Studie norddeutscher Verbraucherzentralen: In vielen Prospekten für klimafreundliche Investitionen wird das Risiko des Totalverlusts verschwiegen

Hamburg. Sandra Klug quält sich durch dicke Prospekte und dünne Flyer. Die Expertin für klimafreundliche Geldanlagen der Verbraucherzentrale Hamburg prüft Angebote für sogenannte grüne Geldanlagen, mit denen Projekte im Umwelt- und Klimaschutz finanziert werden. Vor allem bei Werbebroschüren wird die Verbraucherschützerin schnell fündig. Bei vielen Geldanlagen weisen Anbieter nur unzureichend auf das Risiko des Totalverlusts hin, wie eine Stichprobe unter 54 Finanzprodukten ergab: „Nach unserer Untersuchung verschweigen 75 Prozent in ihren Flyern das Risiko eines Totalverlusts“, sagt Klug. „Bei den Kurzprospekten sind es 55 Prozent.“

Die Untersuchung der Hamburger ist Teil eines umfangreichen Projekts von vier Verbraucherzentralen zu klimafreundlichen Geldanlagen, das vom Bundesumweltministerium finanziell gefördert wird. „Ziel ist es, den Verbrauchern eine bessere Orientierung zu geben“, sagt Ulrike Brendel von der Verbraucherzentrale Bremen. Noch sei dieser Markt sehr intransparent. Für das Projekt haben sich deshalb die norddeutschen Verbraucherzentralen Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein zusammengeschlossen. Beteiligt ist außerdem die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Das erste Ergebnis des siebenköpfigen Expertenteams ist eine Übersicht über klimafreundliche Sparanlagen, also Anlagen, die der Einlagensicherung unterliegen. „In diesem Jahr wird es eine Übersicht zu grünen Investmentsfonds geben“, sagt Brendel. „Wir werden die Fondsanbieter dazu befragen, nach welchen Kriterien sie Aktien oder Anleihen auswählen.“

Grüne Geldanlagen haben neben der Erwirtschaftung einer Rendite noch einen anderen Zweck. Das eingesetzte Geld soll etwa dem Klimaschutz dienen oder das Investment bestimmte ökologische Kriterien erfüllen. „Das Interesse an solchen Produkten in Hamburg ist groß“, sagt Klug. Die Produktpalette ist inzwischen vergleichbar mit konventionellen Angeboten. Drei Viertel der Kreditinstitute bieten Geldanlagen mit ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien an. Vom Tagesgeldkonto über Investmentfonds bis hin zu direkten Beteiligungen an Windrädern oder Solaranlagen gibt es inzwischen alles. Die Begriffe „klimafreundlich“, „grün“, „ethisch“ oder „nachhaltig“ sind gesetzlich aber nicht geschützt. „Das Etikett ist kein Qualitätssiegel“, sagt Brendel.

Das Volumen nachhaltiger Geldanlagen beträgt in Deutschland 73 Milliarden Euro, berichtet das Forum Nachhaltige Geldanlage. Knapp die Hälfte davon entfällt auf Kundeneinlagen bei Banken. Denn nicht nur Spezialinstitute wie die Umwelt Bank oder die GLS Bank sammeln „grüne Gelder“ ein. Die Übersicht der Verbraucherschützer zeigt, dass vor allem Genossenschaftsbanken und Sparkassen klimafreundliche Sparanlagen anbieten.

Meist handelt es sich um Sparbriefe oder Sparpläne. Die höchsten Zinsen liegen bei 2,5 bis drei Prozent. Allerdings muss das Geld dafür bis zu zehn Jahre angelegt werden. „Die Konditionen liegen auf dem Niveau von konventionellen Produkten“, sagt Brendel. Die Banken sichern zu, dass mit den angelegten Geldern Projekte der erneuerbaren Energien oder zur Energieeffizienz finanziert werden. „Neben den Konditionen zeigen wir, wie detailliert die Mittelverwendung nachgewiesen wird“, sagt Brendel. „Die beste Form ist eine Mittelverwendungsübersicht.“

Auch geschlossene Fonds wie Windräder oder Solaranlagen nehmen die Verbraucherschützer unter die Lupe. „Hier geht es vor allem darum, über die größten Fallstricke aufzuklären oder irreführende Werbeaussagen zu unterbinden“, sagt Brendel. Falschen Erwartungen der Verbraucher soll vorgebeugt werden: In den wenigsten Fällen wird der Anleger zum Eigentümer eines Windrades oder Waldinvestments liegen häufig in Ländern mit zweifelhafter Rechtssicherheit. Eine Marktübersicht wie bei Sparanlagen und Investmentfonds wird es zu den Beteiligungen nicht geben. „Dazu sind die Produkte zu umfangreich und zu unterschiedlich“, sagt Brendel.

