Klaus-Peter Schulenberg ist mit CTS Eventim einer der weltweit größten Tickethändler. Auch für die Olympischen Spiele in Sotschi wurde er engagiert

Hamburg. Der Mann steht voll im Stoff. Das Metallica-Konzert, das im Sommer 2014 in Hamburg steigt? 40.000 Tickets in sechs Minuten verkauft. 5000 weitere Konzerte veranstalten seine Unternehmen pro Jahr, 140 Millionen Eintrittskarten hat er insgesamt schon an den Fan gebracht. Zahlen sind sein Metier, es geht fast immer um den ganz großen Einsatz. Erst als das Gespräch in der Hamburger Dependance des riesigen Tickethändlers CTS Eventim auf die Forbes-Liste kommt, auf der er sich im vergangenen Jahr in die Riege der Dollar-Milliardäre einreihte, wird der 62-Jährige wortkarg. „Ach das“, sagt er. „Uninteressant.“

Unter den großen Hamburger Unternehmern gehört Klaus-Peter Schulenberg zu den Unbekannten, was sicherlich zum einen daran liegt, dass er gerade erst von Bremen an die Elbe wechselt. Unternehmungen seiner großen Gruppe gibt es hier zwar schon lange, aber der familiäre Schwerpunkt – und auch ein guter Teil der Firmen – war doch in der kleineren Hansestadt angesiedelt. Letzteres bleibt auch so, aber die privaten Strukturen haben sich nach und nach nordwärts verlagert. Zum anderen pflegt Schulenberg so gut wie keine Medienkontakte, obwohl in seinem Portfolio über viele Jahre auch Anzeigenzeitungen in Bremen und anderen Städten waren. Seine Produkte – vor allem Tickets und Konzerte – brauchen zwar die größtmögliche Öffentlichkeit, er selbst aber nicht.

Schulenberg besitzt gut die Hälfte von Eventim, der Rest ist breit gestreut, das Unternehmen ist seit Jahren ein Börsenliebling. Es verkauft Eintrittskarten fast aller Veranstalter, es betreibt aber auch eigene Veranstaltungsorte wie etwa die Berliner Waldbühne und organisiert über die eigene Konzertagentur KPS – die Keimzelle in Bremen –, aber vor allem über die zugekauften Töchter Marek Lieberberg und Semmel Concerts Veranstaltungen auf fast allen Bühnen in Europa, aber auch auf anderen Kontinenten. Es gibt wohl kaum einen Deutschen, der noch nie mit den Dienstleistungen und Produkten Schulenbergs in Berührung gekommen ist.

Und das gilt gerade für jene, die einst die heiß begehrten Tickets der Fußball-WM 2006 erstanden, auch sie wurden über Eventim vertrieben. Das war der Lackmustest für das Unternehmen, das seitdem bei vielen Sportgroßveranstaltungen die Organisation des Ticketverkaufs übernimmt. Auch in rund eineinhalb Wochen, wenn in Sotschi die Olympischen Winterspiele starten, ist jede Eintrittskarte über Eventim verkauft worden. Dass sein Unternehmen den Zuschlag für den Deal erhielt, ist für Schulenberg das Ergebnis harter und seriöser Arbeit. „Das hat uns auch in Russland zum Marktführer gemacht“, sagt er. Erstklassige Qualität in der Hard- und Software, engagierte Dienstleistung und intensive Gespräche auf höchster Ebene – dies alles habe den Coup gesichert. Auf die Frage, wie reibungslos es denn nun in Russland laufe, man höre ja so viel vom Planungschaos, gibt es allerdings nur ein mildes Lächeln. Die Arenen werden voll sein, heißt es nur. Schließlich sollen die Geschäfte unter den fünf Ringen ja weitergehen, die Verhandlungen in Brasilien für die Olympischen Sommerspiele 2016 laufen schon.

