Klassifizierungskonzern DNV GL konzentriert maritimes Geschäft in der Hansestadt. Offshore-Energiewirtschaft spielt wachsende Rolle

Hamburg. Der neue Klassifizierungskonzern DNV GL hat in Hamburg die Arbeit mit seiner neu formierten Sparte für die technische Abnahme und Entwicklung von Schiffen aufgenommen. Mit DNV GL Maritime ist der Konzern nach eigenen Angaben Weltmarktführer und will seine Aktivitäten deutlich ausbauen: „DNV GL Maritime klassifiziert insgesamt etwa 13.000 Seeschiffe und damit gut 25 Prozent der Welthandelsflotte“, sagte der neue Vorstandsvorsitzende von DNV GL Maritime, Tor Egil Svensen, in Hamburg. „Der Markt für die Entwicklung und Klassifizierung von Schiffen wird in den kommenden Jahren deutlich wachsen.“ Vor allem die Offshore-Industrie für die Förderung von Erdgas und Erdöl auf See sei längst kein Nischenmarkt mehr, sagte Svensen. Hinzu komme das wachsende Geschäft mit der Offshore-Windkraft. Das Orderbuch für Schiffe und Anlagen der Offshore-Energiewirtschaft weltweit umfasse derzeit einen Wert von rund 160 Milliarden US-Dollar, gegenüber einem Auftragsbestand im klassischen Handelschiffbau von 195 Milliarden Dollar, sagte Svensen.

Der norwegische Prüfkonzern Det Norske Veritas (DNV) war 2013 mit dem Hamburger Schiffs-TÜV Germanischer Lloyd (GL) fusioniert worden. 36,5 Prozent der Anteile am neuen Konzern gehören der Gesellschaft Mayfair der Hamburger Investoren Günter Herz und dessen Schwester Daniela Herz-Schnoeckel, den früheren Alleineignern des GL. 63,5 Prozent der Anteile liegen bei der norwegischen DNV-Stiftung. Die vormalige Zentrale von DNV in Høvik bei Oslo ist mittlerweile der Hauptsitz des fusionierten Konzerns. Insgesamt beschäftigt DNV GL weltweit rund 16.000 Menschen.

In Hamburg sitzt nun die wichtigste der fünf neuen Konzernsparten, DNV GL Maritime. Weitere Geschäftsbereiche von DNV GL sind die Betreuung der globalen Öl- und Erdgaswirtschaft, Klassifikationsleistungen für die Stromwirtschaft, Industrieversicherungen sowie spezialisierte Software für die maritime Wirtschaft und die Energiebranche. Für DNV GL Maritime arbeiten insgesamt rund 6000 Mitarbeiter, davon etwa 1300 in der Hansestadt. Wichtige Außenbüros unterhält die Konzernsparte vor allem in den maritimen Zentren Houston/Texas in den USA, Busan in Südkorea, in Singapur, im chinesischen Shanghai, in der griechischen Hafenstadt Piräus sowie in der Konzernzentrale in Høvik.

In Hamburg herrschte zunächst auch Sorge darüber, dass der Schifffahrtsstandort durch die Fusion an Gewicht verlieren könnte. Der Germanische Lloyd, gegründet im Jahr 1867, galt als eines der wichtigsten Bindeglieder im maritimen Netzwerk der Hansestadt. „Wir stehen zu Hamburg“, sagte DNV-GL-Maritime-Chef Svensen. „Der größte Teil unseres Managementteams ist mittlerweile hier. Es ist wichtig, nach einer Fusion schnell eine neue, gemeinsame Identität im Unternehmen zu finden. Das ist unser erklärtes Ziel. Es geht nicht darum, einfach nur Arbeitsplätze zu addieren.“ Eine Streichung von Stellen in Hamburg ist Svensen zufolge nicht geplant.

Det Norske Veritas hatte sein Schifffahrtsgeschäft vor der Fusion von Norwegen aus gesteuert. Das nordeuropäische Land hat eine starke Position als Förder-, aber auch als Werftstandort der Offshore-Öl-und-Erdgas-Wirtschaft. In der neuen Schifffahrtssparte DNV GL Maritime dominiert nun allerdings die Containerschifffahrt. Der Germanische Lloyd brachte bei diesem Schiff einen Weltmarktanteil von mehr als 40 Prozent bei der Klassifizierung der fahrenden Flotte in die Fusion mit ein. „Hamburg hat als maritimer Standort sicher mehr Gewicht als Oslo, obwohl Oslo nach wie vor ein wichtiges Zentrum gerade bei der Finanzierung der Offshore-Öl-und-Gas-Wirtschaft bleibt“, sagte Svensen.

Die Handelsschifffahrt kommt, so die verbreitete Meinung in der Branche, wohl auch 2014 nicht aus ihrer seit Jahren anhaltenden Krise heraus. Dabei sind widersprüchliche Trends zu beobachten: Obwohl in bestimmten Marktsegmenten, etwa bei kleineren Containerfrachtern, noch Überkapazitäten herrschen, werden bei vielen Schiffstypen mittlerweile wieder zahlreiche neue Einheiten bestellt. „Wir haben 2013 eine große Zahl von Neubestellungen gesehen. Das heißt aber nicht, dass die Krise vorüber ist. Sie könnte dadurch in manchen Segmenten sogar verlängert werden“, sagte Svensen.

Die hohe Zahl von Orders deutet aus Sicht des norwegischen Managers darauf hin, dass die Reedereien verstärkt auf effizientere Antriebe und die Einsparung von Brennstoff setzen. Hohe Brennstoffkosten haben in den vergangenen Jahren vor allem der auf eng getakteten Fahrplänen basierenden Containerlinienschifffahrt das Geschäft verdorben. „Sparsamere Antriebe, aber auch der Einsatz unterschiedlicher Brennstoffe auf den Schiffen werden in den kommenden Jahren beherrschende Trends am Schifffahrtsmarkt sein“, sagte Svensen. Vor allem mit Blick auf strengere internationale Abgasregeln, die in bestimmten Fahrtgebieten wie der Nord- und der Ostsee von 2015 an gelten, treiben Reedereien die Nachrüstung von Schiffen voran. In Küstengebieten werden die Schiffe künftig nicht mehr mit Schweröl fahren, sondern mit Marinediesel oder aber mit verflüssigtem Erdgas (LNG).

Svensen berichtete, die Fusion von DNV und GL habe eine lange Vorgeschichte gehabt. „Für Det Norske Veritas war der Germanische Lloyd immer auch ein Vorbild“, sagte Svensen. 1999 waren die Gespräche über eine Fusion laut Svensen bereits sehr weit fortgeschritten. Dann sei aber ein neuer Vorstandsvorsitzender zum DNV gekommen, die Verhandlungen wurden abgebrochen. Erst der heutige Konzernchef von DNV GL, Henrik Madsen, habe das Thema von 2006 an wieder vorangetrieben. „So dauerte es letztlich 149 Jahre, bis die beiden Unternehmen zusammenkamen“, sagte Svensen. DNV war 1864 gegründet worden.