Ökonomen rechnen wegen niedriger Inflation mit bis zu 1,5 Prozent mehr. Arbeitskosten wachsen schneller als in der EU

Berlin. Wegen der anhaltend niedrigen Inflation können die Arbeitnehmer in Deutschland nach Einschätzung von Experten auf ein deutliches Reallohnplus hoffen. „Wir rechnen mit einem realen Lohnzuwachs von einem bis 1,5 Prozent in diesem Jahr“, sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, der „Bild“-Zeitung. „Deutschland hat damit endlich wieder Aussichten auf einen Aufschwung, von dem breite Bevölkerungsschichten profitieren.“ Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sagte: „Nach den bisherigen Lohnabschlüssen können sich die Beschäftigten dieses Jahr nach Abzug der Inflation über ein klares Lohnplus freuen.“ Die Reallöhne stiegen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht oft um 1,0 Prozent und mehr: 1992 lag das Plus bei 4,9 Prozent, 1995 bei 1,2 Prozent, 2010 bei 1,5 Prozent und 2011 bei 1,2 Prozent.

Im vergangenen Jahr sind die Arbeitskosten in Deutschland unterdessen mit einem Plus von 2,1 Prozent erneut stärker gestiegen als im Schnitt der Europäischen Union (+1,4 Prozent). Die Arbeitskosten in Deutschland liegen gut ein Drittel höher als im EU-Schnitt – aber niedriger als bei den meisten Nachbarn. Private Arbeitgeber zahlten 2013 im Schnitt 31,70 Euro je Stunde an Bruttoverdiensten und Lohnnebenkosten, teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Damit liegt Deutschland mit Finnland auf Rang sieben in der Europäischen Union. Da die Kosten seit 2011 aber schneller steigen, warnt die deutsche Wirtschaft vor einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. „Sowohl im vergangenen als auch in diesem Jahr steigen die Kosten stärker als die Produktivität“, sagte Alexander Schumann, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). „Die gute Lohnentwicklung stützt zwar unsere Binnenkonjunktur und macht uns unabhängiger vom Ausland. Auf Dauer ist das aber keine gute Entwicklung, denn unsere Wettbewerbsfähigkeit leidet.“

Schweden hat mit 43,00 Euro die höchsten Arbeitskosten. In Deutschlands Nachbarstaaten Belgien (41,20), Dänemark (39,80), Luxemburg (35,60), Frankreich (35,00) und den Niederlanden (32,50) sind sie ebenfalls höher. In Österreich (31,70), Polen (7,40) und Tschechien (10,40) fallen sie niedriger aus als hierzulande. Bulgarien hat mit 3,70 Euro je Stunde die geringsten Arbeitskosten in der gesamten EU.

Arbeitskosten setzen sich aus Bruttoverdiensten und Lohnnebenkosten zusammen. 2013 zahlten deutsche Arbeitgeber auf 100 Euro Bruttolohn 27 Euro Nebenkosten. Der EU-Schnitt beträgt 31 Euro, im EU-Ranking nimmt Deutschland Rang 16 ein. Zu den Nebenkosten zählen Beiträge zu Sozialversicherungen und betrieblicher Altersversorgung sowie Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall.