AstraZeneca lässt Pfizer abblitzen. Bayer an Merck interessiert

London. Rund um den Globus rollt eine gewaltige Übernahmewelle durch die Pharmaindustrie. Der US-Pharmagigant Pfizer will für 106 Milliarden Dollar (77 Milliarden Euro) den britischen Rivalen AstraZeneca kaufen, der in Wedel einen deutschen Standort betreibt. Der deutsche Medikamentenhersteller Bayer greift angeblich nach der Sparte für rezeptfreie Medikamente des US-Konzerns Merck & Co. Auch vielen anderen Pharmakonzernen wird Kaufinteresse nachgesagt.

Es ist ein Milliardenpoker um die Zukunft in einer Branche, die vor enormen Herausforderungen steht. Die Konzerne sehen sich von mehreren Seiten unter Druck. Die Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen drücken auf die Gewinne. Gleichzeitig macht den Konzernen der Ablauf von Patenten zu schaffen. Manch langjähriger Kassenschlager bei Medikamenten verliert dadurch über Nacht stark an Umsatz und Ertragskraft. Außerdem erweist sich die Entwicklung neuer Medikamente als immer schwieriger. Beflügelt werden die Übernahmefantasien derzeit aber auch durch die gut gefüllten Kassen der Unternehmen.

Allerdings sind die Übernahmeversuche keineswegs Selbstläufer. Der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca hat den Rivalen Pfizer trotz seiner höheren Milliardenofferte am Freitag erneut abblitzen lassen. Der Verwaltungsrat habe beschlossen, dass das Angebot das Potenzial von AstraZeneca unterbewerte und lehnte ab, teilte der Konzern mit. AstraZeneca werde seinen Wert für die Aktionäre durch seine Investitionen in die Entwicklung neuer Medikamente und die Produktion in Großbritannien, Schweden und den USA weiter erhöhen, erklärte Verwaltungsratschef Leif Johansson. Den Aktionären wurde empfohlen, stillzuhalten.

Pfizer hatte zuvor den Druck auf das Management von AstraZeneca durch ein nochmals aufgestocktes Angebot erhöht. Der Hersteller der Potenzpille Viagra bot 50 Pfund je AstraZeneca-Aktie. Das sind unterm Strich etwa sieben Milliarden Dollar mehr als bei der letzten Offerte. An der Börse wird bereits über eine weitere Erhöhung auf 55 Pfund je Aktie spekuliert.

Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer steht nach Informationen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg kurz vor einem Milliardenzukauf. Der Leverkusener Konzern führe exklusive Verhandlungen über einen Kauf der Sparte für rezeptfreie Medikamente des US-Konzerns Merck & Co. Bayer bereite sich auf einen Kaufpreis von 14 Milliarden US-Dollar (rund zehn Milliarden Euro) vor. Sprecher beider Unternehmen wollten dies nicht kommentieren.

Bei AstraZeneca versucht Konkurrent Pfizer, auch die Politik mit ins Boot zu holen. Die Amerikaner hatten sich zuletzt mit einem Brief direkt an den britischen Premierminister David Cameron gewandt. Sie versprachen darin, ein geplantes Forschungs- und Entwicklungszentrum in Cambridge fertig zu bauen sowie ein Fünftel der Arbeitsplätze in diesem Bereich im Vereinigten Königreich anzusiedeln.

Die Logik einer Verbindung von Pfizer und Astra sei „zwingend“, schrieb Pfizer-Chef Ian Read an Cameron. Der britische Konzern ist auf Medikamente etwa gegen Asthma, Herzinfarkt, Diabetes, Brust- und Lungenkrebs und Depressionen spezialisiert. Käme die Übernahme doch noch zustande, wäre es die größte Transaktion in der Pharmabranche seit Jahren. Den größten Teil des Kaufpreises will Pfizer mit Aktien bezahlen.