Neuer Abwicklungsfonds soll mit 55 Milliarden Euro ausgestattet werden. HWWI-Chef lobt Schutz der kleinen Sparer und Steuerzahler

Brüssel. Am Ende stand eine zwölfstündige Marathonverhandlung: Die EU-Finanzminister einigten sich in der Nacht zu Donnerstag auf den letzten Pfeiler der Bankenunion – das ist das Regelwerk für die Schließung oder Sanierung von Pleitebanken. Die Europäer sind damit bei der Absicherung ihrer krisenanfälligen Finanzbranche einen Riesenschritt weitergekommen.

Die EU will mit der Bankenunion Sparer besser schützen und Steuerzahler bei Zusammenbrüchen von Geldhäusern schonen. Schon im Oktober hatten sich die EU-Länder dazu auf eine gemeinsame Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank ab Ende 2014 geeinigt. Beide Maßnahmen sind die zwei Säulen der Bankenunion. Mit dem Projekt zieht die europäische Politik die Lehren aus der Finanzkrise von 2008 und 2009. Damals retteten die Staaten in Europa Banken mit rund 1,6 Billionen Euro – aus Steuergeldern.

Kernstück ist ein gemeinsamer Topf, der über zehn Jahre hinweg mit Bankengeldern aufgebaut wird. Der Banken-Abwicklungsfonds soll am Ende bis zu 55 Milliarden Euro umfassen. Ob und wie eine Bank abgewickelt wird, entscheidet ein neues Gremium, dem unter anderen Vertreter der Mitgliedstaaten angehören. Die EU-Kommission hat ein Vetorecht.

Der Abwicklungsfonds könne in der Aufbauphase auch Kredite aufnehmen, falls er klamm sei. Das gepumpte Geld müsse aber letztlich von den Banken nachbezahlt werden. Für den Topf ist ein neuer internationaler Vertrag geplant; er soll bis Ende Februar kommenden Jahres ausgearbeitet werden. Das neue System zur Bankenabwicklung wird von 2016 an kommen. Es ergänzt die vereinbarte europäische Bankenaufsicht, die im November 2014 als erster Pfeiler der Bankenunion starten wird. Beide Pfeiler gelten für die EuroLänder sowie Nicht-Euro-Staaten, die freiwillig mitziehen.

Unterhändler der EU-Institutionen einigten sich in separaten Verhandlungen zudem auf eine bessere Absicherung von Sparern in Europa. Die Verhandlungen mit dem EU-Parlament ergaben, dass bei Bankenkrisen Guthaben von kleinen Sparern in einer Höhe bis zu 100.000 Euro komplett geschützt sind. Auf ihr Geld sollen Bankkunden künftig bereits nach sieben statt bisher 20 Werktagen zugreifen können.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten mehrfach eine Einigung bei der Bankenabwicklung gefordert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte den mühsam erzielten Kompromiss. Das sei der „richtige Beitrag, um eine weitere Stabilisierung des Finanzsektors zu erreichen“, sagte der CDU-Politiker. Mit der Einigung auf den Abwicklungsmechanismus hätten die EU-Minister „den letzten rechtlichen Pfeiler“ der Bankenunion errichtet, sagte Schäuble. „Das ist ein guter Tag.“ Sein französischer Kollege Pierre Moscovici lobte das Entgegenkommen Deutschlands. Die französisch-deutsche Zusammenarbeit in der Frage sei „sicher entscheidend für die abschließende Einigung“ gewesen. Im Umgang mit der Euro-Krise und zur Stärkung des Euro-Raums sei „die Schaffung der Bankenunion das wichtigste Element für die kommenden Jahre“. Es liege aber noch „viel Arbeit“ vor den Regierungen, etwa bei der Regulierung des Investmentsektors oder bei der Schaffung einer Finanztransaktionssteuer.

„Die grundsätzliche Stoßrichtung der Vereinbarung stimmt“, urteilt der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar. „Positiv ist, dass marode Banken künftig pleitegehen können und bei Sanierungen zunächst die Gläubiger und Aktionäre herangezogen werden, statt der Steuerzahler.“ Der Abwicklungsfonds sei wichtig, „allerdings ist er mit zu geringen Mitteln ausgestattet und kommt zu spät“, meint Straubhaar. Fraglich bleibe zudem die praktische Umsetzung, weil die Regeln sehr kompliziert seien.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erklärte, der Kompromiss sei deutlich besser als frühere Vorlagen. „Dank der klaren Haltung der Bundesregierung ist ein direkter oder indirekter Griff in die Kassen anderer EU-Staaten erschwert worden“, sagte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon. Anderseits bewertete der Verband die Einzahlungspflicht aller Kreditinstitute in Abwicklungsfonds als „sehr kritisch“. Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer, sagte, das Finanzsystem sei für künftige Krisen stabiler aufgestellt. „Bankenunion darf aber nicht heißen, nationale Altlasten zu vergemeinschaften“.

Allerdings ist die Bankenunion noch nicht perfekt. Die Regeln müssen in Verträge gegossen werden. Zudem steht die Einigung mit dem Europäischen Parlament noch aus – und aus dem kommen bereits kritische Stimmen. Zwist gibt es darüber, auf welcher rechtlichen Grundlage die Regeln zum Fonds stehen. Ziel ist es, das Thema Abwicklung bis Ende der laufenden Legislaturperiode des Europaparlaments im Mai abzuschließen. Dann erst stünde die Bankenunion als Ganzes.