Arbeitslosigkeit in Hamburg sinkt im März nur leicht. Gut ausgebildete Bewerber schreiben vergeblich Bewerbungen

Hamburg. Das Gesundheits- und Sozialwesen gehört zu den Branchen in Hamburg, die neue Stellen schaffen. Knapp 3000 waren es innerhalb eines Jahres. Doch Axel Reymann spürt davon nichts. Der 55-Jährige hat das Thema Pflege von der Pike auf gelernt und hat alle nötigen Qualifikationen: als Krankenpfleger, Pflegedienstleiter und Heimleiter. Doch er ist seit Anfang des Jahres arbeitslos. Knapp 60 Bewerbungen hat er schon geschrieben – bundesweit. Auch Mercé Barahona Bertran ist mit einem BWL-Studium und Vertriebserfahrung gut qualifiziert und seit drei Monaten auf Jobsuche.

Zusammen mit zwei weiteren Arbeitslosen machte die Arbeitsagentur am Dienstag auf das persönliche Schicksal der Jobsuchenden aufmerksam. Die sonst übliche Vorstellung der nackten Zahlen wurde mit Gesichtern und Lebensläufen verbunden. „Rund jeder zweite der 75.828 Arbeitslosen ist eine Fachkraft mit einer qualifizierten Ausbildung. Das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, wenn die Firmen ständig über Fachkräftemangel klagen“, sagt Sönke Fock, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit. Noch ein weiterer Umstand dürfte ihn zu der ungewöhnlichen Aktion veranlasst haben. Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt fällt sehr moderat aus. Im Vergleich zum Vormonat waren im März knapp 700 Hamburger weniger arbeitslos gemeldet. „Es ist der erste positive Trend des Jahres“, sagt Fock. Die Arbeitslosenquote sank von 7,9 auf 7,8 Prozent.

Doch im Vergleich mit dem Vorjahresmonat gibt es noch keine Entspannung am Arbeitsmarkt. So gibt es jetzt knapp 4000 Arbeitslose mehr als im März 2013. Das ist ein Anstieg um 5,5 Prozent und hat auch den DGB Hamburg auf den Plan gerufen, der die verhaltene Einstellungsbereitschaft und die überzogenen Erwartungen der Unternehmen kritisiert. „Die Arbeitgeber zögern die Einstellung hinaus“, sagt Katja Karger, Vorsitzende des DGB Hamburg.

Reymann mag gar nicht daran denken, was ihm droht, wenn er keinen neuen Job findet: Hartz IV. „Damit beschäftige ich mich jetzt nicht“, sagt er. Eher denkt er an einen Wegzug aus Hamburg, wenn sich woanders eine neue Stelle findet. „Ich habe mich auch schon nahe der polnischen Grenze und in Bayern beworben“, sagt Reymann, der zuletzt Leiter einer Pflegeeinrichtung war, die geschlossen wurde. Natürlich möchte er nicht wieder am Anfang seiner Karriereleiter anfangen, sondern eine Stelle entsprechend seiner Qualifikation. Rund ein Drittel seiner Bewerbungen blieb unbeantwortet. Über die anderen Absagen kann er nur Mutmaßungen einstellen: „Ich habe den Verdacht, dass ich für viele Arbeitgeber zu alt und zu teuer bin.“

Barahona Bertran ist seit drei Monaten arbeitslos und hat schon einige Angebote erhalten. „Doch die Firmen wollten, dass ich als Selbstständige für sie arbeite, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich der richtige Schritt für mich ist“, sagt die Frau, die seit 20 Jahren in Hamburg lebt. Bisher hat sie vor allem Naturkosmetik vertrieben. Sie kann sich aber auch vorstellen, sich stärker auf den Bereich Nachhaltigkeit und Ökologie zu konzentrieren, in dem sie ebenfalls umfangreiche Erfahrungen besitzt.

Unter den vier Arbeitslosen ist Natalie Ntantos mit 25 Jahren die Jüngste. Erst seit Februar ist sie arbeitslos. Sie hat Abitur und eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau. Ihr Arbeitgeber hat ihr sogar eine Weiterbildung bezahlt, bevor er sie in die Arbeitslosigkeit entließ. Das hat sie doch sehr gewundert. Jetzt sucht sie eine neue Herausforderung. „Es ist nicht schwer, im Einzelhandel eine Arbeit zu finden, aber sie soll auch Spaß machen“, sagt sie.

Fock appellierte an die Firmen, stärker Jobsuchende bei der Stellenbesetzung zu berücksichtigen. „Doch offensichtlich fehlt die Zeit für einen zweiten Blick, wenn Bewerber und Stelle nicht völlig übereinstimmten“, sagt Fock. Außerdem nutzten die Firmen noch Überstunden und den Aufbau von Arbeitszeitkonten, um steigende Aufträge abzuarbeiten. Die Arbeitsagentur rechnet aber damit, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften im Jahresverlauf noch deutlich zunimmt. „Aber es gibt mit der Krim-Krise auch noch viele Unsicherheiten“, sagt Fock.

Bundesweit nahm die Arbeitslosigkeit etwas stärker ab als in der Hansestadt. Die Arbeitslosenquote sank um 0,2 Prozentpunkte auf 7,1 Prozent. Insgesamt waren im März 3,055 Millionen Männer und Frauen ohne Job. Damit waren auch 43.000 Personen weniger arbeitslos als vor einem Jahr. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, rechnet mit einer weiteren Belebung des Arbeitsmarktes.