„Familienbetriebe haben keine Chance“: Mieten seit 2004 um bis zu 700 Prozent gestiegen

Hamburg. Haben die mittelständischen Geschäfte in der Hamburger Innenstadt keine Zukunft? Für immer mehr Ladeninhaber ist die City-Lage inzwischen unbezahlbar geworden, allein am Neuen Wall sind die Mieten in den vergangenen zehn Jahren um 600 bis 700 Prozent gestiegen. „Jeder normal wirtschaftende, vernünftig denkende Unternehmer hat Grenzen bei den Mieten“, sagt Wilko Schwitters, Inhaber des Möbelhauses Bornhold am Neuen Wall. Die Schmerzgrenze werde inzwischen häufig überschritten. „Familienbetriebe haben keine Chance mehr, Flächen in den teuren Lagen der City zu mieten“, sagt der Kaufmann, der in seiner Nachbarschaft ein Aussterben von Mittelständlern beobachtet.

Kapitalstarke Marken wie Chanel und Louis Vuitton, die hier ihre Einkaufspaläste eröffnen, treiben im Schulterschluss mit Finanzinvestoren die Preise für Immobilien am und rund um den Neuen Wall in immer höhere Sphären. Viele Luxusmarken betrachten ihre Shops in der Hansestadt als Imageträger und decken die Mietkosten aus dem Marketingbudget.

Läden mit hanseatischen Wurzeln wie Porzellan Weitz, das Wäschehaus Möhring und Schacht & Westerich haben in der Gegend dagegen Seltenheitswert. Wenig Tradition, kaum Zukunft: Gründer im Handel beißen wegen der schlechten Aussichten in der Branche bei den Banken auf Granit. Außer dem Feinkosthaus Mutterland hat in der City zuletzt kaum eine Laden-Neugründung überleben können.

Thomas Rasehorn, Inhaber des Schreibwarengeschäfts Schacht & Westerich, redet Klartext: „Für einen 100-Quadratmeter-Laden an den Großen Bleichen sind 20.000 Euro im Monat keine Seltenheit.“ Selbst aus den Reihen derjenigen, die mit den Häusern in der Innenstadt Geld verdienen, kommt mittlerweile Widerstand gegen diese Entwicklung.

„Es ist kurzsichtig, die Mieten immer weiter nach oben zu schrauben“, warnt etwa Heiko Peters, der im Quartier an den Großen Bleichen mehrere Immobilien besitzt und zu den wenigen Investoren gehört, welche die gegenwärtige Aufwärtsspirale bei den Mieten in der Hamburger Innenstadt nicht mitmachen. „Letztlich werden die hohen Mieten dann auf die Preise aufgeschlagen, und das verschreckt die Kunden“, sagt Peters.

Aufgegeben wegen hoher Mieten am Neuen Wall haben zuletzt die Krawatterie, das Modelabel Joop! und die Schuhkette Görtz. Auch die Einrichtungshäuser Bornhold und Habitat hadern mit den Kosten an der Edelmeile. Bornhold-Inhaber Wilko Schwitters denkt angesichts der anstehenden Mietverhandlungen daran, seine Fläche am Neuen Wall von derzeit 2000 Quadratmetern auf die Hälfte zu reduzieren. Bei Habitat steht sogar die Zukunft des Standortes auf dem Spiel, wenn die Miete bei den Verhandlungen in diesen Tagen noch einmal steigen sollte, erfuhr das Abendblatt aus Branchenkreisen.

Selbst die Aufwertung des Neuen Walls mit breiteren Bürgersteigen hat nicht nur Befürworter: Das Projekt des sogenannten Business Improvement Districts hat etliche Parkplätze gekostet und damit viele Kunden aus der City vertrieben, kritisiert Fritz Ahrens, Inhaber des Ledergeschäfts Pyrate Style in der Galleria. „Die Laufkundschaft hat sich halbiert.“