Bei einigen Geldinstituten setzt ein Umdenken zugunsten der Kunden ein – auch in Hamburg. Netbank, Sparda und Volksbank senken Sätze

Hamburg. Zinsen von 16, 17 oder gar 19 Prozent müssen manche Bankkunden bezahlen, wenn sie ihr Girokonto überzogen haben. Das kostet bei einem Minus von 500 Euro bis zu acht Euro – im Monat. Diese sogenannten Überziehungszinsen stehen im Schatten der Dispozinsen, die fällig werden, wenn der vereinbarte Kreditrahmen beansprucht wird. Reicht der nicht mehr aus, muss der Kunde für den darüber hinausgehenden Betrag die höheren Zinsen bezahlen.

Die ING DiBa hat jetzt die Überziehungszinsen komplett abgeschafft. „Auch wer den Disporahmen mal überzieht, muss keine höheren Strafzinsen bezahlen“, sagt Andre Kauselmann von der ING DiBa. Bisher lag der Aufschlag bei dem Institut bei 3,5 Prozentpunkten. Das ist noch wenig, wie eine Umfrage des Abendblatts bei Banken in Hamburg und dem Umland zeigt. Die Aufschläge gegenüber dem Dispozins erreichen bis zu sieben Prozentpunkte bei der Netbank. Den höchsten Überziehungszins mit knapp 19 Prozent verlangt die Sparkasse Holstein.

„Das grenzt an Wucher“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Wir denken, dass durch den Vorstoß der ING-DiBa jetzt Bewegung in den Markt kommt. Diese Überziehungszinsen sind einfach überflüssig, zumal die Dispozinsen schon hoch sind.“ Die in Hamburg ansässige Netbank will jetzt ihren Aufschlag auf den Dispozins reduzieren. Ab Ende März wird der Aufschlag nur noch bei drei statt bisher sieben Prozentpunkten liegen, sagt ein Sprecher der Bank. Ganz verzichten will das Institut aber darauf nicht. „Die Überziehungsmöglichkeit dient als Spitzenregulierung, damit eine fällige Abbuchung nicht abgelehnt werden muss. Aber das erfordert auch einen höheren Bearbeitungsaufwand und stellt ein höheres Risiko für die Bank dar“, sagt der Netbank-Sprecher. Auch die PSD Bank Berlin-Brandenburg will den Überziehungszins abschaffen

Die Volksbank Stade-Cuxhaven hat ihn schon vor einiger Zeit gestrichen. „Zinsen von über zehn Prozent passen nicht mehr in die Zinslandschaft“, sagt Vorstand Reinhard Dunker. Zudem hat die Genossenschaftsbank mit 8,25 Prozent unter den Filialbanken den günstigsten Dispozins, wenn man vom Angebot der Sparkasse Holstein mit 6,24 Prozent absieht, das aber nur ein Drittel der Kunden nutzen kann.

Die Sparda-Bank Hamburg hat den Aufschlag schon vor einiger Zeit auf einen Prozentpunkt gesenkt. „Wir wollen dem Kunden nicht mit dem erhobenen Zeigefinger begegnen, sondern suchen nach anderen Möglichkeiten das Problem gemeinsam zu lösen“, sagt Banksprecher Dieter Miloschik. Auch die Hamburger Volksbank ist von dem hohen Aufschlag abgerückt. „Wir haben ihn von fünf auf drei Prozent gesenkt“, so eine Banksprecherin. Die Targobank entlastet ihre Kunden schon beim Dispo, sagt der Sprecher Adib Sisani: „Je nach Kontomodell kann das Konto um bis zu 200 Euro überzogen werden, ohne das Dispozinsen fällig werden.“

