Sönke Fock zieht zwiespältige Bilanz im Fall der Sietas-Werft. Arbeitsmarktexperte Fock fordert, durchaus auch selbstkritisch, Transfergesellschaften effektiver zu nutzen.

Hamburg. Der Chef der Agentur für Arbeit Hamburg, Sönke Fock, ist mit den bisherigen Ergebnissen der Sietas-Transfergesellschaft nicht zufrieden. „Bei einer Transfergesellschaft wie dieser agieren wir manchmal vielleicht förmlicher, als es nötig wäre“, sagte Fock dem Abendblatt und kritisierte damit das Instrument der Transfergesellschaft grundsätzlich: „Eine Transfergesellschaft birgt immer auch ein Risiko: Sie verschafft den Betroffenen das Gefühl, in einem geschützten Raum zu agieren und Zeit zu gewinnen.“

Das Insolvenzverfahren bei Sietas hatte im Februar 2012 begonnen. Bereits in den Jahren zuvor hatte die älteste deutsche Werft in Neuenfelde gegen den wirtschaftlichen Niedergang gekämpft. Während der Insolvenz wechselten fast alle der rund 400 Mitarbeiter von Sietas schrittweise in eine Transfergesellschaft. Solche Einrichtungen dienen dazu, Mitarbeiter insolventer Unternehmen in einem rechtlich klar definierten und zeitlich befristeten Rahmen weiterzuqualifizieren und sie möglichst zügig wieder in eine reguläre Beschäftigung zu vermitteln.

Viele frühere Sietas-Beschäftigte fühlen sich im Verlust ihrer Stelle übervorteilt

Die Arbeitsagentur finanziert die Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft mit Transferkurzarbeitergeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, das frühere Unternehmen steuert die Abgaben zur Sozialversicherung bei. Noch bis voraussichtlich August sind die letzten Sietas-Werker in der Transfergesellschaft. Rund 140 ehemalige Sietas-Mitarbeiter wurden laut Fock aus den verschiedenen Abschnitten der Transfergesellschaft heraus bislang in neue Arbeit vermittelt. Die Vermittlungsquote von 50 bis 60 Prozent liege im statistischen Mittel, sagte der Chef der Hamburger Arbeitsagentur. Eine Reihe von Sietas-Mitarbeitern, die bislang keine neue Arbeit gefunden haben, fühlen sich von der Insolvenzverwaltung, der Gewerkschaft IG Metall und dem Betriebsrat übervorteilt und in die Transfergesellschaft hineingedrängt. Einige Dutzend von ihnen wollen auf Wiedereinstellung klagen. Sie meinen, dass sie – auch wegen der Übernahme von Sietas durch das russische Unternehmen Pella Shipyard im März – darauf einen Anspruch haben. Insolvenzverwalter, Betriebsrat und Gewerkschaft wiesen die Vorwürfe zurück.

Arbeitsmarktexperte Fock forderte, durchaus auch selbstkritisch, Transfergesellschaften effektiver zu nutzen: „Wir müssen lernen, die gewonnene Zeit in Transfergesellschaften für die Betroffenen so nutzbringend wie möglich zu verwenden. Alle Beteiligten müssen dabei möglichst frühzeitig ehrlich sein: der abgebende Betrieb, wenn es um die Perspektiven für eine Weiterbeschäftigung geht, und der betroffene Mitarbeiter mit Blick auf den Bedarf an zusätzlicher Qualifikation.“

Im Fall Sietas bemängelte er, dass die internen Fortbildungen der Mitarbeiter in den vergangenen Jahren nur unzureichend dokumentiert worden seien, was die Chancen mancher Arbeitnehmer verschlechtert habe: „Die internen Weiterbildungen und Qualifikationen der ehemaligen Sietas-Mitarbeiter waren nach meinem Eindruck in den vergangenen Jahren nicht in jedem Fall vollständig oder sehr gut dokumentiert. Das hat vielleicht manche Vermittlung oder einen Übergang eines Mitarbeiters zu einem anderen Unternehmen erschwert“, sagte er. „Womöglich hätte auch der eine oder andere Wettbewerber von Sietas unbürokratischer sagen können: Ok, der- oder diejenige altgediente Schiffbauer bekommt hier eine Chance, auch wenn dessen Qualifikation nicht lückenlos dokumentiert ist.“