Jessica Bartling lenkt Laco, Deutschlands älteste Schlipsmanufaktur. Die Unternehmerin möchte nun nach Asien und Amerika expandieren

Hamburg. Wenn Jessica Bartling im Theater ist oder auf einem Ball, im Flugzeug sitzt oder im Restaurant, guckt sie sich jeden Mann genau an. Ein paar Sekunden reichen meist, dann weiß Jessica Bartling, 47, woran sie ist. Ob es sich bei den Exemplaren um ihre handelt oder nicht. Die Exemplare sind nicht die Männer. Sondern die Krawatten, die sie tragen. Krawatten, die von Jessica Bartling entworfen und in ihrer Firma Laco noch per Hand zugeschnitten und genäht werden. Es ist eine der letzten Krawattenmanufakturen in Deutschland und mit 176 Jahren die älteste weltweit. Seit dem 1. Januar ist Jessica Bartling alleinige Inhaberin des Traditionshauses, das 1838 in Hamburg gegründet und 1982 von ihrem Vater übernommen wurde.

Es ist ein schweres Erbe, das Jessica Bartling antritt. Die Krawattenindustrie befindet sich im Wandel, die Mode im Umbruch. „Früher trug jeder Mann jeden Tag Krawatte, wenn er nicht an der Werkbank stand“, sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer Deutsches Mode-Institut e. V. Heute werde die Krawatte zwar bewusster, aber selektiv getragen. „War sie früher ein Muss, so ist sie heute ein Kann“, so der Experte. Das größte Problem für die Branche sei jedoch die Globalisierung. Die Zahl der in Deutschland produzierten Krawatten nimmt ab, der Preisdruck durch importierte Waren zu. Eine Krawatte von Laco kostet rund 79 Euro, ein Modell aus Asien oft nur ein paar Euro. „Da können und wollen wir nicht mithalten“, sagt Jessica Bartling entschieden. „Laco-Krawatten stehen für höchste Qualität, und die gibt es nicht zum Discountpreis“, ergänzt sie. Das fängt bei den Stoffen an, die nach den individuellen Vorgaben von Jessica Bartling in Italien gedruckt und gewebt werden, und hört bei den exklusiven Einlagen aus Wolle und Baumwolle auf, die für eine Laco-Krawatte verwendet werden. „Eine einzige Einlage von uns kostet fast so viel wie eine ganze Krawatte aus China“, sagt Jessica Bartling. Sie ist seit 20 Jahren bei Laco und eine sogenannte Cravatière. Dabei seien Krawatten früher gar nicht so ihr „Ding“ gewesen.

Erst als sie nach ihrem Designstudium bei einer Modedesignerin in New York arbeitete, die auch Krawatten entwarf, habe sie ihre Begeisterung für das Metier entdeckt – vor allem für die Stoffe. Für die Seide. Italienische Seide, die „schillert“ und „schimmert“. Und die eine Seele habe, wie sie es nennt.

Sie weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst bei italienischen Seidenwebern und -druckern hospitiert und ist mehrmals pro Jahr bei den Musterherstellern vor Ort. Rund 400 Designs werden von ihr jährlich kreiert, mehr als 8000 waren es insgesamt. Doch sie kann sich an jedes einzelne erinnern. „Das ist meine Leidenschaft, meine Herzensangelegenheit, mein Ding“, sagt sie. Außer Krawatten entwirft sie auch Schleifen, Schals, Einstecktücher und Kummerbunde aus Seide. Rund 180.000 sind es pro Jahr, die von den 17 Mitarbeitern von Laco in der Stahltwiete in Bahrenfeld hergestellt und vertrieben werden. Rund 80 Prozent gehen an Herrenausstatter, der Rest an Großkunden wie Lufthansa und Hapag-Lloyd. Sogar die Besatzung des „Traumschiffs“ trägt Krawatten von ihr.

Hört sich gut an, reicht aber nicht. Das weiß Jessica Bartling. Sie ist nicht nur Designerin, sondern auch Kauffrau und kennt die Zahlen. „Ich bin realistisch und kenne den Markt“, sagt sie. Drei Millionen Euro Jahresumsatz macht Laco derzeit. Da der Markt hierzulande aber nicht größer werde, will Jessica Bartling noch stärker expandieren und die Marke Laco im Ausland festigen. Ihr Ziel: ein japanisches Kaufhaus als Kunden gewinnen. Erste Gespräche laufen bereits.

„Das Interesse ist groß. Produkte made in Germany genießen bei den traditionsbewussten Japanern hohes Ansehen“, so die Laco-Chefin, die sich für dieses Jahr aber noch mehr vorgenommen hat und ihre Produkte auf einer Messe in New York präsentieren will. Ihr größter Traum: eine ihrer Krawatten bei der Oscar-Verleihung entdecken. Erkennen würde Jessica Bartling sie auf jeden Fall sofort.