doch die Botschaft, die er am zweiten Verhandlungstag herüberbringen will, ist eine andere. „Den Vorwurf der privaten Bereicherung weise ich zurück“, sagt der 60-Jährige. In der Anklageschrift hieß es dagegen, dass rund zehn Millionen Euro für private Zwecke verwendet worden sein sollen. Dass Geld von den Immobilienfonds auf andere Konten geleitet wurde, ist offenbar unbestritten. Die Staatsanwaltschaft listete 360 Transaktionen auf. Der Vorwurf: gewerbsmäßige Untreue. Es geht um 29 geschlossene Fonds des Hamburger Anbieters Wölbern Invest, dessen Inhaber Schulte bis zu seiner Verhaftung im September 2013 war.

Schulte sagte dagegen, „bis zu meiner Inhaftierung wurde kein Anleger geschädigt“. Den abgezogenen Geldern standen nach seiner Aussage werthaltige Garantien gegenüber. Nur durch seine Verhaftung sei es zu Notverkäufen von Firmenanteilen unter Wert gekommen, ein großer Firmenverkauf in Finnland sogar ganz gescheitert.

Außerdem seien auch Teile des entnommenen Geldes wieder zurück in die Wölbern-Fonds geflossen. Die Staatsanwaltschaft habe das für rund 30 Millionen Euro nachvollziehen können, sagt Staatsanwalt Heyner Heyen. Die offenen Forderungen der Fonds gegenüber Schulte belaufen sich so auf rund 115 Millionen Euro. „Die Staatsanwaltschaft stellt mich als Mensch mit niederen Beweggründen dar, der nur aus Habgier gehandelt hat“, sagt Schulte und bestritt dies. „Ich bin Sohn einer Arztfamilie in fünfter Generation.“

Viel Raum in seinen „vorläufigen, generalisierenden Einlassungen“ widmet der Medizinprofessor seinem Werdegang. Nach der medizinischen Ausbildung im In- und Ausland und einer akademischen Laufbahn kam er 1993 nach Hamburg. Seinen Lebensunterhalt habe er als Leiter eines Medizinzentrums in Hamburg mit 1000 Mitarbeiten verdient. Sein Vermögen, das jetzt einem Privatinsolvenzverfahren unterliegt, hat er mit dem Aufbau von Biotechnologieunternehmen gemacht. Als Geschäftsführer der Wölbern-Gruppe habe er kein Gehalt bezogen, im Gegenteil, das Fondshaus mit privaten Darlehen unterstützt.

„Bei der Führung der Fonds habe ich mich auf die Ratschläge meiner Berater verlassen müssen. Mein Know-how liegt im medizinischen Bereich“, sagte Schulte. „Wenn sich herausstellen sollte, dass ich etwas Falsches gemacht haben sollte, dann werde ich auch dafür einstehen.“ So habe er es im Leben immer gehalten.

Mit mehreren Anträgen will die Verteidigung eine Aussetzung des Verfahrens um mindestens sechs Monate und die Aufhebung des Haftbefehls gegen ihren Mandanten erreichen.

Am Montag hatten zwei Verteidiger alle drei Berufsrichter der Kammer bereits wegen Befangenheit abgelehnt – ohne Erfolg, wie der Vorsitzende Richter Hartmut Loth am Dienstag verkündete. Entgegen dem üblichen Verfahren konnte die Kammer darüber selbst entscheiden – wegen eines Formfehlers der Verteidiger Christoph Römming und Arne Timmermann. Sie hätten ihre Anträge stellen müssen, bevor Loth den Angeklagten zur Person vernimmt. Das aber hatten sie versäumt.

Heftig gestritten wird darüber, ob die beschlagnahmten Akten der Verteidigung rechtzeitig zugänglich gemacht wurden oder nicht. Verteidiger Thomas Hauswaldt und seine Kollegen verneinen das und wollen deshalb das Verfahren aussetzen, um Zeit für die Aktenbewertung zu gewinnen.

Es geht um sechs Millionen Blatt Akten, gespeichert als elektronische Datei, die die Verteidigung erst 14 Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vom Landeskriminalamt erhalten haben soll. Pflichtverteidiger Timmermann kann damit noch immer nichts anfangen, weil ihm ein Auswertungsprogramm fehlt. Nach seiner Aussage müsste die Kammer die Anschaffung befürworten. Zusätzlich gibt es im Gericht noch 187 Kartons mit Akten. „108 davon sind noch polizeilich versiegelt“, sagt Hauswaldt. Das Gericht könne sich also damit noch nicht beschäftigt haben. Richter Loth räumt ein, dass man lange Zeit annahm, die elektronischen Dateien enthielten auch die Akten in den Kartons, was aber nicht der Fall ist.