Deutsche geben online fast 50 Milliarden Euro jährlich aus. Der Konkurrenzkampf drückt die Margen immer weiter

Hamburg. Mal eben mit dem Smartphone ein neues Buch oder eine CD bestellen oder vom Sofa aus mit dem Tablet-PC im Modesortiment eines großen Internetanbieters stöbern: Die immer größere Verbreitung mobiler Endgeräte beschert der E-Commerce-Branche in Deutschland einen anhaltenden Boom.

Um satte 41,7 Prozent auf fast 40 Milliarden Euro ist das Onlinegeschäft mit realen Waren im vergangenen Jahr gestiegen, wie der Bundesverband des deutschen Versandhandels (bvh) am Dienstag in Hamburg mitteilte. Rechnet man noch digitale Güter und Dienstleistungen wie Musikdateien oder Konzert- und Kinokarten hinzu, dann gaben die Deutschen 2013 sogar fast 50 Milliarden Euro im Netz aus. Für das laufende Jahr erwartet der Verband nochmals einen Zuwachs von fast 25 Prozent im E-Commerce.

Diese Entwicklung setzt zunehmend auch die klassischen Händler mit ihren traditionellen Ladengeschäften und Warenhäusern unter Druck. Mit einem Anteil von 11,2 Prozent am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz wird mittlerweile mehr als jeder zehnte Artikel im Internet oder im Versandhandel eingekauft.

„Wir stehen mitten in einem Umbruch der gesamten Einzelhandelsbranche“, sagt der Hauptgeschäftsführer des bvh, Christoph Wenk-Fischer. „Es gibt in Deutschland praktisch niemanden mehr, der nicht im Internet bestellt.“

Dabei werden Kleider, Haushaltswaren, Kosmetika oder Spielwaren zunehmend mobil geordert. „Vor allem das junge Zielpublikum ist technisch bestens ausgerüstet und mit leistungsstarken Datenflatrates ausgestattet“, sagt Wenk-Fischer. Das Umsatzvolumen über Smartphones und Tablets hat sich im vergangenen Jahr fast vervierfacht, liegt mit einem Anteil von rund zehn Prozent aber immer noch deutlich hinter dem Anteil, der auf Bestellungen mit dem Schreibtischcomputer entfällt (70 Prozent). Passende Apps des Handels und das schnelle Übertragungsprotokoll LTE sollen in den kommenden Jahren zusätzlichen Schub für das mobile Einkaufen bringen. Andere Ordermöglichkeiten im Versandhandel wie das Telefon, Postkarten oder das Fax spielen eine immer kleinere Rolle oder sind bedeutungslos geworden.

Bei den Waren, die über das Internet bestellt werden, liegen Kleidungsstücke nach wie vor mit weitem Abstand an der Spitze, gefolgt von Büchern, Unterhaltungselektronik, Schuhen, Bild- und Tonträgern, sowie Haushaltswaren und Hobbyartikeln. Deutlich an Bedeutung gewonnen hat der Onlinehandel mit Drogerieartikeln, dessen Umsatzvolumen sich auf mehr als eine Milliarde Euro verdoppelte. Auch das Geschäft mit Lebensmitteln im Internet nimmt nach Jahren der Zurückhaltung und diverser logistischer Probleme langsam Fahrt auf.

Die hohen Wachstumsraten im Versand- und Onlinehandel können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewinne in der Branche durch den zunehmenden Konkurrenzkampf immer mehr unter Druck geraten. „Im Netz findet ein harter Wettbewerb statt, in dem viele Anbieter ihre Claims abstecken und versuchen, andere vom Markt zu verdrängen“, sagt der Präsident des bvh, Thomas Lipke. Die meisten neuen Wettbewerber gingen mit „preisgetriebenen“ und weniger mit „innovativen“ Geschäftsmodellen an den Markt.

Lipke, im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Outdoorhändlers Globetrotter, bekommt diesen Druck derzeit auch in seinem eigenen Unternehmen zu spüren. Aufgrund des harten Konkurrenzkampfes war Globetrotter im vergangenen Jahr gezwungen, rund 100 Stellen im Logistikbereich abzubauen.

Nach wie vor nehmen große Wettbewerber wie Zalando hohe Verluste in Kauf, um ihren Marktanteil und ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. So konnte das Berliner Unternehmen (Werbeslogan „Schrei vor Glück“) für das vergangene Jahr zwar ein beeindruckendes Umsatzplus von 52 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro vermelden, schaffte aber auch nach fünf Jahren noch immer nicht den Sprung in die Gewinnzone. In absoluten Zahlen stieg der Verlust sogar von 83 auf 118 Millionen Euro. Die Geschäftsführer mussten einräumen, dass sich die Marge nicht wie gewünscht entwickelten. Möglich ist die Zalando-Strategie nur, weil Investoren wie die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik oder auch der Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub immer wieder bereit sind, die Verluste auszugleichen. Wie lange dies allerdings noch so weitergehen wird, ist völlig offen.

Vor allem in Hamburg wird die Strategie der Berliner Konkurrenz schon seit Jahren mit großer Skepsis betrachtet, gilt die Hansestadt in der Branche doch als Hochburg der profitablen Onlineunternehmen, die die Rendite vor exorbitant hohe Wachstumsraten stellen. Diese Linie verfolgt etwa der Handelskonzern Otto, der heute schon weit über die Hälfte seiner Erlöse im Netz erwirtschaftet und zudem über den Paketdienst Hermes an vielen E-Commerce-Geschäften der Konkurrenz mitverdient.

Im Augenblick tüfteln die Hamburger in Projekten wie Collins gerade an neuen Konzepten für den Onlinehandel. Eine Truppe um Benjamin Otto, Enkel des Unternehmensgründers Werner Otto, will im Frühjahr mehrere Shops starten, die Mode und Wohnaccessoires für junge Leute anbieten.