Vor den Wahlen am 25. Mai: Gewerbetreibende und Politiker treffen sich zu einem Rundgang durch den Bezirk Mitte

Hamburg. Am Ende des Geländes fließt der Südkanal der Bille, nebenan steht ein altes Fabrikhaus, in dem heute Künstler leben. Das Autohaus Wichert im Hamburger Stadtteil Hammerbrook liegt in attraktiver Lage. 265 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, davon 35 Auszubildende. Alle Azubis werden im Sommer übernommen. Das Autohaus hat 24 Stunden am Tag geöffnet. Das Geschäft läuft. Doch nicht alle Gewerbeflächen für Handwerksbetriebe werden in dieser Gegend so effektiv genutzt wie bei Wichert, an vielen Standorten fehlen Handwerkskräfte.

Auch deswegen hat die Handwerkskammer Hamburg Spitzenpolitiker aus dem Bezirk Mitte im Vorfeld der Bezirksversammlungswahl am 25. Mai zu einem Rundgang geladen, der in weiteren Bezirken fortgeführt wird. Karl Adam (SPD), Jörn Frommann (CDU), Michael Osterburg (Die Grünen) und Bernd Ohde (FDP) sind der Einladung gefolgt und stehen auf der Terrasse des Autohauses Wichert. Mit dabei sind Andreas Kuttenkeuler von der Handwerkskammer, Bezirkshandwerksmeister Heiko Gebertshan und Heide Kußmaul, Geschäftsstellenleiterin bei Wichert. Schon nach wenigen Sekunden beginnt eine Diskussion. „Gewerbeflächen sind das große Thema. Wie können wir auf stillgelegten Flächen Gewerbe ansiedeln?“, fragt Andreas Kuttenkeuler von der Handwerkskammer. Er will verhindern, dass Gewerbebetriebe an den Rand der Stadt oder in benachbarte Bundesländer abwandern.

Eine Frage, die auch die Bezirkspolitik beschäftigt. „Die Entwicklung von neuen, zentralen Flächen für Handwerksbetriebe ist für uns eine Aufgabe“, sagt Michael Osterburg, Spitzenkandidat der Grünen für die anstehende Wahl der Bezirksversammlung. Osterburg will sich dafür an einem Münchner Modell orientieren, das auch am Offakamp in Lokstedt realisiert werden soll: ein gemeinschaftlicher Gewerbehof als eine Art Handwerker-Supermarkt. „Das gestapelte Gewerbe zu entwickeln, um weniger Flächenbedarf zu haben und die Kosten für die Unternehmen im Rahmen zu halten, ist wichtig“, sagt Osterburg.

Derzeit stehen im Gewerbegebiet Hammerbrook und Rothenburgsort zahlreiche Gebäude leer, Flächen liegen brach. So wie der ehemalige Huckepackbahnhof. Auf dem riesigen Gelände planen SPD und Grüne einen Gewerbehof mit Handwerksbetrieben nach dem Vorbild Offakamp. „Wir wollen weiterhin, dass das Handwerk im Bezirk Mitte in guten und zentralen Lagen Platz findet“, sagt Karl Adam, Kreisgeschäftsführer der SPD. Dieses Vorhaben könnte eine Signalwirkung für den gesamten Standort mit sich bringen. „Hammerbrook beginnt sich zu wandeln und ist auf dem besten Weg, hip zu werden“, sagt Heide Kußmaul vom Autohaus Wichert. Um die Standortsicherung für die Betriebe zu verbessern, verspricht Jörn Frommann von der CDU eine „Erleichterung der Vergabekriterien bei Grundstücken“.

Die Tour durch den Stadtteil führt die Politiker auch zum Handwerksbetrieb Rothermann Elektrotechnik in Rothenburgsort. Das mittelständische Unternehmen feierte im vergangenen Jahr 100-jähriges Bestehen. Geschäftsführer Henning Grüneberger kritisiert die zunehmende Vermüllung des Gewerbegebiets. „Die Billstraße ist ein Grauen. Die Struktur muss sich ändern, und das kann nur die Politik tun“, sagt Grüneberger, der mit seinem Betrieb seit 1974 in Rothenburgsort sitzt. Die Firma beschäftigt derzeit 54 Mitarbeiter, davon sechs Azubis. Probleme, geeignete Lehrkräfte zu finden, hatte Grüneberger bislang nie.

Im Gegensatz zu vielen anderen Handwerksbetrieben in der Stadt. Eine aktuelle Statistik der Handwerkskammer zeigt: In Hamburg sind so viele Handwerks-Lehrstellen offen wie seit drei Jahren nicht. Für den März dieses Jahres vermeldete die Online-Lehrstellenbörse 602 freie Stellen. Das ist ein Anstieg von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Eine Zahl, die der Handwerkskammer Sorgen bereitet. Andreas Kuttenkeuler sieht den Anstieg vor allem in der Zunahme der Abiturientenanzahl in Hamburg begründet. Viele Absolventen würden sich gegen eine handwerkliche Lehre entscheiden. „Die duale Ausbildung darf nicht abgewertet werden“, sagt Kuttenkeuler. Er wirbt für die Ausbildung. „Handwerk ist sexy, man kann hier richtig Karriere machen“, sagt Kuttenkeuler und rechnet vor: „Bis 2020 suchen ein Drittel der Hamburger Betriebe einen Nachfolger in der Geschäftsführung“.

Dennoch, und auch das zeigt der Rundgang, der im Norddeutschen Fachverband Elektro- und Informationstechnik an der Eiffestraße endet: Viele Betriebe sind mit der Qualität ihrer Lehrlinge offenbar nicht zufrieden. Beim Autohaus Wichert stapeln sich laut Geschäftsstellenleiterin Heide Kußmaul mittlerweile die Bewerbungen von Absolventen anderer Autohäuser wie Audi oder VW, die dort nicht übernommen werden. Bezirkshandwerksmeister Heiko Gebertshan, der den Rundgang begleitete, ist sich jedoch sicher: „Gute Gesellen finden immer einen Job.“