37.000 Mittel- und Hochqualifizierte fehlen in der Stadt. Die Luftfahrt gehört zu den Branchen mit dem größten Defizit

Hamburg. Unter den aktuellen Herausforderungen für die Hamburger Unternehmen ist der Fachkräftemangel nach Auffassung des Handelskammer-Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz die größte. „Die Lösung der Frage wird mit darüber entscheiden, ob unser Land und unsere Stadt wettbewerbsfähig bleiben“, sagte er bei der Vorstellung eines neuen computergestützten Fachkräftemonitors, der Prognosen bis zum Jahr 2030 für einzelne Branchen und Berufsgruppen erlaubt. Aktuell steht dem im Internet frei zugänglichen Programm zufolge in Hamburg ein Fachkräfteangebot von 799.000 Personen einer Nachfrage von 836.000 Personen gegenüber – es fehlen 37.000 Fachkräfte, was einer Quote von 4,4 Prozent des Bedarfs entspricht.

Relativ gesehen ist die Lücke mit knapp 24 Prozent bei den Hochqualifizierten in der Hotellerie am größten, allerdings geht es dort nur um 580 Personen. Fast ebenso ausgeprägt ist der Mangel im Bereich der Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik, wo 1790 Arbeitskräfte mit mittlerer Qualifikation fehlen; das sind immerhin fast 22 Prozent des Bedarfs.

Sortiert man die Engpassberufe jedoch nach der absoluten Zahl, stehen die Industrie- und Bürokaufleute mit 8800 fehlenden Fachkräften mit weitem Abstand an der Spitze. Mit einem Defizit von 4800 Personen rangiert die Berufsgruppe der hoch qualifizierten Büroangestellten, zum Beispiel Projektmanager oder Teamleiter, an zweiter Stelle, gefolgt von den IT-Fachleuten (2600).

Während die Gesamtzahl der fehlenden Fachkräfte in den Jahren 2016 bis 2018 der Prognose zufolge erst einmal abnimmt, steigt sie in der Zeit nach 2020 auf 50.000 an und erreicht kurz vor dem Jahr 2030 mit rund 70.000 einen Höhepunkt.

Zwar nehme die Bevölkerung in Metropolen wie Hamburg zunächst noch zu, sagte Schmidt-Trenz. „Die Bevölkerungsstatistik zeigt aber, dass auch hier das Wachstum in etwa zehn Jahren ein Ende findet, wenn wir nicht gegensteuern.“ In diesem Zusammenhang wolle die Handelskammer einen Beitrag dazu leisten, „mehr Klarheit über die künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes am Wirtschaftsstandort Hamburg zu schaffen.“

Mit dem Fachkräftemonitor könnten Unternehmen ihre Personalplanungen auf eine solidere Basis stellen, hieß es. Zu den Nutzern wird aber auch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration gehören. Senator Detlef Scheele (SPD) begrüßte die Initiative der Handelskammer. Dies sei ein „hilfreicher Baustein, um den Fachkräftebedarf in Hamburg zu erkennen und notwendige Schlüsse daraus zu ziehen“.

Auch die Behörde für Arbeit werde damit in die Lage versetzt, besser zu erkennen, wo öffentliche Mittel zur Berufsförderung sinnvoll eingesetzt werden können. Als Beispiel nannte er die Qualifizierungsoffensive, in der gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Nachqualifizierungen für Berufstätige angeboten werden.

Wenn man sich die absoluten Zahlen der Erwerbstätigen und der arbeitsfähigen Personen in Hamburg vor Augen führe, werde jedoch klar, „dass es eigentlich kein Hexenwerk sein dürfte, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, sagte Scheele. So gebe es in Hamburg knapp 180.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter, die nicht arbeiten und auch keine Arbeit suchen. Sollte es gelingen, die Erwerbsquote der Frauen an die der Männer anzunähern und Migranten stärker einzubinden, ließen sich die Auswirkungen der demografischen Entwicklung wesentlich lindern.

Auch Schmidt-Trenz wies mit Blick auf den Fachkräftemonitor darauf hin, dass die Zukunft nicht so eintreten müsse, wie dies im Prognosemodell angenommen werde: „Wir haben es selbst in der Hand, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zukunft zu gestalten.“ Dazu gehöre, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sorgen. So engagiere sich die Handelskammer mit verschiedenen Projekten und Initiativen für familienfreundlichere Rahmenbedingungen in den Unternehmen.

Als weiteres Beispiel nannte Schmidt-Trenz die vor zehn Jahren von Unternehmen aus der Hansestadt gegründete Hamburg School of Business Administration (HSBA): „Wir sind die einzige Kammer in Deutschland, die eine eigene Hochschule betreibt.“

Am Freitag hat die Handelskammer ihren neuen Fachkräftemonitor freigeschaltet. Unter der Internetadresse www.fachkraeftemonitor-hamburg.de oder www.hk24.de/fachkraeftemonitor können alle Interessierten auf die Daten zugreifen.

Die Handelskammer hat das Analysewerkzeug von dem unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor, einer Ausgründung der Technischen Universität Darmstadt, erworben. Deutschlandweit arbeiten bereits 48 von 80 Industrie- und Handelskammern damit. Abgesehen von Berlin wird das Programm aber bisher ausschließlich in der Südhälfte der Bundesrepublik eingesetzt, im Norden ist Hamburg der Pionier.

Der Fachkräftemonitor wird einmal jährlich mit neuen Daten und Prognoseannahmen aktualisiert. In das Rechenmodell gehen unter anderem Informationen aus den vierteljährlichen Konjunkturumfragen der Handelskammer sowie Daten der Statistikämter, der Bundesanstalt für Arbeit, aus Studien- und Ausbildungsprognosen der Kultusministerkonferenz und aus langfristigen Wachstums- und Erwerbstätigenvorhersagen des renommierten Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos ein.