Tarifstreit lodert seit einem Jahr. Experten erwarten Sieg des Versandhändlers

Bad Hersfeld. In diesem Jahr ist es ruhig geworden um die Streiks beim Online-Versandhändler Amazon. Doch die Gewerkschaft Ver.di will im Tarifstreit mit dem Branchenriesen nicht klein beigeben. Knapp ein Jahr nach den ersten, ganztägigen Streiks in Bad Hersfeld und Leipzig am 14. Mai 2013 erneuert Ver.di seine Kampfansage. „Wir haben uns von Anfang an darauf eingestellt, dass Amazon ein harter Brocken ist und der Konflikt einen langen Atem braucht. Das ist keine Sache von Wochen oder Monaten. Aber wir werden stärker – und wir lassen nicht nach“, sagte der Sprecher des Ver.di-Bundesvorstands, Christoph Schmitz. „Sicher ist: Es wird auch in Zukunft Streiks und öffentliche Aktionen geben.“ Und zwar so lange, wie Amazon Gespräche verweigere.

Ver.di will für die Mitarbeiter eine Bezahlung nach den besseren Konditionen des Einzelhandelstarifs. Amazon sieht sich als Logistiker, der mit seinen Löhnen am oberen Ende des Branchenüblichen liege. Das Unternehmen lehnt deshalb Tarifverhandlungen ab. Amazon begründet: Mitarbeiter verdienen im ersten Jahr mindestens 9,55 Euro brutto pro Stunde und ab dem zweiten Jahr mehr als zehn Euro. Die Löhne seien fair, die Arbeitsbedingungen gut.

Viel Aufmerksamkeit erzeugten die Streikenden mit ihrem Ausstand im wichtigen Weihnachtsgeschäft. Amazon versicherte aber, dass die Streiks das Geschäft nicht sonderlich behindert hätten. Nach 23 Streiktagen 2013 wurde in diesem Jahr nur an zwei Tagen die Arbeit niedergelegt. Um den Druck zu erhöhen, will Ver.di mehr Mitstreiter unter den mehr als 9000 Beschäftigten in Deutschland gewinnen: „Ziel ist, Zug um Zug weitere Amazon-Standorte streikfähig zu machen.“ Und die Streikkasse von Ver.di sei „so gut gefüllt, dass Amazon nicht damit rechnen darf, dass uns die Puste ausgehen könnte“.

Experten sehen geringe bis gar keine Chancen für Ver.di im Kräftemessen. Handelsfachmann Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein, sagt: „Ver.di hat keine Chance, sich durchzusetzen.“ Die Gewerkschaft habe sich den falschen Gegner ausgesucht, um ein Exempel zu statuieren. „Amazon stoppt niemand. Das Unternehmen überrollt den Markt wie eine Feuerwalze.“ Innerhalb von drei Jahren könnte sogar eine Roboter-Technik in den Versandlagern einsatzbereit seien. Onlinehandelsexperte Patrick Palombo stuft die Chance für Ver.di als sehr gering ein, noch etwas zu erreichen. Die Gewerkschaft solle sich besser einen neuen Gegner suchen. Professor Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sagt: „Die Chancen von Ver. di sind zwar deutlich gesunken. Die Sache ist aber noch nicht erledigt. Sonst macht sich Ver.di auch unglaubwürdig.“