Arbeitnehmer können in den nächsten Wochen ihre Interessenvertreter bestimmen. Bei Jungheinrich geht es um die Beschäftigungssicherung

Hamburg. Thomas Burow stellt sich zur Wahl. Der 43-Jährige ist Betriebsratsvorsitzender im Werk Norderstedt des Gabelstaplerherstellers Jungheinrich, wo am Mittwoch die Betriebsratswahlen stattfinden. Burow rechnet mit einer regen Teilnahme, denn die rund 1100 Beschäftigten in Norderstedt haben große Erwartungen an ihre Interessenvertretung. Sie befindet sich gerade in Verhandlungen mit der Geschäftsführung über eine neue Beschäftigungssicherung, nachdem die bestehende Ende des Jahres ausläuft. „Wir wollen durch Maßnahmen zur Steigerung von Produktivität und Flexibilität einen Stellenabbau im Norderstedter Werk verhindern“, sagt Burow.

Gut jeder zweite der 870.000 Hamburger sozialversicherten Arbeitnehmer ist in diesen Wochen bis Ende Mai zur Betriebsratswahl aufgerufen, die alle vier Jahre stattfindet. „Ein Betriebsrat ist nur so stark, wie die Beschäftigten ihn machen“, sagt Katja Karger, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg (DGB). Während in Hamburg 55 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat beschäftigt sind, liegen die Zahlen in den angrenzenden Bundesländern darunter. In Schleswig-Holstein arbeiten 35 Prozent der Arbeitnehmer in Firmen mit Betriebsrat, in Mecklenburg-Vorpommern sind es nur 33 Prozent.

Der bundesweite Schnitt für die westlichen Bundesländer liegt bei 43 Prozent. „Der Trend ist seit Jahren rückläufig“, sagt Nadine Zeibig von der Hans-Böckler-Stiftung. Immer weniger Arbeitnehmer werden durch Betriebsräte vertreten. Oft werde die Mitbestimmung insgesamt von den Arbeitgebern infrage gestellt, sagt die Expertin. „Arbeitgeber versuchen, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern oder Betriebsratswahlen anzufechten.“

Bis vor das Arbeitsgericht musste Sebastian Thiel ziehen, um mit weiteren Betriebsräten an einem Grundlagenseminar zu den deutschen Arbeitnehmerrechten teilnehmen zu können. Der Betriebsratsvorsitzende des Apple Stores am Jungfernstieg mit 170 Beschäftigten hat mit einem Konzern zu tun, der sich schwertut mit der deutschen Mitbestimmung. „Die Themen Überstunden und Arbeitszeiten sind für uns besonders wichtig“, sagt Thiel. Auch bei den Beschäftigten sei Aufklärung zu diesen Bereichen notwendig.

Beschäftigungssicherung, Pausenregeln, Gleichbehandlung, Arbeitsschutz – das sind Themen mit denen sich die Betriebsräte beschäftigen. Sie entscheiden mit bei Einstellungen, Entlassungen oder grundlegenden Veränderungen der Betriebsorganisation. Betriebsrat Kemal Kiremitcioglu ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Automobilzulieferer Vibracoustic in Harburg. „Die tatsächliche und die tarifliche Arbeitszeit geht immer weiter auseinander“, sagt er.

„Studien ergeben immer wieder, dass Betriebe mit einem Betriebsrat die besseren Arbeitsbedingungen haben“, sagt Karger. Zum Beispiel verdienten Beschäftigten in diesen mitbestimmten Firmen im Durchschnitt über zehn Prozent mehr als in Betrieben ohne Betriebsrat. Doch auch die Unternehmen profitieren: „Betriebe mit Betriebsrat sind oft produktiver, innovativer und haben eine geringere Fluktuation“, sagt Uwe Jirjahn, Professor an der Universität Trier. Denn Betriebsräte könnten für ein vertrauensvolles Verhältnis von Belegschaft und Management sorgen.

Was das bedeutet, erfährt gerade Thomas Burow bei Jungheinrich. „Wir sind in einem guten Gespräch mit der Geschäftsführung“, sagt er zu den laufenden Verhandlungen über eine Beschäftigungssicherung für Norderstedt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass nach Angaben des Betriebsrats 167 der insgesamt 1100 Stellen in Norderstedt abgebaut werden. So drohe die Verlagerung der Produktion des Staplers ECE in das Werk Landsberg, was allein rund 50 Stellen kosten würde. Das Unternehmen bestätigt die Verhandlungen zu einer Beschäftigungssicherung ohne Einzelheiten zu nennen.

„Norderstedt hat als ältestes Werk des Konzerns im Wettbewerb einige Nachteile gegenüber den anderen Standorten“, sagt Burow. „Wir wollen das durch erhöhte Produktivität und Flexibilität unserer Beschäftigten ausgleichen, um eine Verlagerung zu verhindern.“ Monatlich wird mit den Beschäftigten ein Workshop veranstaltet, um möglichst viele Verbesserungsvorschläge zu erfassen. „Als Betriebsrat muss man sich ständig mit neuen Themen auseinandersetzen“, sagt Burow. Es gehe darum, gute Kompromisse zu finden, die die Interessen der Beschäftigten ebenso berücksichtigen wie die des Arbeitgebers. „Denn nur dann sind die Arbeitsplätze langfristig gesichert.“ Die neue Beschäftigungssicherung in Norderstedt soll immerhin bis zum Jahr 2019 reichen.