Hunderte Studios bieten in Hamburg Kurse in der indischen Entspannungspraxis an. Tendenz steigend. Modeketten liefern zum Trend die Bekleidung.

Hamburg. Die Entspannung setzt im Himalaya Institut eigentlich schon ein, bevor die Schüler ihre Matte ausgerollt haben und in die ersten Yogastellungen gehen. Der große Übungssaal ist reduziert eingerichtet mit seinem braunen Parkettboden und den weißen Wänden. Die großen Fenster lassen viel Tageslicht herein und die für Yogis nicht unwichtige frische Luft als Energielieferant, ansonsten lenkt nichts ab von der Konzentration auf sich selber. Hier zählt nur eines: den Alltag weit draußen lassen und Ruhe finden.

Ulrike Kraus ist Geschäftsführerin des Instituts, das mit seiner Gründung vor mehr als 30 Jahren zu den ältesten Yogaschulen im Norden gehört. Sie spricht aus, was viele Hamburger angesichts von Yogakleidung in den Regalen von H&M, Meditationskissen im Tchibo-Angebot und Hatha-Kursen in jedem Fitnessstudio schon erahnen: „Yoga erfährt einen starken Zulauf, und es drängen immer neue Anbieter auf den Markt.“

Die in Indien entwickelte Weisheits- und Lebenslehre gehört für viele Menschen im Westen heute so selbstverständlich zum Alltag wie Radfahren. Die Entwicklung ist ähnlich wie bei den Vegetariern, die früher als etwas verschrobene Gemüsefanatiker galten und heute von jedem einigermaßen zeitgeistigen Restaurant verwöhnt werden: Yoga rückt von einer Randerscheinung für Freaks in die Mitte der Gesellschaft. „Früher verbanden viele Leute Yoga noch mit Räucherstäbchenbuden, heute reicht die Bandbreite der Praktizierenden von der Hausfrau auf dem Land bis zum Geschäftsmann“, sagt Verena Hertlein, Chefredakteurin des „Yoga Journals“, einer von immerhin drei Fachzeitschriften, die sich mit dem Thema befassen.

Inzwischen praktizieren in Deutschland rund vier bis fünf Millionen Menschen Yoga. Sie können wählen unter 100.000 Yogalehrenden. Von Passau bis Flensburg konkurrieren rund 5000 Yogacenter miteinander. Allein in Hamburg haben sich inzwischen Hunderte Anbieter etabliert. Kurse gibt es in der Hansestadt in Sportclubs, Wellnesseinrichtungen, bei den Volkshochschulen, in Firmen, Bürgertreffs und in den spezialisierten Yogainstituten. Yoga ist ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor, denn immer mehr Menschen geben ihr Freizeitbudget für Kurse und Ausbildungen, aber auch für Zubehör wie Decken, Kissen oder Bücher aus. Auch immer mehr Prominente bekennen sich zu der asiatischen Lehre. Der Schauspieler Ralf Bauer hat in seinem Heimatort Baden-Baden kürzlich eine eigene Yogaschule eröffnet und schwärmt davon, dass er dem Yoga viel zu verdanken habe.

Ulrike Kraus sieht mehrere Ursachen für die Beliebtheit des Yoga, das es immerhin zum populärsten „Sport“ nach Wandern, Fahrradfahren, Joggen und Schwimmen gebracht hat. „Die Menschen sind auf der Suche nach Veränderung, sie wollen ihrem Leben einen neuen Sinn geben“, sagt die 45-Jährige. Gleichzeitig sorge der Stress im Alltag dafür, dass viele Frauen und Männer auf Entspannungstechniken setzten. „Dabei spielen auch Yogakurse in Firmen eine immer größere Rolle“, sagt die Fitnessfachwirtin. Dies sei auch ein Bereich, in dem das Himalaya Institut sich zunehmend engagiere.

So unterschiedlich die Beweggründe, aus denen Millionen Menschen ihre Yogamatte ausrollen, so verschieden sind heute die praktizierten Stile, die aber alle auf den vor 5000 Jahren in Indien entwickelten Übungsweg zurückgehen. Es gibt etliche Unterarten wie etwa Ashtanga-Yoga, Bikram-Yoga in einem 38 Grad warmen Raum oder Kundalini-Yoga mit seinen dynamischen Bewegungsabläufen und der Konzentration auf die Atmung. Um sich hier zu orientieren, hilft es, einen Experten in einem Yoga- oder Fitnessstudio zu Rate zu ziehen und seine persönlichen Ziele zu definieren.

Ganz einfach ist die Wahl allerdings nicht. „Weil die Nachfrage steigt, sind viele Yogalehrer mancherorts schon ausgebucht“, sagt Angelika Beßler, Vorstandsvorsitzende des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland (BDY). Der Verband versteht sich auch als Garant für Qualität in der Ausbildung, denn in den BDY-Schulen kann sich nur der Yogalehrer mit dem Zusatz BDY nennen, der sich nach mindestens dreijähriger Yogaerfahrung noch einmal vier Jahre lang ausbilden lässt, in Kursen unter anderem für Yoga, Meditation, Psychologie und Anatomie. „Wir bemühen uns um hohe Qualitätsstandards, weil der Begriff Yogalehrer gesetzlich nicht geschützt ist und sich im Prinzip jeder so nennen darf“, sagt Angelika Beßler. Wer sich aber in die Hände von unerfahrenen Yogalehrern begebe, riskiere Verletzungen. Also am besten den Yogalehrer fragen, wie viel Erfahrung er in der Praxis gesammelt hat, rät auch Ulrike Kraus vom Himalaya Institut, das ebenfalls nach den Richtlinien des BDY ausbildet.

Obgleich der Markt in Deutschland seit einiger Zeit stark wächst, gibt es bisher praktisch keine größeren Ketten, die Yoga bundesweit anbieten. Die Preise liegen in Großstädten bei gut zehn Euro die Stunde. So kostet zum Beispiel eine Mitgliedschaft im Himalaya Institut in Eimsbüttel für zwölf Monate 65 Euro im Monat, eine Art Flatrate mit der Möglichkeit der Teilnahme an allen Kursen. Die Zehnerkarte für 90-Minuten-Kurse, etwa für das klassische Hatha-Yoga, kostet 130 Euro.

Weitaus nicht so zersplittert und unübersichtlich ist der Markt in den USA, wo das Thema mit einigem Marketingaufwand von großen Anbietern gepusht wird und zu den zehn wichtigsten Wachstumsbranchen gehört. In Nordamerika haben indische Gurus ihre Praxis bereits seit Jahrzehnten bekannt gemacht und damit eine noch weitaus größere Verbreitung von Yoga als in Europa erreicht. Die Lehrer gelten als Kultfiguren und sind aus TV und Radio bekannt. Aber auch ihre Anhänger sind keine Unbekannten: Madonna, Julia Roberts oder Gwyneth Paltrow schwören auf die ganzheitliche Praxis aus Fernost.