Die großen Filialbanken wollen aber an dem Überziehungszins und auch an den hohen Aufschlägen zum Dispo festhalten, wie die Umfrage des Abendblatts zeigt. „Aktuell sehen wir keinen Änderungsbedarf“, sagt Postbank-Sprecher Ralf Palm. Die Geldhäuser verweisen auf einen erhöhten Aufwand, eine andere Risikoeinschätzung und höhere Kosten. „Das spiegelt sich dann in dem höheren Zinssatz wider“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Comdirect argumentiert, dass nur wenige Kunden ihr Konto über das Limit hinaus überziehen. „Die Nutzung liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich“, sagt Banksprecherin Ulrike Hamer. „Wenn der Zinssatz kaum Bedeutung hat, könnte er auch ganz abgeschafft werden“, sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Die Banken verteidigen die hohen Zinsen: „Grundsätzlich sind der Dispositionskredit und die geduldete Überziehung nur für den kurzfristigen Liquiditätsbedarf gedacht“, sagt Palm.

Die Dispozinsen und die Überziehungszinsen sind bei vielen Banken seit Jahren in Stein gemeißelt. Es gibt nur wenige Ausnahmen wie die Hamburger Volksbank, die den Dispozins seit Sommer 2013 von 11,45 auf aktuell 8,95 Prozent gesenkt hat. Zwar müssen die Konditionen seit Juni 2010 an einen Referenzzinssatz gekoppelt sein, doch wenn sich dieser Vergleichszins kaum bewegt, besteht für die Geldinstitute kein Handlungszwang.

Für Verbraucherschützer Nauhauser ist das auch Ausdruck fehlenden Wettbewerbs: „Wer tief im Dispo steckt, kann die Bank kaum wechseln.“ Die HypoVereinsbank hat die Konditionen für den Dispo zum letzten Mal im Dezember 2012 angefasst. Das ist eher die Regel als die Ausnahme. Auch die Sparkasse Holstein senkte den Dispo zum letzten Mal im Sommer 2012, ebenso wie die Hamburger Sparkasse. Viele Geldinstitute haben den Dispo und auch den Überziehungszins an den sogenannten Drei-Monats-Euribor gekoppelt. Das ist ein Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen. Doch seit dem Sommer 2012 hat sich der Drei-Monats-Euribor kaum verändert. Er bewegt sich in einer engen Spanne zwischen 0,20 und 0,30 Prozent. „Wegen der geringfügigen Änderungen waren keine Anpassungen notwendig“, sagt Björn Lüth von der Sparkasse Holstein.

Etwas besser sind die Kunden dran, wenn sich ihr Geldinstitut nach dem Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) richtet. Senkt die EZB den Leitzins, muss auch der Dispo günstiger werden. Das gilt etwa für die Deutsche Bank. „Die Konditionen für Dispo- und Überziehungszinsen wurden am 15. November 2013 nach der letzten EZB-Leitzinssenkung angepasst“, sagt Markus Weik von der Deutschen Bank. Seitdem verlangt die Deutsche Bank 11,90 beziehungsweise 15,90 Prozent.

Die Große Koalition will die Banken künftig verpflichten, den Kunden günstigere Alternativen zum Dispositionskredit anzubieten. Das sind ein Raten- oder ein Abrufkredit. Der Dispo wird dann in einen Ratenkredit umgeschuldet und in monatlichen Raten abbezahlt. Bei einer Laufzeit von drei Jahren liegt der Durchschnittszins laut FMH-Finanzberatung bei 5,62 Prozent. „Damit sind die Konditionen nur halb so hoch wie beim durchschnittlichen Dispozins“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Die Haspa verweist auf einen günstigen Privatkredit, der ab 3,99 Prozent erhältlich sei. „Voraussetzung für eine Entlastung ist aber, dass das Konto anschließend nicht wieder überzogen wird“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Bei einem Abrufkredit – auch Rahmenkredit genannt – handelt es sich um ein Kreditkonto, das der Kunde bis zu einem bestimmten Betrag überziehen kann. Die ING DiBa als einer der günstigsten Anbieter verlangt dafür 6,43 Prozent Zinsen.

Außerdem soll es nach dem Willen der neuen Regierung bereits bei Inanspruchnahme des Dispos auf dem Kontoauszug einen Warnhinweis über die Kosten der Kontoüberziehung geben. Denn nach einer Forsa-Umfrage ist 57 Prozent der Befragten die Höhe des Dispozinses unbekannt.