Währungseffekte schmälern Erträge von exportorientierten Unternehmen. HWWI sieht Aufschwung in Deutschland dennoch nicht in Gefahr

Hamburg. Das tut richtig weh. Obwohl Produkte „made in Germany“ im Ausland stark gefragt sind, müssen sich viele deutsche Unternehmen im außereuropäischen Ausland derzeit mit geringeren Umsätzen und Gewinnen zufrieden geben. Schuld daran ist nicht etwa eine falsche Firmenstrategie, sondern der starke Euro-Kurs. Bei der Vorlage der Quartalszahlen und Bilanzen fällt das Zauberwort „Währungseffekte“ als Begründung für gesunkene Erträge deshalb in diesen Tagen so häufig wie seit Langem nicht mehr. Vor allem Unternehmenschefs, die in Südamerika, Japan oder Russland engagiert sind, dürften sich angesichts der dort fallenden Umtauschkurse ärgern. Auch in Norddeutschland – wie zuletzt bei Beiersdorf, Dräger oder der Otto Group.

Der Euro hat innerhalb der vergangenen zwölf Monate gegenüber vielen Ländern in der Welt an Wert gewonnen. Dabei fällt der Kursanstieg gegenüber dem Dollar mit plus 5,91 Prozent auf derzeit 1,37 Euro je Dollar sogar noch vergleichsweise moderat aus. Eine besonders extreme Abwertung ihrer Währung gegenüber dem Euro erfuhr unterdessen Argentinien mit unglaublichen 63,4 Prozent. Im zweistelligen Bereich wertete der Euro auch gegenüber der Türkei (plus 22,3 Prozent), Südafrika (20,57 Prozent), Russland (18,92 Prozent), Brasilien (15,95 Prozent), Indien (17,9 Prozent), Australien (13,4 Prozent) und Kanada (14,3 Prozent) auf. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So verliert der Rubel insbesondere im Zuge der Ukraine-Krise und der Kapitalflucht aus Russland. Japan betreibt wiederum gezielt die Abwertung des Yen, um die Konjunktur im eigenen Land anzutreiben.

Grundsätzlich ist es ein gutes Zeichen, dass die europäische Gemeinschaftswährung sich auf dem Finanzmarkt kräftig behauptet. Auch deutsche Touristen können frohlocken, dass sie mit ihrem Euro in vielen Ländern derzeit deutlich mehr für ihr Geld erhalten. Doch es gibt auch eine Kehrseite des starken Euro, die vor allem exportorientierte Unternehmen zu spüren bekommen. Die Euro-Stärke wird zur Achillesferse in ihren Bilanzen.

In der Theorie gilt für sogenannte Währungseffekte: Wenn der Euro gegenüber einer anderen Währung aufwertet, werden deutsche Produkte, die im außereuropäischen Ausland angeboten werden, für die dortigen Abnehmer teurer. Die Wettbewerbsfähigkeit nimmt ab, die Waren sind schwerer zu verkaufen. Die Folge: Der Absatz der Firmen sinkt und damit auch die Umsätze. Senken die Unternehmen wiederum als Reaktion die Preise, um konkurrenzfähig zu bleiben, gehen ihre Einnahmen angesichts des niedrigeren Verkaufspreises zurück. Hinzu kommen die Umtauschverluste. Deutsche Produkte werden im Ausland in der Regel in den geltenden Landeswährungen verkauft. Da deutsche Unternehmen ihre Bilanzen aber in Euro erstellen, müssen sie alle erzielten Umsätze in Euro umtauschen. Wenn die Landeswährung nach dem Verkauf des Produkts und dem Umtausch des Ertrags in Euro weiter sinkt, erhalten sie für ihre Devisen entsprechend weniger Euro, was sich negativ auf die Bilanzen niederschlägt.

Fast alle börsennotierten Unternehmen klagen aktuell über den starken Euro. SAP, Adidas, Bayer, BASF, Daimler, Linde, Henkel – aber eben auch der Hamburger Nivea-Produzent. Obwohl Beiersdorf seine Absätze nominal im ersten Quartal um 6,7 Prozent auf 1,59 Milliarden Euro steigern konnte, blieb unterm Strich „wegen Wechselkurseffekten“ nur ein kleines Plus von 1,2 Prozent. Besonders stark traf Beiersdorf der krasse Währungsverfall in Venezuela und in Argentinien – beide Länder erleben seit Monaten eine extreme Inflation. Dabei läuft das Geschäft des Kosmetikherstellers in Südamerika unverändert gut. „Wir haben dort keine Absatzrückgänge“, sagt die Beiersdorf-Sprecherin Inken Hollmann-Peters. Beiersdorf erzielt etwa 50 Prozent seines Auslandsumsatzes im außereuropäischen Markt. Ein Rückzug aus den südamerikanischen Schwellenländern ist für Beiersdorf deshalb keine Option. Vielmehr sei die Region langfristig ein Wachstumsmarkt.