Vor allem bei den Beteiligungen stehen dem Verschweigen von Risiken Werbeaussagen gegenüber, die für die Verbraucherschützer nicht akzeptabel sind. „Gesetzliche Sicherheit durch garantierte Einspeisevergütung“, warb die Murphy & Spitz Green Energy AG für ihr Angebot Genussrecht Sonne + Wind 2018. Das Unternehmen betreibt elf Kraftwerke für erneuerbare Energien und sammelt dafür Geld bei Anlegern ein. „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert zwar die Abnahme des Stroms aus einer umweltfreundlichen Energieanlage zu einem festgelegten Preis“, sagt Klug. Das garantiere aber nicht die Sicherheit der Geldanlage. „Durch solche Formulierungen wird aber die Vorstellung genährt, die Einspeisevergütung fließt direkt als Zins an die Anleger.“ Tatsächlich erhält der Betreiber die Vergütung, und erst nach Abzug seiner Kosten ist eine Ausschüttung an die Anleger möglich. Die Verbraucherzentrale Hamburg mahnte das Unternehmen wegen der Formulierung ab. Murphy & Spitz wird diese Aussage künftig nicht mehr verwenden.

„Wir haben bisher viele Unternehmen wegen ähnlicher Formulierungen abgemahnt und konnten uns auch meistens durchsetzen“, sagt Klug. „Im Glauben, eine gute Sache zu unterstützen, blenden viele Menschen bei Umweltinvestments die Risiken eher aus“, sagt die Hamburger Verbraucherschützerin.

Einige Beispiele, bei denen sich die Verbraucherschützer mit ihren Unterlassungserklärungen durchsetzen konnten: Der Bremer Betreiber von Windparks, Energiekontor, offerierte eine Stufenzinsanleihe mit der Aussage „Sichere Geldanlage in Windkraft“. Auch das fanden die Verbraucherschützer nicht akzeptabel, „denn das Geld der Anleger konnte auch zur Übernahme des Geschäftsbetriebs oder zur Ablösung von Finanzierungsdarlehen genutzt werden“, sagt Klug. Manche Aussagen sind auch irreführend. So boten die Stadtwerke Marburg einen CO2-Sparbrief an. Während Sparbriefe nur von einer Bank vertrieben werden dürfen und einer Einlagensicherung unterliegen, handelte es sich bei der Anlage um eine Inhaberschuldverschreibung – Totalverlust nicht ausgeschlossen.

Trotz zweistelliger Zuwachsraten pro Jahr sind grüne Geldanlagen noch ein Nischenprodukt. Eine nachhaltige Geldanlage besitzen nur sieben Prozent der Privatanleger, geht aus einer Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment hervor. Jeder Dritte hält sie aber für attraktiv. Rund ein Drittel der Anleger begründen ihre Abstinenz mit der fehlenden Transparenz.

Die Verbraucherschützerin Klug warnt jedoch vor einer „grünen Brille“ bei der Geldanlage: „Auch wenn man bestimmte ökologische oder soziale Ziele mit seinem Geld unterstützen will, sollte man zunächst seine Risikobereitschaft und den Anlagezeitraum bedenken, wie bei jeder anderen Geldanlage auch. Wer zu keinem Zeitpunkt Verluste riskieren will, für den kommen nur Sparanlagen in die engere Wahl. Bei einem längerem Anlagezeitraum und der Akzeptanz von Kursschwankungen können auch Investmentfonds eine geeignete Anlage sein. Direkte Beteiligungen kommen wegen der meist sehr langen Laufzeit, der Komplexität und der Möglichkeit eines Totalverlusts nur für einen kleinen Teil der Anleger infrage“, sagt Klug.