Autozulieferer soll an amerikanischen Konzern Federal-Mogul gehen. Mitarbeiter befürchten Arbeitsplatzabbau und Lohndrückerei

Glinde. Die rund 950 Mitarbeiter hat es kalt erwischt. In einem Schreiben des Glinder Bremsbelag-Herstellers Honeywell Friction wurden sie informiert, dass ihr Unternehmen an den US-Konzern Federal-Mogul verkauft werden soll. Neben dem Glinder Werk sollen auch zwei erst kürzlich errichtete Produktionsstätten in China und Rumänien von dem US-Autozulieferer übernommen werden. Insgesamt sind somit rund 2200 Mitarbeiter betroffen. Die Übernahme soll voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2014 abgeschlossen sein.

„Dieser Zukauf unterstützt die langfristige Strategie von Federal-Mogul, seine Kernproduktlinien zu stärken“, sagte Carl C. Icahn, Aufsichtsratsvorsitzender von Federal-Mogul. „Zu diesen Kernbereichen zählt auch das weltweite Bremsenportfolio für Kunden aus Erstausrüster- und Ersatzteilgeschäft. Die Übernahme wird erhebliche Synergieeffekte und damit einen großen Mehrwert für alle Beteiligten bringen.“

„Natürlich ist die Belegschaft über diese Entwicklung beunruhigt, zumal der mögliche neue Eigentümer bereits von Synergieeffekten spricht“, sagt Michael Petersen, Betriebsratschef des Glinder Werks. Er will um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

„Ich bin um die 50 und fürchte, dass ich nach dem Verkauf von Honeywell gekündigt werde“, meinte eine Mitarbeiterin des Unternehmens. „Mit den rumänischen Löhnen können wir hier in Deutschland nicht mithalten.“ Ein anderer Mitarbeiter hat nun Angst, dass er möglicherweise vom Federal-Mogul innerhalb Deutschlands versetzt werden könnte. „Ich habe Kinder, die hier in Glinde zur Schule gehen.“

Er hofft nun auf das Bundeskartellamt. „Hoffentlich untersagt die Behörde die Übernahme. Schließlich handelt es sich um zwei große, weltweit tätige Konzerne, die beide Bremsbeläge herstellen und eine Marktmacht haben“, sagt der Mitarbeiter. Schon vor der Bekanntgabe des geplanten Verkaufs waren viele Beschäftigte beunruhigt, weil Honeywell das neue Werk im kostengünstigeren Land Rumänien gebaut hatte. Dort wurde kräftig investiert, was dazu führte, dass man in Glinde fürchtete, dass dort die Lichter ausgehen. „Im Werk in Rumänien verfügt man natürlich über eine neuere Technologie als hier“, so Petersen. „Die Sorge war, dass nun das Glinder Werk vernachlässigt wird“, erinnert sich der Betriebsratschef.

„Auch in der Vergangenheit hat die Belegschaft des Glinder Betriebs ihre Interessen nachhaltig vertreten. Zuletzt wurde im Jahr 2013 bei einer Auseinandersetzung um verschlechterte Arbeitszeitmodelle für Schichtarbeiter im und vor dem Werk demonstriert“, so Petersen. „Wenn es mit dem neuen Eigentümer in der mittleren Zukunftssicht um den Abbau von Arbeitsplätzen gehen sollte, ist nicht zu erwarten, dass die Beschäftigten dies klaglos hinnehmen“, sagt der Betriebsratschef.

Auf den ersten Blick sah es zumindest in den vergangenen zwei Jahren nicht danach aus, dass Honeywell sein Glinder Werk vernachlässigt. Immerhin wurden in diesem Zeitraum von Honeywell rund 15 Millionen Euro in die Produktion in Glinde investiert. Aus heutiger Sicht allerdings kann man vermuten, dass die Amerikaner die „Braut“ damit nur noch hübscher machen wollten. Das Abendblatt wurde am Donnerstag bei einem Anruf von der Honeywell-Zentrale nicht zu Firmenchef Jörg Ennen durchgeleitet.

Federal-Mogul war übrigens schon im Jahr 2003 einmal an der Bremsbelag-Sparte des amerikanischen Konzerns interessiert, der als Rüstungsunternehmen unter anderem die Splitterbomben baute, die im Vietnamkrieg verwendet wurden. Doch die beiden Konzerne kamen damals nicht zusammen. Federal-Mogul musste sich in den Vereinigten Staaten unter Gläubigerschutz stellen lassen, weil es hohe Haftungsansprüche wegen des Asbests gab, das bei der Bremsenproduktion anfiel. Die gleichen Probleme hatte Honeywell mit seinem Tochterunternehmen für Bremsbeläge. Es ging um Klagen in Milliardenhöhe. Doch das Kapitel ist längst abgearbeitet. Federal-Mogul, mit weltweit rund 44.000 Mitarbeitern, ist inzwischen wirtschaftlich offensichtlich kerngesund.

Mit Honeywell in Glinde trifft der Verkauf ein urdeutsches Unternehmen mit einer wechselhaften Geschichte. Bereits 1912 in Dresden gegründet, wurden schon 1920 unter dem Namen Jurid Reifenmaterialien für Bremsbeläge hergestellt. 1956 wurde der Firmensitz nach Glinde verlagert. 1976 wurde der Hersteller vom US-Konzern Bendix übernommen. Nach weiteren Übernahmen stieg im Jahr 2000 Honeywell bei dem Zulieferer für die Autoindustrie aus dem Kreis Stormarn ein.

Im Moment können die Honeywell-Beschäftigten nur abwarten. Laut Federal-Mogul wird der geplante Zusammenschluss voraussichtlich bis zur zweiten Jahreshälfte 2014 abgeschlossen sein.