Allianz-Versicherung sieht wachsende Bedrohung auch vor Westafrika. Sorge vor höheren Schadensrisiken durch immer größere Containerschiffe

Hamburg. Die Piraterie gegen die internationale Handelsschifffahrt in Indonesien und vor den Küsten Westafrikas ist 2013 deutlich gestiegen. Vor Somalia hingegen ging die Zahl der kriminellen Übergriffe stark zurück. Das berichtet die Allianz-Versicherung im Jahresbericht ihrer Sparte Allianz Global Corporate & Specialty. Für die indonesischen Gewässer zählte die Allianz im vergangenen Jahr 106 Piratenüberfälle, nur 15 waren es 2009. „Die meisten dieser Vorfälle bleiben Gelegenheitsdiebstähle seitens kleiner Banden“, schreiben die Experten der Versicherung. Es bestehe aber „durchaus die Gefahr, dass solche Angriffe sich in Richtung eines stärker organisierten Pirateriemodells entwickeln, wenn sie nicht kontrolliert werden“.

Vor Somalia zeigen internationale Marineverbände mittlerweile Wirkung

Vor Westafrika ist dieser Fall bereits eingetreten. Für den Golf von Guinea listet die Versicherung 48 Piratenüberfälle auf, das waren 18 Prozent aller Attacken gegen Handelsschiffe weltweit. Im Jahr 2009 war die Region noch mit sieben Prozent in der Piraterie-Statistik vertreten. Vor Westafrika sind, ebenso wie in den indonesischen Gewässern, internationale Handelsrouten vom Treiben der Piraten betroffen. „Die Entwicklung vor Westafrika ist äußerst beunruhigend und bringt unsere Seeleute in zusätzliche Gefahr. Die Küstenstaaten in der Region sind aufgefordert, den Schutz der Handelsschiffe zu gewährleisten“, sagte Michael Behrendt, Hapag-Lloyd-Chef und Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR).

Vor Somalia an der afrikanischen Ostküste hingegen zeigt die massive Präsenz internationaler Marineverbände mittlerweile Wirkung. Für das vergangene Jahr verzeichnet die Allianz sieben Angriffe gegenüber 160 im Jahr 2011: „Das Vorgehen der Piraten in Somalia kann in ein paar Jahren womöglich gänzlich unterbunden werden, vorausgesetzt, die Schifffahrtskontrollen werden fortgeführt.“ Auch die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen am Horn von Afrika zielt darauf ab, die desolate Lage in Somalia zu verbessern und damit indirekt auch die Sicherheit der Schifffahrt. So stellte der VDR im Februar gemeinsam mit der Organisation SOS Kinderdörfer das Projekt eines neuen, computergestützten Ausbildungszentrums vor. Es soll in Dschibuti, einem Nachbarland von Somalia, unter anderem auch der Ausbildung somalischer Flüchtlingskinder dienen.

Neben der Piraterie rückte die Allianz die konventionellen Risiken der Schifffahrt einmal mehr in den Mittelpunkt. Im Jahr 2013 gingen insgesamt 94 Schiffe verloren, 69 von ihnen sanken. Im Jahr 2012 betrug die Zahl der Totalverluste 117. Während dieser Wert tendenziell seit Jahren zurückgeht, sorgen sich die Experten der Versicherung über die niedrigen Sicherheitsstandards auf vielen Schiffen, vor allem in den asiatischen Fahrtgebieten: „Es besteht verstärkter Handlungsbedarf zur Verbesserung der Sicherheit dieser Schiffe insgesamt, sowie ihrer Fracht, Besatzung und Passagiere“, heißt es. Kapitän Jarek Klimczak von Allianz Global Corporate & Specialty kritisierte die Schifffahrtsbranche in der Region scharf: „Wir müssen hinterfragen, wie manche asiatische Reeder Sicherheit und Qualität messen, speziell wenn es um die nationale Handelsschifffahrt geht. Beim Verständnis von Qualität und Standards liegt man dort bisweilen 50 Jahre hinter Europa zurück.“

Sorge bereiten den Allianz-Experten auch wachsende Schiffsgrößen. Die Versicherung erwartet, dass mit der Einführung von 18.000-TEU-Schiffen im Jahr 2013 – TEU sind Containereinheiten – das Ende des Größenwachstums noch längst nicht erreicht ist.

Die Allianz erwartet Schiffskapazitäten von bis zu 24.000 Containereinheiten

Die Versicherung schätzt, „dass die Kapazität alle vier Jahre um etwa 30 Prozent zunimmt, was bedeutet, dass um 2018 mit einem Volumen von 24.000 Standardcontainern zu rechnen ist“. Bereits heute stoßen die meisten Häfen auf den Fernostrouten zwischen Asien und Europa bei der Abfertigung der 400 Meter langen und 60 Meter breiten Schiffe logistisch an ihre Grenzen. „Die Schäden in Zusammenhang mit Seenotfällen dieser Mega-Schiffe können enorm sein“, sagte Sven Gerhard von Allianz Global Corporate & Specialty. „Man denke nur an Betriebsunterbrechungen bei Häfen und Terminals, wenn ein Unglück die Eingänge blockiert. Darüber hinaus kann die Bergung noch nie da gewesene Anstrengungen und komplexe Maßnahmen erfordern.“ In Einzelfällen könne es „Monate, ein Jahr oder gar noch länger“ dauern, bis alle Container beseitigt seien, insbesondere dann, wenn sich der Unfall in einem abgelegenen Gebiet ereigne. Den versicherten Wert eines 18.000-TEU-Schiffes gibt Allianz mit 140 Millionen Dollar an. Hinzu kommt die Ladung, die aber nur individuell geschätzt werden kann und deren Wert bei einem so großen Schiff bei weit über einer Milliarde Dollar liegen dürfte.