Stefan F. Heidenreich soll bis 2019 bleiben. Umsatz und Gewinn sind unter der Leitung des Managers gestiegen

Hamburg. Der Mann gleicht einem Phantom. Anders als seine Vorgänger lässt er sich kaum auf einer Veranstaltung von hanseatischen Unternehmern sehen. Statt nach Mitgliedschaften in vornehmen Clubs zu gieren, richtet er seinen Blick konsequent auf das aus, wozu er in die Hansestadt geholt wurde. Stefan F. Heidenreich ist Anfang 2012 angetreten, um dem Nivea-Hersteller Beiersdorf wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Im April 2012 wurde er Chef. Wenn Heidenreich nicht gerade eine Beiersdorf-Niederlassung im Ausland besucht, sitzt er am Schreibtisch in Hamburg. Zielbewusst, wie er es auch schon als Vize-Europameister beim Windsurfen war, analysiert er die Schwächen des Unternehmens, merzt sie aus, indem er etwa Veränderungen im Marketing vornimmt und Mitarbeiter versetzt oder auf neue Strategien einschwört. Seine Strategie „Blue Agenda“ hört sich zwar etwas künstlich gestrickt an, aber bislang hat ihm der Erfolg recht gegeben. In den ersten drei Quartalen 2013 stieg die Umsatzrendite auf 9,3 Prozent. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 7,8 Prozent.

Als Belohnung verlängerte die Eigentümerfamilie Herz, der auch Tchibo gehört, am Donnerstag Heidenreichs Vertrag überraschend ein Jahr früher als geplant bis 2019. Ein Dankeschön für ein gutes Jahr 2013: Der Umsatz stieg nach vorläufigen Zahlen um 1,7 Prozent auf 6,141 Millionen Euro. Ohne Wechselkurseffekte wäre es sogar ein Plus von 7,2 Prozent gewesen. Auch der Gewinn, der bis Ende September noch bei 650 Millionen Euro lag, ist dank Nivea, Labello, 8x4, der Tochter Tesa und anderen Produkten weiter gestiegen. Doch damit gibt sich Heidenreich nicht zufrieden. „Unsere Vision ist es, die Nummer eins in der Hautpflege in unseren relevanten Märkten und Kategorien zu sein. Und wir sind im Gange“, sagt er. Mit eigenen Forschungszentren in China und Südamerika wollen sich die Hamburger nun stärker den Bedürfnissen der Kundschaft in diesen Ländern nähern, in denen die Nachfrage nach Kosmetika stark wächst. Zugleich führt Heidenreich Beiersdorf stärker zu seinen historischen Wurzeln zurück, der blauen Dose mit dem Schriftzug Nivea. Davor hatte eine Vielzahl von Verpackungen und Schriftzügen Nivea nach einer Konzernanalyse für viele Verbraucher als Marke unter vielen erscheinen lassen. Heidenreich setzt nun auf mehr Beständigkeit.

Der Manager hat die Schlagzahl im Konzern erhöht. Beiersdorf steht wieder so glänzend da wie vor zehn Jahren – und das ist ein gutes Zeichen für das Unternehmen. Heidenreich ist ein Anhänger des klaren Wortes. „Ich mache eindeutige Ansagen, dann wissen die Mitarbeiter wenigstens, was ich von ihnen verlange“, sagt der kantig wirkende Mann mit dem kurz geschorenen Haar. Mit Sätzen wie „Die Beständigkeit der Markenführung war nicht gegeben“ und „Bei Innovationen sind wir mittelmäßig“ führte er sich nach der Hauptversammlung im Jahr 2012 bei den Mitarbeitern des Nivea-Herstellers ein. Am deutlichsten fiel sein Urteil über den US-Popstar Rihanna aus. Die Sängerin, die sein Vorgänger Thomas-Bernd Quaas 2011 anheuerte für die 100-Jahre-Nivea-Kampagne sei ein No-Go für die Creme mit dem blau-weißen Logo.

Veränderungen im Konzern spürten auch seine Managementkollegen. Kurz nachdem der neue Chef Vorstandsvorsitzender geworden war, trennte sich Beiersdorf im „freundschaftlichen Einvernehmen“ von Vorstand Peter Feld, der für das wichtige Geschäft in Europa und Nordamerika zuständig war. Auch die Vorstände für China und die Türkei durften ihren Hut nehmen. Ehemalige Kollegen beschreiben Heidenreich als angriffslustig, risikofreudig, lebhaft, ja sogar manchmal ein bisschen aggressiv. Was er sich in den Kopf setzt, will er unbedingt erreichen, sagen Wettbewerber von Beiersdorf. Dafür nimmt er auch in Kauf, jeden Morgen um spätestens sechs Uhr in seinem Büro zu sein und dort bis zum späten Abend zu bleiben. Der Mann ist ein Workaholic.

Der vierfache Familienvater braucht offenbar kaum Schlaf. Bevor Heidenreich sich morgens von seinem Domizil in Alsternähe in Richtung Beiersdorf aufmacht, ist er an Hamburgs berühmten Stadtsee bereits gejoggt. Heidenreich kennt sich mit Familienfirmen aus. Beiersdorf-Aktionär Michael Herz hat den asketischen Manager bewusst aus der Schweiz geholt, wo er zehn Jahre lang für den Unternehmer Arend Oetker an der Spitze des Marmeladen- und Babynahrungkonzerns Hero stand. Zu Hero gehören auch die Schwartauer Werke in Bad Schwartau. In der Schweiz hat er das Unternehmen durch Zukäufe vergrößert. Es sind Familienkonzerne wie die Henkels, Oetkers, Mohns oder die Familie Herz, also die Architekten weltbekannter Marken, für die Heidenreich Sympathie empfindet. Er habe großen Respekt davor, wie die Familie und ihre Manager Nivea zur weltweit größten Hautpflegemarke entwickelt hätten, sagt er. Über seine frühen Begegnungen mit der blauen Ikone erzählt er: „Das sind die großen Nivea-Ballons der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft an den Stränden, die blauen Nivea-Wasserbälle und natürlich die klassische Cremedose.“

Sein unternehmerisches Handeln gleicht seiner sportlichen Leidenschaft. „Jeder, der Leistungssport betreibt, muss an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gehen, muss sich auch quälen, lange Wege gehen, sich immer wieder motivieren können“, sagte Heidenreich in einem seiner seltenen Interviews der „Handelszeitung“. Und: Es sei nicht immer alles positiv, man müsse auch Niederlagen einstecken können. Bei Beiersdorf hat der Fan der US-Band Linkin Park bislang nur Erfolge verbucht. Nur einmal gab es Verwunderung auf der Hauptversammlung. Heidenreichs Frau Ellen-Brigitta hatte im April 2012 überraschend an der Börse Beiersdorf-Aktien im Wert von fast fünf Millionen Euro gekauft. Pro Stück bezahlte sie gut 48 Euro. Damals war ihr Mann zwar schon im Beiersdorf-Vorstand, aber noch nicht der Vorsitzende. Frau Heidenreich hatte einen guten Riecher gehabt. Im Februar 2013 konnte sie das Paket für 6,8 Millionen Euro oder gut 65 Euro pro Aktie wieder verkaufen.