Martina Sandrock geht wegen unterschiedlicher Auffassung über strategische Ausrichtung. Nachfolger steht noch nicht fest

Hamburg. Sie gilt als eine der profiliertesten Managerinnen in der deutschen Lebensmittelindustrie und als eine der ganz wenigen Frauen, die es in die Führungsetage eines großen Nahrungsmittelherstellers geschafft hat. Gut vier Jahre stand Martina Sandrock an der Spitze von Iglo Deutschland und leitete von Hamburg aus die Geschicke des größten Tiefkühlherstellers in der Bundesrepublik.

Nun aber hat Sandrock überraschend das Unternehmen verlassen, das seit 2006 unter der Kontrolle des britischen Finanzinvestors Permira steht und seinen Hauptsitz in London hat. Wie das Abendblatt erfuhr, war die Managerin bereits am Montag nicht mehr in ihrem Büro in den Glastürmen der AlsterCity anzutreffen, während sie in der vergangenen Woche dort noch ihrer Arbeit nachgegangen war.

Grund für den plötzlichen Abgang ist ganz offensichtlich ein Streit über den künftigen Kurs von Iglo in Deutschland. Zwar erfolgt die Trennung im gegenseitigen Einvernehmen. Es habe zuletzt aber „unterschiedliche Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung“ gegeben, teilte das Unternehmen am Montag in einer kurzen, schriftlichen Stellungnahme mit. Man danke Sandrock für „ihre Leistungen beim Aufbau des Portfolios und unserer Handelsbeziehungen“.

Ein Nachfolger für die Managerin steht noch nicht fest. Übergangsweise soll der Chef von Iglo Europe, Achim Eichenlaub, die Führung der Deutschland-Sektion mit übernehmen.

Worin die „unterschiedlichen strategischen Auffassungen“ zwischen Sandrock und der Führungsspitze in England bestanden, dazu wollte sich bei Iglo am Montag niemand äußern. Eine Sprecherin verwies lediglich auf den Wortlaut der offiziellen Mitteilung.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Berichte gegeben, der Finanzinvestor Permira lasse Iglo nicht den nötigen Spielraum, um sich angemessen weiterentwickeln zu können, ziehe stattdessen Gelder in Millionenhöhe aus dem Unternehmen ab. Unter anderem musste das Management in den vergangenen Jahren dagegen kämpfen, dass aus Kostengründen in den Iglo-Fischstäbchen statt des beliebten Alaska-Seelachs eine billigere Sorte eingesetzt werden sollte.

Ende vergangenen Jahres gab der Chef der internationalen Iglo Group, Elio Leoni Sceti, ausgesprochen ehrgeizige Wachstumsziele für den Fischstäbchenhersteller aus. Bis 2020 soll sich der Umsatz des Unternehmens auf 3,2 Milliarden Euro verdoppeln. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte der Italiener Sceti die Einstellung der Verbraucher zur Tiefkühlkost generell ändern: „Weg von der Verzweiflung hin zur Inspiration“, wie er sich ausdrückte.

Diese etwas verunglückte Formulierung in einer offiziellen Mitteilung sollte wohl darauf abzielen, dass Kunden nicht nur ins Tiefkühlregal greifen sollen, weil das Essen billig und bequem zuzubereiten ist. Vielmehr sollen sie erkennen, dass die Produkte gute Zutaten für raffinierte Gerichte darstellen. Ob diese Strategie aufgeht, ist bislang nicht bekannt.

Der Abgang Sandrocks könnte auch mit neuerlichen Plänen des Finanzinvestors Permira zusammenhängen, sich von dem Unternehmen zu trennen. Bereits 2012 hatte der Investor versucht, einen Käufer für den Tiefkühlhersteller zu finden, die Verhandlungen mit diversen Interessenten waren aber an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert. Auch ein Börsengang von Iglo stand in den vergangenen Jahren immer wieder einmal zur Debatte, wurde dann allerdings doch nicht in Angriff genommen.

Bislang war es Deutschland-Chefin Sandrock gelungen, den Dampfer Iglo trotz diverser Kursänderungen in Großbritannien auf sicherem Kurs zu halten. Sie setzte sich erfolgreich dafür ein, die bekannte Werbe-Ikone Käpt’n Iglo zu stärken und sie nicht nur bei Fischprodukten, sondern auch bei Tiefkühlgemüse einzusetzen. Zuvor hatte es schon Überlegungen gegeben, den Seebären vollständig einzumotten.

Sandrock kümmerte sich aber auch um einen moderneren Markenauftritt von Iglo und verstärkte die Marketingaktivitäten im Internet oder in sozialen Netzwerken wie Facebook.

Die gebürtige Bielefelderin hat sich mit viel Engagement und Durchsetzungswillen in der vornehmlich männlich dominierten Lebensmittelindustrie einen Namen gemacht. Nach dem BWL-Studium ging sie zunächst zu Unilever und stieg dort rasch zur Marketingdirektorin auf. Im Anschluss wechselte sie zum US-Konzern Sara Lee, wo sie für Marken wie Senseo oder Duschdas zuständig war. Ende 2009 kam sie dann als Geschäftsführerin zu Iglo Deutschland.

„Ich bin sehr ehrgeizig“, hat Martina Sandrock im Gespräch mit dem Abendblatt einmal gesagt. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich die passionierte Marathonläuferin nach ihrem Abgang bei Iglo zur Ruhe setzen wird.