Hamburg Port Authority soll Ausgaben und Einnahmen der vergangenen Jahre offenlegen. Brüssel wittert Verstoß gegen europäisches Beihilferecht

Hamburg. Am Anfang liest sich das Schreiben der EU-Kommission freundlich: Sie bedankt sich bei der Bundesregierung für die Antwort auf einen Fragebogen und bittet sie auf einige ergänzende Fragen einzugehen. Doch dann geht es ans Eingemachte. Auf den folgenden drei Seiten verlangt die Generaldirektion Wettbewerb detaillierte Auskünfte über Einnahmen der Hamburger Hafenbehörde HPA aus Hafengeldern und Pachtverträgen.

Des weiteren sollen die beiden jüngsten Steuererklärungen einschließlich aller Anlagen, die dazugehörigen Steuerbescheide für die HPA, sowie eine genauere Aufschlüsselung der Gewinn- und Verlustrechnung nach Brüssel übersandt werden. Und zwar für die Jahre 2005 bis 2013. Da die HPA zudem eigene Verluste durch finanzielle Hilfe von der Stadt decken kann, will die EU vom Senat wissen, ob diese Praxis mit dem Beihilferecht vereinbar ist.

Das Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, endet mit einer unverhohlenen Drohung: Sollte die Kommission keine ausreichenden Informationen erhalten, könnte sie sich gezwungen sehen, „eine Auskunftserteilung anzuordnen“. Und wenn dann noch immer nicht alle Fragen beantwortet seien, müsse möglicherweise ein formales Prüfverfahren eingeleitet werden, schreibt die zuständige Leiterin für steuerliche Beihilfen. Der Fall ist klar: Die EU-Ermittler wollen klären, ob Hamburg gegen das gültige Beihilferecht verstößt.

Ministeriumsvertreter beraten mit Hamburger Beamten in Berlin

In der zuständigen Wirtschaftsbehörde gibt man sich unbeeindruckt: „Es handelt sich um eine formale Anfrage der EU an alle deutschen Seehäfen bezüglich der steuerlichen Behandlung“, sagte Behördensprecherin Susanne Meinecke. „Die HPA hat zur Beantwortung der Fragen die Finanzbehörde gebeten, für diesen Fall das Steuergeheimnis aufzuheben.“ Ganz so entspannt sieht man das Thema aber offenbar doch nicht. Immerhin sind in der vergangenen Woche Vertreter der Stadt, der HPA, des Bundesverkehrsministeriums sowie des Bundesfinanzministeriums in Berlin zusammengekommen, um das weitere Vorgehen gegenüber der EU zu beraten. Zumal das Interesse nicht aus heiterem Himmel kommt. Brüssel dringt seit Monaten darauf, dass die europäischen Hafenverwaltungen ihre Geschäftsmodelle transparenter gestalten. Die EU-Kommission verfolgt damit das Ziel, die Häfen für den Wettbewerb zu öffnen, und mehreren Anbietern den Marktzugang zu erleichtern. Doch eine entsprechende Verordnung hat der Bundesrat auf Betreiben Hamburgs im September des vergangenen Jahres abgelehnt.

Die Kommission lässt aber nicht locker. Sie greift jetzt zum Steuerrecht, um die Häfen zu mehr Transparenz zu zwingen. Denn in dem Schreiben wird neben der HPA auch der Hafen von Bremen hart angegangen. Auf dem Papier ist die Sache einfach: Als Anstalt des öffentlichen Rechts ist die HPA für alle hoheitlichen Aufgaben, die sie erfüllt, von Körperschafts- und Gewerbesteuern befreit. Und solche Aufgaben hat die Hafenverwaltung mannigfach: Sie hält Straßen, Brücken und Kaianlagen in Ordnung und regelt den gesamten Hafenbetrieb. Das Problem ist bloß, dass die Tätigkeit der HPA damit nicht endet. Denn sie übernimmt ebenso Aufgaben, die auch von einem privaten Wirtschaftsunternehmen ausgeübt werden könnten. Und genau dafür müsste sie eigentlich Steuern bezahlen. Das tut sie aber nicht, wie eine Sprecherin am Mittwoch bestätigte: „Die HPA zahlt Grundsteuern für Grundstücke, aber keine Ertragssteuern.“

Zwei jüngere Beispiele verdeutlichen die Problematik: Die Wirtschaftsbehörde hat die HPA angewiesen, eine Betriebsgesellschaft für das Management der Kreuzfahrtterminals in der Stadt aufzubauen. Diese Aufgabe könnte auch privatwirtschaftlich organisiert werden. Bislang war dies auch der Fall: Die börsennotierte Hafengesellschaft HHLA und der Kreuzfahrtbetreiber Aida hatten den Job übernommen. Für Schlagzeilen sorgte Anfang Januar zudem der Abriss eines alten Fabrikgebäudes auf der Peute. Die Immobilie gehört zwar in den Verwaltungsbereich der HPA. Diese möchte an der Stelle aber ein Logistikzentrum errichten, das sie dann vermietet – auch das könnte ein Privatunternehmen übernehmen.

Diese Ambivalenz der Geschäfte der HPA ist nicht neu, sondern bereits in der Struktur des Unternehmens angelegt. Als der Geschäftsführer und neuerdings auch Aufsichtsratschef des HSV, Jens Meier, 2008 die Führung übernahm, geschah dies unter der Maßgabe, aus einer bürokratischen und wenig kundenfreundlichen Behörde ein modernes effizientes Dienstleistungsunternehmen zu machen. Zudem war die Vorgabe, dass sich die HPA so schnell wie möglich finanziell auf eigene Beine stellt, damit sie vom Tropf des städtischen Haushalts genommen werden kann. Es war nur folgerichtig, dass Meier nach Geschäftsfeldern suchte, mit denen die HPA Geld verdienen konnte. Steuerrechtlich könnte der Hafenverwaltung das jetzt auf die Füße fallen. Zumal die finanzielle Abhängigkeit von der Stadt noch erheblich ist. Allein im Jahr 2012 verzeichnete die HPA einen Bilanzverlust von 26 Millionen Euro. Da die Stadt dafür aufkommt, wittert die EU nun Wettbewerbsverzerrung.

Das Bundesverkehrsministerium bestätigte dem Abendblatt den Vorgang: „Die Bundesregierung wird das Auskunftsersuchen der EU-Kommission mit der gebotenen Sorgfalt zeitnah beantworten“, teilte eine Sprecherin mit.