Hapag-Lloyd will mit der chilenischen Reederei CSAV fusionieren. Schifffahrtsexperten sehen in der sich anbahnenden größten Reedereifusion seit Jahren Kostenvorteile und Wachstum.

Hamburg. Wer aus dem Hause Hapag-Lloyd Informationen über die anstehende Fusion mit der chilenischen Reederei CSAV haben möchte, beißt auf Granit: Man sei in Gesprächen, heißt es vom Ballindamm. Darüber hinaus gebe es nichts zu verkünden. Hinter den Kulissen laufen die Gespräche aber mit Hochdruck. Wie berichtet, könnte die Entscheidung bereits in den kommenden Tagen fallen. Für Schifffahrtsexperten ist die sich anbahnende größte Reedereifusion seit Jahren eine Überraschung, allerdings nur auf den ersten Blick. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, was Hapag-Lloyd mit dem Zusammenschluss bezweckt.

„Hapag-Lloyd würde sich mit der Fusion einen Markt erschließen, der bisher von der Reederei nur relativ schwach, mit etwa zehn Prozent seiner Transportkapazitäten, bedient wurde. Das Unternehmen ist vor allem auf der Ost-West-Achse zwischen Asien und Europa sowie Europa und Nordamerika unterwegs“, sagt Thomas Wybierek, Schifffahrtsanalyst der NordLB. Die Ankündigung der Fusionsgespräche und der vorangeschrittene Stand der Verhandlungen mit CSAV habe ihn überrascht, sagt er. Ein Ausbau des Südamerikahandels macht für Hapag-Lloyd auch deshalb Sinn, weil der Druck auf den klassischen Fahrtrouten zwischen Asien und Europa weiter zunehmen werde, etwa durch den geplanten Zusammenschluss der drei größten Reedereien der Welt, Maersk, MSC und CMA CGM zur Allianz P3.

Zwar befindet sich auch Hapag-Lloyd in einer starken Allianz. Durch den Zusammenschluss mit APL, Hyundai Merchant Marine, Mitsui O.S.K. Lines, Nippon Yusen Kaisha sowie Orient Overseas Container Line zur sogenannten G6 hat sich das Hamburger Unternehmen eine starke Stellung im Handel zwischen Fernost und Europa sowie Nordamerika verschafft. Richtung Süden ist das Transportvolumen der Hamburger Traditionsreederei mit Hauptsitz am Ballindamm aber ausbaufähig. Auf der Ost-West-Achse dominieren die großen Reedereiallianzen, auf der Nord-Süd-Achse gibt es diese nicht, sondern andere Verbindungen – und vor allem viele Einzelkämpfer.

Und die erwarten gute Geschäfte: „Obgleich sich das Wachstum in Brasilien abgeschwächt hat, handelt es sich immer noch um Märkte mit großem Potenzial“, sagt Michael Bräuninger, Forschungsdirektor des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). „Die Produktivitätszahlen von Uruguay und Chile sind höher als die der Schwellenländer Osteuropas.“ Vieles wird dort per Schiff transportiert.

Doch der südamerikanische Markt ist sehr speziell. Um dort einen Fuß in die Tür zu bekommen, braucht man Erfahrung und Verbündete. Freilich haben im Lateinamerikaverkehr die großen Schifffahrtshäuser Maersk und MSC einen hohen Marktanteil. Die Nase vorn haben aber zwei andere Unternehmen: die Reederei des Oetker-Konzerns Hamburg Süd und das chilenische Transportunternehmen Compania Sud Americana de Vapores (CSAV). Nachdem im Frühjahr 2013 die Bemühungen von Hapag-Lloyd um eine Fusion mit Hamburg Süd gescheitert sind, ist nun CSAV Wunschpartner von Deutschlands größter Reederei. So breit die Hapag-Lloyd AG aufgestellt ist, im Südamerikahandel wird ihr Transportvolumen von Branchendiensten auf nur sieben Prozent geschätzt. Zusammen mit CSAV könnten sie dieses auf 17 Prozent bis 20 Prozent steigern, und damit wäre Hapag-Lloyd auf Augenhöhe mit Maersk. „Zudem ergänzen sich die Liniennetze der beiden Unternehmen gut“, sagt Claudia Bosse vom Hamburger Fraunhofer Center für maritime Logistik. Noch lohnender wird die Fusion angesichts der Entwicklung des Handelsvolumens zwischen der Westküste Südamerikas und Asien.

Hier hat CSAV einen Anteil von zwölf, Hamburg Süd sogar von 16 Prozent. Hapag-Lloyd mischt hier nur marginal mit. Dabei spielt vor allem an der Westküste Südamerikas wirtschaftlich die Musik, so der Hamburger Lateinamerika Verein. „Wir sprechen vom Lateinamerika der zwei Geschwindigkeiten“, sagt Hauptgeschäftsführer Christoph Schmitt. „Mit der Pazifikallianz hat sich eine starke Wirtschaftsvereinigung der aufstrebenden Länder Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile gebildet, die sich dem freien Handel verschrieben haben, und massiv in Richtung Asien tendieren“, so Schmitt. Nach einer Berechnung der Inter-American Development Bank hat sich das Handelsvolumen zwischen Lateinamerika und Asien in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. In diesem transpazifischen System sei CSAV als führendes Schifffahrtsunternehmen hervorragend aufgestellt, sagt Schmitt. Das mache die Reederei für andere als Partner interessant. Und noch etwas dürfte Hapag-Lloyd interessieren: CSAV hat einen hohen Anteil an Schiffen für den Transport von Kühlcontainern. „Das hängt natürlich mit den Produkten zusammen“, so Schmitt.

Chiles zweitgrößtes Exportvolumen nach Kupfer seien Agrarprodukte wie Fleisch und Früchte, die alle gekühlt transportiert werden müssen. Für den Transport von Kühlcontainern sind die Raten aber wesentlich höher als für herkömmliche Container. Davon könnte Hapag-Lloyd stark profitieren, denn die Hamburger haben auf ihren Schiffen kaum Plätze für Kühlcontainer.