Ex-Lufthansa-Manager Weber verlässt Aufsichtsratsposten vorzeitig. Vorstandschef der Hamburger Reederei rückt unmittelbar nach

Hamburg. Der Umbau bei Hapag-Lloyd schreitet im hohen Tempo voran. Gerade erst hat die Hamburger Traditionsreederei ihren Zusammenschluss mit dem chilenischen Schifffahrtsunternehmen CSAV beschlossen, schon wartet sie mit einer personellen Umbesetzung auf: Am Mittwoch teilte das Unternehmen überraschend mit, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Weber, 72, seinen Posten vorzeitig räumen wird. Sein Nachfolger wird der bisherige Vorstandschef von Hapag-Lloyd, Michael Behrendt, der Ende Juni sein Amt an den designierten neuen Vorstandschef, den Niederländer Rolf Habben Jansen, abtritt.

Eigentlich war vorgesehen, dass der ehemalige Lufthansa-Manager erst Mitte 2015 vom Chefposten des Kontrollgremiums zurücktritt. Weber habe sich entschlossen, den Vorsitz des Aufsichtsrates von Hapag-Lloyd bereits im Herbst dieses Jahres vorzeitig an Michael Behrendt, 62, zu übergeben, heißt es nun in der Erklärung, die Hapag-Lloyd am Mittwoch verbreitete. In einer Erklärung des Hamburger Senats dankte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Weber für sein Engagement bei Hapag-Lloyd. „Herr Weber hat die Führung des Aufsichtsrates im Frühjahr 2012 auf Wunsch der Stadt übernommen und das Amt mit seiner langjährigen Erfahrung als profilierter Manager im Interesse des Unternehmens und seiner Anteilseigner sehr erfolgreich wahrgenommen“, sagte Scholz.

Auffallend ist, dass in beiden Erklärungen eine Begründung für den vorzeitigen Abgang Webers fehlt. Er selbst sagte lediglich, dass er seine Aufgaben erfüllt habe. Mit Rolf Habben Jansen habe er einen Nachfolger für Behrendt als Vorstandsvorsitzenden gefunden. Durch den Zusammenschluss mit CSAV werde Hapag-Lloyd zur Nummer vier der Reedereibranche aufsteigen. „Der Vollzug im Herbst dieses Jahres ist somit der ideale Zeitpunkt, den Vorsitz im Aufsichtsrat an Michael Behrendt weiterzugeben“, so Weber.

Anderen Stimmen zufolge könnte Webers Rückzug auch aus Verärgerung erfolgt sein. Der Aufsichtsratschef soll sich in der Vergangenheit frustriert darüber geäußert haben, dass ihm vonseiten der Eigentümer des Unternehmens in seine Aufsichtsratstätigkeit hineinregiert worden sei, hieß es aus gut informierten Kreisen. Insbesondere der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne war mit Weber mehrfach aneinandergeraten. Nach Informationen des Abendblatts ist der vorgezogene Personalwechsel auf jeden Fall Teil der Fusionsvereinbarung mit CSAV. Die Chilenen haben dem Schritt zugestimmt. Behrendt und der chilenische Unternehmer Andrónico Luksic, Hauptanteilseigner von CSAV, kennen sich gut und haben das Geschäft zusammen eingefädelt. Luksic hat sich für den Deutschen als neuen Aufsichtsratsvorsitzenden ausgesprochen.

Kritik kommt hingegen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die Aktionärsschützer bemängeln, dass Behrendt praktisch unmittelbar vom Vorstandsvorsitz auf den Posten des Aufsichtsratschefs wechselt. Nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex, also den Richtlinien über gute Unternehmensführung, dürfen Vorstandsmitglieder frühestens zwei Jahre nach Ablauf ihrer Vorstandstätigkeit in den Aufsichtsrat wechseln. Ausnahmen gelten nur, wenn eine Hauptversammlung dies beschließt. „Wenn die Eigentümer von Hapag-Lloyd diesen vorzeitigen Wechsel mehrheitlich beschlossen haben, ist das rechtlich völlig in Ordnung“, sagte Daniel Bauer vom SdK-Vorstand. Dennoch sei er unsauber, weil Hapag-Lloyd im kommenden Jahr an die Börse gebracht werden soll. „Ideal ist dieser Schritt im Hinblick auf den Börsengang nicht“, so Bauer. „Das sieht so aus, als wolle man vorher Fakten schaffen.“

Noch schärfer reagierte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Anjes Tjarks: „Der schnelle Wechsel vom Vorstandsvorsitz an die Spitze des Aufsichtsrats verstößt klar gegen die geltenden Spielregeln für korrekte Unternehmensführung – und darüber hinaus gegen hanseatische Kaufmannstradition“, sagte er. Wer vom Unternehmenslenker zum Chefkontrolleur werde, müsse zwischen den beiden Posten zwei Jahre lang pausieren. „So hat es der Erste Bürgermeister im letzten Jahr auch angekündigt. Herr Scholz muss erklären, warum die Grundsätze einer anständigen Unternehmensführung jetzt nicht mehr gelten sollen“, sagte der Grünen-Politiker.

Und auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Roland Heintze, übte Kritik an der Personalentscheidung: „Ich bin überrascht, dass Weber jetzt geht. Und ich hoffe sehr, dass das nicht mit der Planlosigkeit des Senats im Umgang mit der maritimen Wirtschaft zusammenhängt.“