Hamburger Firma hilft Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf. Expansion nach Berlin und Hannover geplant

Hamburg. Beide kennen es aus eigener Erfahrung. Nach der Elternzeit ist der Wiedereinstieg in den Beruf nicht einfach. „Vorbehalte gegenüber Müttern sind auch heute noch weit verbreitet“, sagt Kirsten Lenz, eine der beiden Geschäftsführerinnen des neu gegründeten Hamburger Unternehmens Mutterschafft. „Manche Unternehmen sehen nur das Ausfallrisiko wegen der Kinder.“ Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Manpower hält jeder vierte Beschäftigte seinen Arbeitgeber für familienunfreundlich. 65 Prozent der Beschäftigten haben keine Möglichkeit zu flexibler Arbeitszeit.

Doch zwischen Kinder und Karriere wollen sich die meisten Frauen nicht mehr entscheiden. „Auf der anderen Seite herrscht Fachkräftemangel, und die Firmen können es sich gar nicht leisten, auf das fachliche Know-how der Mütter zu verzichten“, sagt Isabel Möller, die zweite Geschäftsführerin. Das Unternehmen vermittelt qualifizierte Frauen, versteht sich aber als mehr als eine reine Jobbörse.

Mutterschafft mit zehn Mitarbeitern wurde im August 2013 gegründet, kann aber schon auf renommierte Partner verweisen, wie das Marriott-Hotel Hamburg, Colgate-Palmolive, KSP Rechtsanwälte oder Geese Papier. Hier profitiert die junge Firma von den Gründungsgesellschaftern, zu denen die Hamburger Personalberatung Delphi HR-Consulting gehört. „Sie hat uns manche Tür bei den Personalchefs großer Unternehmen geöffnet, um unser Konzept vorzustellen“, sagt Lenz. „So konnten wir uns vor 15 Personalverantwortlichen von Unilever präsentieren.“ In Gesprächen ist Mutterschafft auch mit der Commerzbank in Hamburg. „Noch in diesem Jahr wollen wir Zweigstellen in Berlin und München eröffnen“, sagt Möller, die Psychologin ist und als Personalleiterin gearbeitet hat. In Frankfurt wurde gerade ein Büro mit einer Regionalmanagerin eröffnet. Für einige Firmen wie M+B Lasertechnik hat Mutterschafft auch die komplette Personalvermittlung übernommen.

Erst seit Januar läuft das operative Geschäft. „Wir mussten erst die Internetseite aufbauen und Firmen und Stellen gewinnen“, sagt Möller. „90 Prozent unserer Beschäftigten sind Frauen“, sagt Grietje Schumacher-Gödde, Personalchefin bei KSP Rechtsanwälte. Teilzeitarbeitsplätze und Heimarbeitsplätze gehören zur Firmenkultur von Hamburgs größter Kanzlei. „Mit Blick auf den Fachkräftemangel halten wir das Angebot von Mutterschafft für sehr interessant und werden es nutzen.“

Inzwischen kann Mutterschafft schon auf erste Vermittlungen verweisen. Beispiele: Eine Frau übernimmt die Leitung der Buchhaltung eines Mittelständlers. An ein Versandunternehmen wurden vier Aushilfen vermittelt. „Wir sind für alle Frauen offen, unabhängig von der Qualifizierung“, sagt Möller. „Aber alle unsere Stellen sind familienfreundlich, denn die meisten Frauen mit Familie wollen nicht 40 Stunden in der Woche arbeiten.“

Von reinen Vermittlungsportalen will sich Mutterschafft durch eine individuelle Beratung abheben. Das Unternehmen arbeitet in Hamburg mit drei Regionalmanagerinnen, die die Jobsuchenden ebenso betreuen wie die Unternehmen. „Sie bilden die Schnittstelle zwischen der weiblichen Fachkraft und der freien Stelle“, sagt Möller. Die Frauen können Profile anlegen und einen Lebenslauf hochladen. „Jede entscheidet selbst, wie viel sie preisgeben will, wichtig ist, wie viel man arbeiten möchte und in welcher Branche“, sagt Möller. Die Gesuche werden nicht veröffentlicht, sie sind nur die Basis für die Vermittlungsarbeit. „Inzwischen gibt es 350 Jobgesuche. Wir sind sicher, dass sich bis zum Jahresende mindestens 1000 Frauen bei uns registriert haben“, sagt Möller. Das Honorar für eine erfolgte Vermittlung übernehmen die Firmen.

Doch die Arbeitsagentur Hamburg will das Feld nicht privaten Anbietern überlassen. „Wir beraten zwischen 2500 und 3000 Wiedereinsteigerinnen pro Jahr in unseren Arbeitsagenturen“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit in Hamburg. Etwa 380 Frauen nutzen Seminar- und Workshopangebote, die zu Arbeitsmarkt, Beschäftigungssuche und Fördermöglichkeiten informieren. Fock sieht sich in seiner Strategie bestätigt, denn der Anteil der Frauen unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg nimmt seit Jahren zu. Ihr Anteil stieg in der für den Wiedereinstieg relevanten Altersgruppe zwischen 25 und 50 Jahren von 52 Prozent im Jahr 2005 auf aktuell 58 Prozent.

„Von den Berufsrückkehrerinnen haben knapp 70 Prozent einen beruflichen Abschluss“, sagt Franziska Schreyer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Dazu kommen weitere Stärken: „Teilzeitkräfte arbeiten sehr effizient, und für flexible Arbeitszeiten verzichten sie auch schon mal auf den nächsten Karriereschritt“, sagt die ehemalige Vertriebsleiterin Lenz. Außerdem seien Mütter abgeklärter und konzentrierten sich auf die wirklich wichtigen Dinge. Doch ihrer Stärken sind sich die Frauen nach der Babypause nicht immer bewusst. „Bei vielen Müttern schrumpft während der Elternzeit das Selbstbewusstsein“, sagt Möller. „Sie trauen sich nicht mehr so viel zu und sind unsicher, was sie fordern können.“

Deshalb setzt Mutterschafft auch auf Beratungsleistungen. Zusätzlich können die Mütter ein Premiumangebot ab fünf Euro im Monat buchen. Dafür bekommen sie Coachings, eine Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch oder eine Rechtsberatung. „Wir wollen, dass sich die Frauen bei ihrem neuen Arbeitgeber gut verkaufen können“, sagt Möller. Auch die Zeit zu Hause müsse man im Lebenslauf nicht verstecken. „Viele Frauen lassen ehrenamtliche Tätigkeiten weg oder haben Auslandserfahrungen, weil sie ihren Mann bei einem beruflichen Aufenthalt begleitet haben.“ Neben der Beratung soll es ein Forum geben, in dem sich die Frauen über ihre Erfahrungen und Probleme austauschen können. Was Möller und ihre Kollegin Lenz den Frauen bieten wollen, leben sie selbst vor. Beide haben eine Tochter und teilen sich den Führungsjob.

Tipp: Am 19. März von 10 bis 12 Uhr bietet die Arbeitsagentur Hamburg ein Seminar für Wiedereinsteigerinnen in der Kurt-Schumacher-Allee 16.