An diese Dimensionen dürfte Klaus-Peter Schulenberg kaum geglaubt haben, als er in den 1970er-Jahren nach einem BWL- und Jurastudium in die Branche einstieg und den „Jungen mit der Mundharmonika“, Bernd Clüver, auf die Bühne brachte. 1974 folgte die erste eigene Konzertagentur, 1977 traten dann schon die Rolling Stones bei ihm auf. Die Erlöse investierte er in das Knüpfen von Wertschöpfungsketten, auch wenn es dieses Wort damals noch gar nicht gab. Seine Anzeigenzeitungen kündigten die eigenen Konzerte an, die Kenntnisse aus dem Ticketvertrieb wurden auch als Dienstleistung für andere angeboten, später kamen die eigenen Hallen und die Einlasskontrollsysteme hinzu. „Anfang der 1990er-Jahre bin ich dann viel auf Kongressen in den USA gewesen, da wurde mir die Bedeutung des Internets für meine Branche klar“, erzählt Schulenberg, der weltweit mehr als 2000 Beschäftigte unter Vertrag und in Hamburg 200 Angestellte hat. Er fasst sein kaufmännisches Vorgehen auf wenige Grundsätze zusammen: „Man muss möglichst viele Informationen sammeln, diese richtig bewerten und dann ins Risiko gehen. Und schließlich gehört auch noch eine Menge Glück dazu, das ist sogar die wesentliche Komponente.“ Und Einfühlungsvermögen, denn bei dem globalen Geschäft geht es in den wichtigen Verhandlungen auch um die Mentalität der Entscheider.

Informationen sammeln und auswerten, das ist auch so ein Geschäftsbereich mit Zukunft, der in der Eventim-Familie gerade in Hamburg in einem Forschungsbereich ausgebaut wird. 30 Millionen profilierte Kundendaten hat das Unternehmen gespeichert, und das könnte in den kommenden Jahren von entscheidender Wichtigkeit sein. Zwar machen die alten Rocker – siehe etwa Metallica – noch die Hallen voll, aber die neue Generation der Musiker wird das kaum noch erleben. „So etwas wie Fan-Loyalität gibt es kaum noch“, sagt Schulenberg. Bedeutet: Wer Tickets für immer wieder neue Künstler verkaufen will, muss wissen, zu welcher Kundschaft diese Musikrichtung in welchem Gebiet am besten passt. Dann kommen die Angebote über die Mails direkt in das Postfach des potenziellen Käufers.

Das geschieht zwar auch jetzt schon, aber durch eine genauere Auswertung der Datensätze können Nischen, etwa im Jazzbereich, noch besser vermarktet werden, glaubt Schulenberg. Für den weiteren Buchungsvorgang hat Eventim eine neue App entwickelt, mit der umgehend der gewünschte Platz mittels einer exakten Saalansicht gebucht werden kann, auch die Sicht von dort aus auf die Bühne ist virtuell abrufbar. All das soll für eine noch bessere Auslastung der Hallen sorgen, was für die Musiker von immenser Bedeutung ist, denn durch den Einbruch auf dem Tonträgermarkt tragen Liveauftritte mittlerweile zu 90 Prozent zum Einkommen bei.

Vor zehn Jahren, sagt Schulenberg, waren das gerade einmal 25 Prozent. Gut für ihn und Eventim – der Veranstaltungsmarkt lebt. Allerdings gibt es dabei eine Ausnahme, die Schulenberg als Hobbypianist selbst sehr bedauert: Der klassischen Musik sagt er keine rosigen Zeiten voraus, daran werde auch die Elbphilharmonie wenig ändern. „Da gibt es ganz eindeutig ein großes Nachwuchsproblem, für das eigentliche Werk interessieren sich nur noch sehr wenige, zumeist ältere Besucher. Wenn überhaupt noch etwas geht, dann über die wenigen großen Stars der Szene.“

Bremen verlässt der Kaufmann, der sich selbst als authentisch und bodenständig beschreibt und ganz im Sinne des Ehrbaren Kaufmanns („Ich halte mich einfach an mein Wort“) handeln will, auch mit Wehmut, als „Schaffer“ ist er in der Unternehmergilde dort fest verankert. Dennoch: Es sei viel einfacher, gute Kräfte nach Hamburg zu locken – seine Zentrale liegt mitten in der Innenstadt, Google und Axel Springer und andere Internetunternehmen sind um die Ecke.

Aber nicht nur das zählt für Schulenberg: „In Hamburg wird eher die Chance bewertet, in Bremen eher das Risiko. Das wirkt sich auf Dauer aus“, sagt er. Wie zum Beweis holt er ein Bündel Mustereintrittskarten aus dem Nebenraum, auf denen nicht mehr nur der Name der Band gedruckt ist, sondern im Tiefdruck auch ein Bild der Künstler. „Das sind die neuen Fantickets, das Verfahren haben wir uns patentieren lassen.“ Die Metallica-Rocker lächeln vom Papier. Es läuft einfach gut.