Im Quartier an der Großen Elbstraße gibt es immer mehr Agenturen und Restaurants. Hohe Investitionen geplant

Hamburg. Morgens früh um sieben Uhr geht die Arbeit in der Markthalle II allmählich zu Ende. Die ganze Nacht über haben mehr als 200 Mitarbeiter in den Großhandlungen den Fisch aus Kühllastwagen entladen, haben ihn filetiert, in etlichen Kunststoffwannen auf Eis für den Verkauf bereit gemacht oder ihn in einem der vielen Kühlräume zwischengelagert. Frischer Fisch aus aller Herren Länder liegt hier gut gekühlt, bereit für die kritischen Blicke von Einzelhändlern und Gastronomen. Von nachts bis zum frühen Morgen decken sie sich am Fischgroßmarkt mit Ware für den nächsten Tag ein.

Oliver Schulz, 39, geht die Reihen der zahlreichen Großhändler entlang. Er schaut zunächst bei Heidi Meyer von Heidi Fisk herein, deren Arbeiter gerade die letzten Wannen mit Kabeljau, Seelachs, Rotbarsch und Schollen im Zwischenlager verstauen. Er grüßt Shumin Yin von Yin Seafood, der an seinem Mobiltelefon noch mal schnell eine Partie Steinbutt, Adlerfisch oder Oktopus verkauft, während sich zwei Kunden aus Dänemark in seiner Auslage über ein ansehnliches Stück Sashimi-Thunfisch beugen, das sie einige Hundert Euro kosten wird. „Vorgestern vor Sri Lanka gefangen, auf der Insel geschnitten und verpackt, per Luftfracht nach Frankfurt und von dort mit dem Lkw heute hier bei uns frisch zum Verkauf“, sagt Schulz nicht ohne Stolz.

Hamburgs Fischgroßmarkt ist einer der wichtigsten Drehpunkte für den Handel von Frischfisch in Nordeuropa. Hier bekommt man alles, was das Herz begehrt. Schulz ist Importeur bei der Fischmarkt Hamburg-Altona GmbH. Vor allem in Norwegen, Island und Dänemark steht er in ständigem Kontakt mit Exporteuren. Er kauft Fisch und verkauft ihn dann weiter an die Großhändler, mit denen er in derselben Markthalle sitzt.

Fast 130 Tonnen Fisch werden täglich auf dem Großmarkt verkauft

Spezialisten wie Yin, der vor allem exotischen Fisch aus Asien feilbietet, organisieren ihren Import selbst. Aber das Gros der Ware – fast 130 Tonnen täglich werden am Großmarkt insgesamt umgeschlagen – kommt aus den atlantischen Fanggründen. „Das Geschäft hier läuft wie an einer Börse – ich bin quasi der Fischbroker. Unsere Stärke ist die große Vielfalt an frischem Fisch“, sagt Schulz.

Morgens um sieben, wenn die meisten Arbeiter ihre Nachtschicht in den Hallen des Fischgroßmarktes beenden, schließt Maik Königs mitunter sein Büro nicht weit entfernt an der Großen Elbstraße auf. Der Mitbegründer und Co-Chef der Hamburger Kreativagentur Elbkind mag die Morgenstunden mit dem Blick auf die Elbe, auf das rautenförmige Dockland-Bürohaus gegenüber, auf die Schiffe und den Hafen. „Ich arbeite nicht selten bis zu 14 Stunden am Tag, da möchte ich es einfach schön haben“, sagt er in der Büroetage seiner Agentur im umgebauten Gebäude eines alten Kaispeichers.

Königs, 39, gründete Elbkind mit zwei Kollegen aus einem anderen Unternehmen der Werbebranche im Jahr 2008. Seit 2011 sitzt die Agentur an der Großen Elbstraße. Vor allem für das Internet kreiert Königs mit seiner Mannschaft Werbeauftritte und Kampagnen von Unternehmen, darunter der Schokoladenhersteller Ritter Sport oder der Wurstfabrikant Rügenwalder Mühle. Neue Wege wolle man gehen, das Publikum nicht mit simplen Werbebotschaften „penetrieren“, sondern die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit Produkten und Herstellern stimulieren. „Für unser Unternehmen ist dieser Standort ein absoluter Gewinn. Der Hafen steht für ehrliche Arbeit, für etwas Bodenständiges. Das passt zu unserem Image“, sagt Königs.

Die Lage an der Elbe habe aber auch viele praktische Vorteile: Mit Kunden könne man sehr gute Restaurants rund um das Bürohaus aufsuchen, und die Mitarbeiter könnten mit der Hadag-Fähre bis zur Station Dockland fahren. „Und wenn ich mal den Kopf frei bekommen will“, sagt Königs, „gehe ich am Hafenrand im Wind ohne Mütze einfach eine Runde spazieren.“ 27 Mitarbeiter zählt Elbkind bereits, bald sollen es 30 sein. Demnächst zieht die Agentur in eine größere Büroetage ein Stockwerk weiter oben im Haus.

Die Fischhändler und die Kreativen einige Häuser entfernt – auf den ersten Blick haben diese beiden Arbeitswelten nichts miteinander zu tun, auf den zweiten Blick aber sehr viel. Elf der Gebäude am Ende der Großen Elbstraße gehören der Fischmarkt Hamburg-Altona GmbH (FMH), einer Tochter des Hafenlogistikkonzerns HHLA.

Gut 130 Firmen und Institutionen mit insgesamt etwa 2000 Mitarbeitern haben von der FMH am Fischmarktquartier Büro- und Gewerbeflächen gemietet: Fischhandelsunternehmen, Werbe- und Designagenturen, die Universität Hamburg, Unternehmen aus der Schifffahrt. Sogar ein Hersteller von Büro- und Küchenmöbeln befindet sich unter den Mietern.

„Wir wollen den ursprünglichen Charakter des Fischmarktquartiers erhalten und das Viertel durch gezielte Ansiedlungen von Unternehmen weiterentwickeln“, sagt Matthias Funk, 43, seit Juli Geschäftsführer von FMH. „Viele ehemalige Hafenareale in Städten wie etwa London wurden in den vergangenen Jahrzehnten umgewidmet. Diese Viertel haben mit ihrer früheren Bestimmung oft nichts mehr zu tun. Bei uns ist das anders.“

Im Jahr 1989 übertrug die Stadt die Gebäude des Fischmarktquartiers an die HHLA. Deren Tochterunternehmen FMH kümmerte sich fortan um die Entwicklung des Gewerbeviertels. Rundherum entstanden in den folgenden Jahren architektonische Perlen wie etwa das Dockland-Gebäude des Stararchitekten Hadi Teherani oder die maritim ausgestaltete Hafenrandbebauung am früheren Terminal der Englandfähre. Bei FMH achtete man auf Kontinuität. Für rund 55 Millionen Euro wurden beispielsweise die alten Gebäude in den vergangenen zehn Jahren möglichst originalgetreu restauriert, dabei aber mit einer modernen Infrastruktur für die Energie- und Fernwärmeversorgung ausgestattet.

Weitere 80 Millionen Euro könnten in den kommenden Jahren in den Bau neuer Gebäude am Elbkaihaus fließen. Ein Komplex von Lager- und Kühlhallen würde dann dafür abgerissen werden. Ein Architekturwettbewerb für das Projekt wurde bereits abgeschlossen.

Die Planer wollen auch Wohnhäuser in das Quartier integrieren

Das Büro Gerber Architekten mit Sitz in Hamburg und in Dortmund belegte den ersten Platz. Dessen Entwurf von Wohnhäusern fügt sich zeitgemäß in das bestehende Ensemble von Gebäuden ein, der Blick auf den Hafen vom Altonaer Balkon aus würde nicht verbaut werden. „Wir brauchen einen Bebauungsplan und gültiges Baurecht des Bezirks Altona“, sagt Funk. „Wir führen intensive Gespräche darüber, aber schon wegen der erforderlichen Verfahrensschritte wird es wohl noch einige Zeit dauern.“

Am Fischgroßmarkt ist es bislang gelungen, gewachsene Strukturen zu erhalten und sie durch neue zu ergänzen. Eine Reihe neuer Gastronomien etablierte sich in den vergangenen Jahren dort neben dem renommierten Fischereihafen Restaurant, vor allem mit Fisch auf der Speisekarte. Henssler & Henssler ist der bekannteste der jüngeren Anbieter. Auch das Restaurant Au Quai hat sich längst einen Ruf erarbeitet, der weit über das kleine Viertel hinausreicht

FMH-Geschäftsführer Funk will das Quartier in den kommenden Jahren mit neuen Gebäuden und vor allem durch Wohnen und Einkaufen vor Ort weiterentwickeln, es „noch vitaler“ machen. Seine insgesamt 36 Mitarbeiter kümmern sich bislang um 63.000 Quadratmeter bewirtschaftete Fläche. Die Grundstücke gehören der städtischen Sprinkenhof AG.

Weil auch die FMH-Mutter HHLA zu zwei Dritteln der Hansestadt gehört, hat Hamburg auf die Entwicklung des Areals umfassenden Einfluss. Die Stadt setzt dafür allerdings vor allem auf die Ansiedlung privatwirtschaftlicher Unternehmen. „Das ist idealtypisch genau das, was man Public-Private-Partnership nennt“, sagt Funk, der zuvor seit dem Börsengang der HHLA deren Investoren betreut hatte.

Zusätzlichen Schub könnte das Quartier durch den Kreuzfahrttourismus bekommen. Schon von 2014 an sollen die Reise- und Vergnügungsschiffe ganzjährig am Kreuzfahrtterminal Altona festmachen, das als erstes Terminal in Hamburg einen Landstromanschluss bekommt.

„Wir wollen diese Chance nutzen und möglichst viele Touristen zum Verweilen am Fischgroßmarkt animieren“, kündigt FMH-Geschäftsführer Funk für das kommende Jahr an. „Diese Elbmeile ist eine der prominentesten Lagen der Stadt, eine Visitenkarte für Hamburg. Daran werden wir weiter mit Sorgfalt arbeiten.“