Handelskonzern will bis 2016 die Hälfte des Online-Umsatzes von heute sechs Milliarden Euro mobil erwirtschaften

Hamburg. Wenn die Chefs des Handelskonzerns Otto etwas über ihre Internetstrategie erzählen wollen, dann laden sie ungern in die etwas biedere Zentrale im Hamburger Stadtteil Bramfeld ein. Stattdessen werden solche Veranstaltungen gern bei Tochtergesellschaften wie dem Risikokapitalgeber e.ventures oder wie am Donnerstag in der Sturmfreien Bude im quirligen Karoviertel abgehalten. Aufbruchsstimmung und Querdenkertum soll das wohl vermitteln.

Das dortige Ambiente mit grellgrünen Schränken, Zebrateppichen und zu Tischen umfunktionierten Haustüren hatte allerdings wenig mit den aktuellen Trends im weltweiten Onlinehandel zu tun. Eher schon die Tatsache, dass alle geladenen Gäste mit mindestens einem Smartphone und meist auch mit einem Tablet-PC zu dem Termin erschienen waren. Auf den Trend hin zu den mobilen Endgeräten will Otto nämlich seine gesamte Internetstrategie ausrichten.

„Das Smartphone ist jenes Gerät, das uns den ganzen Tag über begleitet und das auch immer mehr zum Einkaufen benutzt wird“, sagt der stellvertretende Vorstandschef der Otto Group, Rainer Hillebrand, der auch die E-Commerce-Strategie im Konzern verantwortet. In Deutschland besitze mittlerweile jeder zweite Bundesbürger ein internetfähiges Handy. Ohne ein entsprechendes Gerät gingen die meisten Besitzer gar nicht mehr aus dem Haus.

Vor diesem Hintergrund hat Otto nun die konzernweite Initiative Mobile First gestartet. Bis zum Jahr 2016 sollen 50 Prozent des Internetumsatzes über Smartphones oder Tablet-PCs erzielt werden. Bisher liegt dieser Anteil je nach Marken zwischen 20 und 40 Prozent.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden alle rund 100 Onlineshops des Konzerns – von der Hauptmarke Otto, über Billiganbieter wie Bonprix bis hin zum Spielzeugportal Mytoys – konsequent auf die kleineren Bildschirme der internetfähigen Handys ausgerichtet.

Mit maßgeschneiderten Angeboten sollen zudem die extrem teuren Retouren reduziert werden. So können Otto-Kundinnen etwa per Webcam eine Videoberatung in Anspruch nehmen oder sie bekommen aufgrund früherer Bestellungen die richtigen Kleidergrößen und bestimmte Schnitte vorgeschlagen.

Für die gesamte E-Commerce-Offensive des Konzerns stehen 300 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Summe hatte das Unternehmen aber schon im vergangenen Jahr bekannt gegeben und nicht weiter aufgestockt.

Insgesamt setzte Otto im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/14 online rund sechs Milliarden Euro um und sieht sich damit nach wie vor als weltweit zweitgrößter Internethändler hinter Amazon. Das entspricht einem Wachstum von 7,6 Prozent. Im besonders hart umkämpften deutschen Markt sei ein noch leicht höherer Zuwachs gelungen, resümierte Hillebrand zufrieden. Man befinde sich voll im Plan, das gesetzte Umsatzziel von acht Milliarden Euro im E-Commerce bis Ende 2015 zu erreichen. „Das ist schon eine fulminante Entwicklung“, so der Vorstand. Von der Rendite her liege man angesichts niedrigerer Kosten tendenziell höher als im klassischen Versandhandel.

Angesichts eines Marktwachstums von mehr als 40 Prozent im deutschen Onlinehandel verlieren die Hamburger allerdings hierzulande noch immer Marktanteile an die Internetkonkurrenz. Aggressive Wettbewerber wie Zalando verbuchten im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 52 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro, wobei Gewinne bei den Berlinern nach wie vor auf sich warten lassen.

Wegen der scharfen Konkurrenzsituation beschränkt sich die Onlinestrategie von Otto bei Weitem nicht darauf, die alten Versandhandelsmarken fit für das Internet und die mobilen Endgeräte zu machen. Mindestens ebenso wichtig ist die Strategie, über Bezahlsysteme wie Yapital und Logistiker wie Hermes am Geschäft der Wettbewerber mitzuverdienen. Viele Pakete, die bei kleinen Händlern geordert werden, liefert die Otto-Tochter aus.

Darüber hinaus tummelt sich Otto auch als Risikokapitalgeber im Netz und finanziert so unterschiedliche Angebote wie Saatchi Art (ein Onlinehandel für rund eine Million Kunstwerke) oder Farfetch.com (Verkauf von Lagerbeständen aus Nobelboutiquen). Zum Portfolio zählt auch ein isländischer Spieleanbieter namens Plain Vanilla, der ein Quiz für Smartphones entwickelt hat.

Zu einem weiteren, von Otto selbst entwickelten Internetangebot wollte sich E-Commerce-Vorstand Hillebrand am Donnerstag nur sehr eingeschränkt äußern. Am 5. Mai sollen nach jahrelanger Planung endlich mehrere Onlineshops des Projekts Collins an den Start gehen. Dahinter verbirgt sich ein Angebot für modebegeisterte Frauen mit mehreren Spezialgeschäften im Internet, das auch Tipps von Fashionblogs integrieren soll.

Interessant ist das im Hamburger Stadtteil Eppendorf entwickelte Projekt vor allem wegen des Chefs Benjamin Otto. Für den Sohn des Eigentümers und Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Otto stellt Collins die erste Bewährungsprobe im väterlichen Konzern da. Hier muss der 38-Jährige beweisen, dass er auch für höhere Aufgaben im Unternehmen geeignet ist. Bei einem Erfolg dürfte er langfristig an die Spitze der Gruppe rücken.