Amtsinhaber Fritz Horst Melsheimer soll weitermachen. Doch das geht nur mit einer Satzungsänderung. Die Reformer kritisieren das Vorhaben scharf

Hamburg. Die Nachricht kam am Nachmittag, und sie überraschte Hamburgs Wirtschaft und die Politik. In Form einer allgemeinen Pressemitteilung gab die Handelskammer am Donnerstag bekannt, wer Fritz Horst Melsheimer als Präses der Handelskammer nachfolgen soll. Er ist es selbst. Das Präsidium habe sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass Melsheimer für weitere drei Jahre kandidieren soll, teilte die Kammer mit. Damit ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, die in den vergangenen Wochen zu vielen Spekulationen Anlass gab, beendet oder besser aufgeschoben worden. Denn 2017 ist für Melsheimer, der eigentlich schon in diesem Jahr aufhören sollte, definitiv Schluss.

Nach Informationen des Abendblatts sind in den vergangenen Wochen mehrere Vizepräsides für eine Kandidatur in Stellung gebracht worden – die aber alle abgewinkt haben. An erster Stelle stand der Chef des Outdoor-Spezialisten Globetrotter, Andreas Bartmann. Er war bereits im März 2011 als Nachfolger für den in die Politik gewechselten damaligen Kammerpräses Frank Horch ins Spiel gebracht worden. Zuletzt agierte er als Vorsitzender des wichtigen Innenausschusses der Kammer. Dieser Posten gilt als Sprungbrett für höhere Aufgaben. Zudem ist er Vertreter des Einzelhandels. Diese wichtige Branche hat schon lange keinen Kammerpräses mehr gestellt, obgleich sie mit einem jährlichen Umsatz von elf Milliarden Euro einer der bedeutenden Wirtschaftszweige in der Stadt ist. Bartmann hat aber mit seinem Geschäft derzeit alle Hände voll zu tun und hat deshalb abgewinkt. Auch der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg (IVH) und Vorstandschef von Siemens Nord, Michael Westhagemann, wollte die Aufgabe nicht übernehmen. Der Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang schied aus, damit nach Karl-Joachim Dreyer (2002 bis 2008) und Fritz Horst Melsheimer nicht zum dritten Mal in rascher Folge ein Vertreter der Finanzbranche zum Kammerchef gewählt würde. Ein weitere Vizepräses, der Hamburger Software-Unternehmer, Thomas Schünemann, hätte den Posten gerne übernommen. Aber er schied am Freitag vor einer Woche aus dem Kandidatenkreis aus: Er fiel bei den Kammerwahlen durch und wurde nicht ins Plenum gewählt. So blieb schließlich nur Melsheimer selbst.

Damit er überhaupt noch einmal kandidieren kann, muss extra die Satzung der Kammer geändert werden. Diese sieht eine Amtszeit von maximal zwei Legislaturperioden vor. Melsheimer hat das Amt 2011 von Horch nur neun Wochen nach Ablauf von dessen Amtszeit übernommen und ist im selben Jahr für drei reguläre Jahre wiedergewählt worden. Eigentlich wäre für ihn damit Schluss, denn die Satzung erlaubt nur eine einzige Wiederwahl. Wie die Kammer erklärte, schlägt das Präsidium dem Plenum jetzt vor, „Rumpfamtszeiten von weniger als 18 Monaten bei dieser Regelung nicht mitzuzählen“.

Von einer Verlegenheitslösung will die Kammer nichts wissen. Ihr dienstältester Vizepräses, Jens-Peter Breitengroß, der im Übrigen aus dem Präsidium ausscheiden wird, stellte die Lösung positiv dar: „Das Präsidium schätzt außerordentlich die Arbeit von Fritz Horst Melsheimer, der sich kraftvoll für alle Belange der Hamburger Wirtschaft eingesetzt hat“, sagte er laut Erklärung. „Wir möchten seine Erfahrung und sein Engagement weiter nutzen, sowohl angesichts der vielfältigen Aktivitäten der Kammer im Rahmen ihres 350-jährigen Bestehens im Jahr 2015 als auch im Hinblick auf seine Funktion als Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.“ Melsheimer selbst äußerte sich nicht.

Ihm droht möglicherweise ein neuer Konflikt, denn die Gruppe der Kammer-Kritiker vom Bündnis „Die Kammer sind Wir!“, die bei den Kammerwahlen sehr gut abgeschnitten haben, üben scharfe Kritik. Sie fordern Melsheimer auf, seine Kandidatur zu überdenken: „Die Unternehmer unserer Stadt haben bei den Wahlen eine recht eindeutige Entscheidung getroffen: Eine Entscheidung für mehr Transparenz und Reform, sowie für eine moderne und zukunftsorientierte Ausrichtung der Handelskammer. Dass jetzt ein zum Teil abgewähltes Präsidium einen einstimmigen Vorschlag macht, die bisherigen personellen Verhältnisse einfach beizubehalten, obwohl dies geltenden Kammerregeln widerspricht, ist nicht nur Ausdruck einer gewaltigen Ratlosigkeit, sondern zeigt vor allem, dass das Präsidium nicht gewillt ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Chance zur Modernisierung der Kammer zu ergreifen”, sagt Tobias Bergmann, Sprecher des Bündnisses.

Er lehnt Melsheimers Wiederwahl ab: „Fritz Horst Melsheimer steht nicht für einen Neuanfang. Diesen erwarten die Hamburger Unternehmen. Herr Melsheimer ist nicht Mitglied des neuen Plenums, und er kann nach der bestehenden Satzung nicht nominiert werden. Wir raten Herrn Melsheimer dringend, seine Kandidatur zu überdenken”, so Bergmann. Sein Kollege Gregor Hackmack sprach gar von einer „mangelnden demokratischen Kultur“, die in der Hamburger Handelskammer derzeit herrsche. Melsheimer sei nicht zu den Wahlen angetreten und habe keine demokratische Legitimation. Den Plan zur Wiederwahl von Melsheimer werden die Kammer-Rebellen aber nicht aufhalten können. Denn nach den Vorstellungen des aktuellen Präsidiums soll noch das alte Parlament die Satzungsänderung beschließen. Und dort spielen die Reformer des Bündnisses „Die Kammer sind Wir!“ keine Rolle. Die Reaktion der Kammer-Kritiker ist eindeutig: Hierfür fehle dem alten Plenum die Legitimation.