Traditionsunternehmen Cavendish & Harvey schreibt nach heftigen Verlusten mit Edelbonbons wieder schwarze Zahlen

Hamburg. Das Büro von Alexander Mock sieht aus wie ein Bonbonladen. Auf dem Schreibtisch stehen dickbäuchige Gläser mit Fruchtbonbons in verschiedenen Farben und Formen, auf dem Sideboard Faltschachteln mit feinem belgischem Toffee. Und überall liegen sind Dosen. Goldene Dosen mit Bonbons in Puderzucker.

Die Dosen kennt fast jeder. Die Marke dahinter kaum noch jemand. Dabei ist Cavendish & Harvey aus Kaltenkirchen Weltmarktführer für hochwertige Hartkaramellen in Dosen, die jahrelang Autofahrer im Handschuhfach hatten. Doch obwohl das Unternehmen bereits seit 1977 die bekannten Blechdosen mit Bonbons unter dem Firmennamen vertreibt und täglich bis zu elf Millionen Bonbons produziert, ist es hierzulande fast in Vergessenheit geraten. „Durch Fehler in der Vergangenheit ist das Deutschland-Geschäft mit der Marke inzwischen unbedeutend“, sagt Alexander Mock, Geschäftsführender Gesellschafter der Cavendish & Harvey Confectionery GmbH. Das Problem: Man habe zu lange probiert, mit den Tiefstpreisen des Handels und der Konkurrenz Schritt zu halten. „In Deutschland zählt nur billig, billig, billig. Wir haben da eine Zeit lang mitgespielt und für die Discounter deren Bonbons zu Billigpreisen hergestellt. Doch für unsere hohe Qualität und die einzigartige Versiegelung bei den Blechdosen gab es leider nicht genügend Wertschätzung“, fasst Mock zusammen. Dabei habe sich jedoch ein Preisniveau etabliert, das für das Cavendish & Harvey nicht mehr tragbar gewesen sei. „Das war die reinste Geldverbrennung. Uns stand das Wasser bis zum Hals“, sagt Mock offen. Doch jetzt ist die Trendwende erreicht. Nach Jahren heftiger Verluste schreibt das Unternehmen endlich schwarze Zahlen.

Der Grund dafür ist der Strategiewechsel, den das Unternehmen vor fünf Jahren begonnen und konsequent durchgezogen hat. Anstelle der Produktion von Handelsmarken setzt Cavendish & Harvey auf Internationalisierung und die Konzentration eigener Marken. „Der Erfolg basiert auf der simplen Strategie: back to the roots. Also die Rückbesinnung auf das, was wir am besten können: nämlich die Herstellung und internationale Vermarktung hochwertiger Bonbons in Dosen und Gläsern unter der eigenen gleichnamigen Marke Cavendish & Harvey“, sagt Alexander Mock. Und da das Interesse an diesen hochwertigen Produkten seitens des deutschen Handels gering sei, habe man den Fokus auf den Export gelegt. Inzwischen werden 70 bis 80 Prozent aller Produkte außerhalb Deutschlands abgesetzt, 40 Prozent außerhalb Europas. Das Exportwachstum außerhalb Europas liegt bei 20 Prozent.

Damit liegt Cavendish & Harvey über der Exportquote der deutschen Zuckerwarenindustrie, die bei 37 Prozent liegt. Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie geht fast jede zweite Tonne der in Deutschland hergestellten Süßwaren in den Export. Damit ist Deutschland Exportweltmeister genussbringender Produkte. Umsatz der Süßwarenindustrie, in der 50.000 Menschen beschäftigt sind: 12,5 Milliarden Euro.

Mit der Ausrichtung auf den Export und die Premiumverpackungen verfolgt Cavendish & Harvey eine Nischenstrategie, die „beachtliches Potenzial in sich birgt, da hochwertige Produkte made in Germany auf der ganzen Welt gefragt sind“, so Mock. Inzwischen werden die Bonbons aus der Fabrik in Kaltenkirchen in mehr als 80 Ländern verkauft. Die stärksten Märkte sind China, Taiwan, Japan, USA und Südkorea. In Südkorea ist Cavendish & Harvey nach eigenen Angaben sogar Deutschlands größter Zuckerwarenanbieter. „Hochwertige Süßwaren haben dort eine ganz andere Bedeutung und werden oft als Gastgeschenk mitgebracht“, sagt Mock, der bei seinen Auslandsreisen am liebsten in die Supermärkte geht und die Süßwarenabteilung anschaut, wo es oft meterlange Regale mit Bonbons von Cavendish & Harvey gibt – während man die Produkte in Deutschland nur vereinzelt findet. „Zumindest bisher“, sagt Mock, der auch das Deutschland-Geschäft wieder ausbauen will, vor allem den Onlinevertrieb. Erste Gespräche mit Amazon laufen bereits.

Insgesamt 10.000 Tonnen werden in Kaltenkirchen produziert, das sind im Jahr circa 2,2 Milliarden Bonbons. Von seinem Markenzeichen, den Blechdosen, verkauft Cavendish & Harvey 25 Millionen Stück. Gesamtumsatz des Unternehmens 2013: rund 28 Millionen Euro. Seit drei Jahren ist Alexander Mock Geschäftsführender Gesellschafter bei Cavendish & Harvey, das heute zur Berliner Boettger-Gruppe gehört. Seitdem pendelt er zwischen Kaltenkirchen und Berlin, zwischen Cavendish & Harvey und Boettger. Wie sein dortiges Büro aussieht? Natürlich ein bisschen wie ein Bonbonladen. Denn so ganz kann Alexander Mock selbst in Berlin nicht auf die Bonbons verzichten.