Sinkende Zinsen am Markt führen zu Verteilungskonflikten zwischen Kunden und Versicherern. Was Experten Verbrauchern jetzt raten

Hamburg. Die Versicherer wehren sich dagegen, ihre Kunden künftig stärker an den verschiedenen Gewinntöpfen der Lebens- und Rentenversicherung zu beteiligen. Kritisch sei, dass Versicherte künftig stärker von sogenannten Risikogewinnen profitieren sollen, sagte Branchenpräsident Alexander Erdland am Mittwoch. Die Bundesregierung plant, dass den Versicherten künftig 90 statt wie bisher nur 75 Prozent des Risikogewinns einer Versicherung zugutekommen sollen. Gleichzeitig sollen die Versicherten aber nicht mehr wie bisher an Bewertungsreserven beteiligt werden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Worum wird gestritten?

Die Versicherer stehen wegen der niedrigen Zinsen unter Druck. Bisher müssen sie bei auslaufenden oder gekündigten Verträgen 50 Prozent der Bewertungsreserven den Kunden gutschreiben. Gegenwärtig sind die Bewertungsreserven besonders hoch, weil der Kurs einer früher gekauften Anleihe mit sinkenden Zinsen steigt. Die Versicherer sehen diese Gewinne jedoch nur als Buchgewinne, weil sie sich zum Ende der Laufzeit einer Anleihe wieder auflösen. Deshalb soll die Beteiligung an den Bewertungsreserven geändert werden. „In die Umverteilungen müssen alle Gewinntöpfe der Versicherer einbezogen werden“, fordert dagegen Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. „Auch jenseits der Bewertungsreserven bestehen diese Reservetöpfe in Milliardenhöhe, die den Kunden vorenthalten werden.“

Können höhere Risikogewinne die Bewertungsreserven ausgleichen?

Nein. Laut Branchenverband GDV wurden 2013 jeden Monat 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven ausgeschüttet. Bei den Risikogewinnen geht es um 800 Millionen Euro, die an die Versicherten pro Jahr umgeschichtet werden könnten. Risikogewinne entstehen, wenn der Versicherer weniger Geld für Kunden aufwenden muss als vorher kalkuliert.

Wer sind die Verlierer der geplanten Neuregelung?

Das sind Kunden, deren Vertrag in diesem oder in den nächsten Jahren ausläuft. In einigen Jahren können die Bewertungsreserven deutlich niedriger sein. Die Bewertungsreserven können nach Angaben des Bundes der Versicherten 15 bis 20 Prozent der Ablaufleistung ausmachen.

Soll ich jetzt noch kündigen?

Nein. Eine Kündigung vor Ende der Laufzeit ist meistens mit dem Verlust eines Teils der eingezahlten Beträge verbunden. Außerdem soll die neue Regelung schon bald zu einem bestimmten Stichtag in Kraft treten, um eine Kündigungswelle zu vermeiden.

Wie ist die Renditeentwicklung bei der Lebens- und Rentenversicherung?

Jahr für Jahr fällt die Überschussbeteiligung niedriger aus. In diesem Jahr werden die Beiträge der Kunden – nach Abzug der Kosten – im Schnitt mit 3,37 Prozent verzinst, wie eine Umfrage des Abendblatts bei den 40 größten Lebensversicherern ergab. In der Folge sinken die versprochenen Ablaufleistungen oder die Höhe der in Aussicht gestellten Rente. Wegen der niedrigen Zinsen gibt es immer weniger zu verteilen. Die jüngsten Diskussionen sind damit auch Ausdruck eines Verteilungskonflikts.

Lohnt jetzt noch der Abschluss einer Lebensversicherung?

Verbraucherschützer raten davon ab. „Hohe Kosten, eine lange Vertragslaufzeit, die meist nicht durchgehalten wird, und Intransparenz des Produkts sprechen dagegen“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ganz anders bewertet dies Manfred Poweleit, Chefredakteur des Branchenreports „Map-Report“: „Für die Altersvorsorge braucht man eine Anlageform mit regelmäßigen Einzahlungen und einer gewissen Bindung. Wenn man immer wieder die Gelegenheit hat, auf das Geld zuzugreifen, ist im Alter nichts da. Nach seinen Erhebungen bieten die Europa, die HUK-Coburg, Cosmos Direkt und die Debeka die höchsten Ablaufleistungen bei 20 Jahren Laufzeit.