Hamburger Logistikunternehmen lässt in Donezk 350 neue Eisenbahnwagen fertigen. Jahresbilanz fällt positiv aus

Hamburg. Eigentlich kann der Hamburger Waggonvermieter und Schienenlogistiker VTG mit seiner geschäftlichen Gesamtsituation zufrieden sein. Die Auftragslage ist nicht schlecht, die Waggonflotte wird durch Neubauten jünger. Der Konzernumsatz legte im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent zu, das operative Ergebnis sogar um 5,7 Prozent. Und doch zeichnete sich eine Sorgenfalte auf der Stirn des VTG-Vorstandschefs Heiko Fischer ab, als er am Dienstag die positive Jahresbilanz 2013 vorstellte – die hat ihm die Krise auf der Krim ins Gesicht geschnitzt.

VTG ist seit rund fünf Jahren im russischen Markt tätig, und betreibt dort eine überschaubare Flotte von rund 300 Mineralölwagen sowie Zementwaggons. Da die russische Tochter Railcar Leasing Russia nur auf dem russischen Markt tätig ist, erwartet Fischer keine Einbußen durch Wirtschaftssanktionen oder Handelsbeschränkungen des Westens. „Im schlimmsten Fall könnte Putin die Waggons beschlagnahmen, dann würde er aber Ärger mit seinen Wirtschaftsoligarchen bekommen, weil deren Transporte gestört würden“, sagte Fischer. Er glaubt deshalb nicht, dass es dazu kommt.

Mehr Sorge hat Fischer um 350 neue Waggons, welche VTG über eine russische Handelsfirma bestellt hat. Und die werden ausgerechnet in einem Werk bei Donezk in der Ukraine gefertigt – also dort, wo es in den vergangenen Tagen wiederholt zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen prorussischen Demonstranten und Unterstützern der ukrainischen Übergangsregierung gekommen ist. Noch habe man keine negative Auswirkungen auf die Produktion festgestellt, sagte Fischer. „In der vergangenen Nacht haben die ersten 50 fertigen Waggons pünktlich und ohne Probleme die russisch-ukrainische Grenze passiert“, so der VTG-Chef. Nun hofft er, dass der Rest des Auftrags auch ohne Probleme über die Bühne geht. Der Bau der weiteren 300 Waggons dauere vier, fünf Wochen. „Das läuft bei denen wie das Brezelnbacken, gar nicht mit westeuropäischen Maßstäben vergleichbar“, sagt Fischer.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Produktion nicht beeinträchtigt wird. „Wir können nur hoffen, dass allen Beteiligten klar ist, dass Behinderungen keiner Seite helfen.“ Im schlimmsten Fall müsse man die Waggons abschreiben, so Fischer. Da das Russland-Geschäft nur ein Volumen von zehn Millionen Euro hat, würde VTG darunter gemessen am Gesamtumsatz von mehr als 783 Millionen Euro nicht sonderlich leiden: Das Risiko sei „sehr überschaubar“, sagte Fischer. Aber ärgerlich wäre es für die künftige Strategie dennoch. Denn VTG setzt für die eigene Konzernentwicklung auf ein Wachstum in Osteuropa und Russland, das wurde bei der Bilanzvorstellung mehrfach deutlich.

Trotz der unsicheren Entwicklung in Osteuropa ist die Geschäftserwartung des VTG-Vorstands für dieses Jahr recht optimistisch: „Alles deutet auf eine konjunkturelle Erholung hin“, so Fischer. Deshalb erwarte er für das laufende Geschäftsjahr eine Steigerung des Umsatzes auf einen Wert zwischen 850 und 950 Millionen Euro. Als Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen will man zwischen 188 und 200 Millionen Euro erzielen. Im vergangenen Jahr lag das operative Ergebnis bei 183,8 Millionen Euro gegenüber 173,8 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2012. Das Konzernergebnis betrug 17,2 Millionen Euro (2012: 10,3 Millionen). Der Vorstand schlägt der Hauptversammlung deshalb eine Ausschüttung von 42 Cent je Aktie vor. Das bedeutet eine Dividendenerhöhung von 14 Prozent.

Zu verdanken ist das positive Ergebnis vor allem dem Geschäftsbereich Waggonvermietung. Die beiden Transportsegmente von VTG, Tankcontainer- und Schienenlogistik, liefen 2013 weniger stark, vor allem die Schienenlogistik verzeichnete einen deutlichen Ergebnisrückgang. „Nach Abzug aller Sondereffekte hat sich das Ebitda dort gegenüber 2012 praktisch halbiert“, sagte Fischer. Die Gründe seien vielfältig gewesen. Der milde Winter habe zu wenigen Heizöltransporten geführt. Da die Flüsse eisfrei waren, gab es keinen Ersatzverkehr für Binnenschiffe. Zudem spürt VTG den wachsenden Wettbewerbsdruck durch andere kleine Bahnanbieter. Große Hoffnung setzt VTG auf ein neues Joint Venture mit den Bahnaktivitäten von Kühne + Nagel. Damit erweitert die Schienenlogistik ihr Angebot und ihre Reichweite erheblich.

Die Aktie stieg am Dienstag bis zum Nachmittag um 0,8 Prozent auf 14,42 Euro. VTG verfügt mit 52.700 Eisenbahngüterwagen über die größte private Flotte Europas. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 1191 Mitarbeiter, davon 390 in Hamburg.