Vizepräses Thomas Schünemann verteidigt Handeln der Handelskammer gegenüber Kritik der Gruppe „Die Kammer sind WIR“

Hamburg. Unruhe vor den Wahlen zum Plenum der Handelskammer Hamburg am 16. Januar: Eine Gruppe von 15 Unternehmen tritt unter dem Motto „Die Kammer sind WIR“ als Bündnis an, um die altehrwürdige Kammer zu reformieren, die auf fast 350 Jahre Geschichte zurückblickt. Eine zentrale Forderung der „Kammerrebellen“ ist die teilweise Auflösung der Rücklagen und deren Auszahlung an die Mitgliedsunternehmen. Das Abendblatt sprach mit dem Softwareunternehmer Thomas Schünemann, 63, Vizepräses der Handelskammer, über den Vorstoß der Unzufriedenen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Schünemann, warum äußern die Unternehmen unter dem Motto „Die Kammer sind Wir“ ihren Unmut gerade jetzt?

Thomas Schünemann:

Das ist schwer zu sagen. Vielleicht hängt es mit einem allgemeinen Trend zur basisdemokratischen Meinungsbildung zusammen, den wir ja auch in Hamburg an vielen Stellen sehen, zuletzt etwa beim Volksbegehren zum Rückkauf der Energienetze. Ich sehe dies durchaus problematisch: Man wählt auf demokratische Weise Gremien wie etwa das Plenum der Handelskammer, stellt dann aber deren Legitimation infrage. Einige der Kandidaten, die unter dem Motto „Die Kammer sind WIR“ angetreten sind, waren für den Rückkauf der Energienetze, die überwältigende Mehrheit des Kammerplenums hat sich aber gegen den Rückkauf der Netze ausgesprochen.

Was bedeutet der Appell der Kammerkritiker für die anstehenden Wahlen?

Schünemann:

Wir müssen, auch durch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, deutlich machen, was die Kammer für die Hamburger Wirtschaft leistet. Je leistungsfähiger unsere Wirtschaft ist, desto mehr kann von den erfolgsabhängigen Kammerbeiträgen der Mitgliedsunternehmen zurückgezahlt werden. Wir haben derzeit rund 50 Millionen Euro Gesamtrücklagen, davon sind gut 20 Millionen Euro gesetzlich vorgegeben. Hinzu kommen 21 Millionen Euro Baurücklagen für die Erhaltung und Modernisierung des Kammer-Gebäudes. Schließlich haben wir Rücklagen für verschiedene kleinere Posten wie etwa für den Bau eines Wohnheims für Auszubildende. Ich sehe nicht, dass da ein größerer Verteilungsspielraum für Rückzahlungen wäre.

Bildet die Handelskammer die große Komplexität der Hamburger Wirtschaft noch ausreichend ab?

Schünemann:

Da bin ich ganz sicher. Die Sitzverteilung im Kammerplenum ist spiegelbildlich zur Branchenstruktur der Hamburger Wirtschaft. Wir kommen unserem Anspruch nach, das Gesamtinteresse der Hamburger Wirtschaft zu vertreten. Wir versuchen immer, bei unseren Beschlüssen im Präsidium und im Plenum weitgehend Einstimmigkeit herzustellen. Wohin soll es führen, wenn Partialinteressen immer stärker in den Vordergrund rücken?

Was könnte verbessert werden?

Schünemann:

Wir sind eine Kammer des Mittelstands für den Mittelstand. Bei der Meinungsbildung werden wir, wie auch schon bisher, die Einzelinteressen abwägen und ausgleichen. Das könnte schwieriger werden, aber wir werden uns dem stellen, schließlich gab es auch schon in der Vergangenheit häufig intensive Diskussionen. Ich kann nur hoffen, dass die neuen Mitglieder unseres Plenums ihre Kraft nicht in internen Diskussionen verschleißen.