Die Otto Gruppe musste die größten Währungsverluste in Japan und Russland einstecken. Während der Umsatz in Russland 2013 um 9,1 Prozent gestiegen war, konnte in Euro lediglich ein Plus von 0,4 Prozent verbucht werden. In Großbritannien erhöhte sich der Umsatz um knapp zehn Prozent, in Euro blieb aber nur ein Plus von 5,6 Prozent. Besonders stark war der Währungskurseffekt in Japan. Dort sank der Umsatz in Yen um 7,6 Prozent – in Euro betrug das Minus unterdessen satte 26 Prozent. Insgesamt führten die Währungsschwankungen dazu, dass der Gesamtumsatz der Otto Gruppe nicht um 3,3 Prozent, sondern wechselkursbedingt nur um 1,8 Prozent auf 12 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2013/14 geklettert ist. „Insgesamt hatten wir aber keine Absatzprobleme“, sagte ein Konzern-Sprecher. Beim Lufthansa-Konzern, zu dem auch Lufthansa Technik gehört, fiel der Verlust durch Währungseffekte im ersten Quartal um 25 Millionen Euro höher aus, sagt Pressesprecherin Claudia Lange: „Generell sichert Lufthansa ihre Währungsrisiken durch Termingeschäfte ab. Der durchschnittliche Sicherungsgrad liegt damit bei 50 Prozent. In der Regel profitieren wir darüber hinaus davon, dass der Konzern in verschiedenen Geschäftsfeldern und Märkten aktiv ist.“

Der Medizintechnikkonzern Dräger musste angesichts der Währungseffekte insbesondere in Argentinien und Russland Federn lassen, aber auch in Japan, Südafrika, Brasilien, Indien und in der Türkei. Bei dem Kupferproduzenten Aurubis wirkt sich der starke Euro aufgrund erheblicher Dollareinnahmen negativ aus, sagt der Vorstandsvorsitzende Peter Willbrandt: „Kurz- und mittelfristig sichert sich Aurubis gegen Schwankungen in den Währungsrelationen sowie beim Kupferpreis durch Hedging ab.“

Für den Gabelstaplerbauer Jungheinrich sind die Währungsschwankungen dagegen „nicht so dramatisch“, sagt Unternehmenssprecher Markus Piazza. Der Hauptgrund dafür ist, dass Jungheinrich rund 90 Prozent seines Umsatzes in Europa – insbesondere in den Euro-Ländern erziele. Beim Hamburger Technologie-Konzern Körber AG, der unter anderem Maschinen zum Schleifen, zur Herstellung von Hygienepapieren, die Verpackung von pharmazeutischen Produkten oder von Zigaretten baut, gab es zuletzt keine außerordentlichen Belastungen durch Währungseffekte. „Doch auch wir kämpfen mit Kursschwankungen“, sagte Pressesprecherin Henriette Viebig. Der Konzern versuche die Risiken unter anderem durch die Wahl der Produktionsstandorte, die in Asien, Amerika und Europa liegen, abzusichern.

Der Präsident des norddeutschen Unternehmerverbands für den Groß- und Außenhandel (AGA), Hans Fabian Kruse, hält die Situation noch nicht für dramatisch: „Erfahrene Händler haben sich gegen Wechselkursschwankungen abgesichert. Ein Unternehmer, der bei einem Dollarkurs von 1,40 Euro Probleme bekommt, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Geplant haben die meisten Außenhändler wohl mit einem durchschnittlichen Kurs von 1,35 Euro für das laufende Jahr – ein immer noch realistischer Wert. Aktuell ist der deutsche Außenhandel also nicht in Gefahr.“ Auch die Maschinenbauer geben sich optimistisch. „Wichtiger als die Währungskurse ist die Nachfrage unserer Produkte im Ausland“, sagt Olaf Wortmann vom Unternehmensverband VDMA mit seinen rund 3100 Mitgliedsfirmen. „Viele Maschinenbauer sind Mittelständler und haben gelernt, mit Währungsschwankungen umzugehen. Auch wenn der ein oder andere Auftrag durch den überteuerten Euro verloren geht, wird unsere Konjunktur nicht ausgebremst.“

Auch der Konjunkturchef des HWWI, Michael Bräuninger, geht davon aus, dass die Euro-Stärke weder die deutschen Exporte noch die Konjunktur in Deutschland abwürgen werde. „Die Erholung der Weltwirtschaft und gute Entwicklung in den USA und Europa helfen, den negativen Effekten des starken Euro gegenzuwirken.“ Zudem werden Einfuhren aus Übersee günstiger. So können beispielsweise Öl und Benzin, die in Dollar gehandelt werden, durch den starken Euro billiger eingeführt werden, was die Kosten der Unternehmen sinken lasse. „Generell zahlt sich auch die Euro-Zone durch den gemeinsamen Währungsraum aus“, unterstreicht Bräuninger: „37 Prozent aller deutscher Exporte gehen direkt in die Euro-Länder und sind damit von Währungsschwankungen unberührt, 57 Prozent gehen in die EU-Länder und werden meistens in Euro abgewickelt. Das Auf und Ab der Währungsschwankungen trifft somit nur knapp die Hälfte aller Exporte – jene ins außereuropäische Ausland.“