Zu Weihnachten schenken manche Hamburger über ihre Verhältnisse. Manche Überschuldete lassen sich von Null-Prozent-Finanzierungen locken.

Hamburg. Schnell noch online Weihnachtsgeschenke bestellen: Smartphones, Möbel, DVDs. Hauptsache, die Ware ist pünktlich vor dem Fest beim Empfänger. Ob sie auch bezahlt wird, ist nicht immer sicher. Gerade für bereits überschuldete Konsumenten birgt das Weihnachtsgeschäft weitere finanzielle Risiken, warnt jetzt das Hamburger Inkasso-Unternehmen HFG mit Sitz an der Caffamacherreihe. „Manche kaufen Konsumgüter, obwohl sie kaum noch in der Lage sind, die Rechnungen zu bezahlen“, sagte HFG-Geschäftsführer Joachim Pietsch. Die Kunden gingen im Internet ohne Bedenken auf Einkaufstour – und tappen weiter in die Schuldenfalle.

Genaue Erhebungen, wie groß die Zahl der überschuldeten Konsumenten in Hamburg ist, gibt es nicht. Pietsch sagt jedoch: „Grob geschätzt kann man davon ausgehen, dass sich während des Weihnachtsgeschäfts ein Drittel aller bereits verschuldeten Personen in Hamburg in zusätzliche Kosten stürzen, obwohl ihre finanzielle Situation dies eigentlich nicht zulässt.“ Seinen Angaben zufolge sind circa 231.000 Hamburger überschuldet, ungefähr 13 Prozent der Bevölkerung. Rund 77.000 drehen demnach extra für das Fest an ihrer Schuldenspirale und nehmen zum Beispiel Konsumkredite auf.

Vor allem Jugendliche gelten aufgrund ihres Konsum- und Finanzverhaltens als Risikogruppe. Laut einer Statistik des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen verschulden sich Jugendliche insbesondere bei Telekommunikationsanbietern sowie Online- und Versandhändlern – Anbietern also, die einen überdurchschnittlichen Anteil ihres Umsatzes im Weihnachtsgeschäft erzielen. Zwar liegt das Durchschnittsalter der überschuldeten Konsumenten in Hamburg bei 41 Jahren. Aber Jugendliche gehören inzwischen zu einer relevanten Risikogruppe. Die Gründe sind nach Ansicht von Finanzexperten in der mangelnden Reife zu sehen, ihre finanziellen Möglichkeiten kritisch einzuschätzen. Laut „Schuldner-Atlas Deutschland 2012“ der Creditreform sind 216.000 Schuldner jünger als 20 Jahre. „Im Schnitt haben alle unter 25-Jährigen bereits eine durchschnittliche Schuld in Höhe von 8244 Euro“, sagt Pietsch.

Fehlende Kompetenz im Umgang mit Geld sowie Arbeitslosigkeit, Scheidung und Krankheit gehören in allen Altersgruppen zu den häufigsten Ursachen von Überschuldung. Wer überschuldet ist, kann den monatlichen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, weil die Einnahmen nicht ausreichen, um den laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten.

90 Prozent der überschuldeten Hamburger, ergab eine Studie der Diakonie Hamburg, beziehen ein Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze und leben danach in Armut. Zugleich gaben 14 Prozent der Befragten der Studie mit dem Titel „Effekte der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes Hamburg aus Sicht der Ratsuchenden“ an, dass sie die Höhe ihres Einkommens gar nicht kennen würden. Weitere 30 Prozent sind wegen fehlender Haushalts- und Budgetkompetenz nicht in der Lage, die Höhe ihrer Schulen selbst zu beziffern.

Diese Konsumenten kaufen trotzdem vor dem Christfest im Internet ein. Laut Überschuldungsreport 2013 des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistung iff haben 18 Prozent der überschuldeten Personen Migrationshintergrund. Die Diakonie geht sogar von einem Drittel aus und beziffert die Zahl aller überschuldeten Hamburger mit 160.000.

Der Kauf von Weihnachtsgeschenken in der Schuldenkarriere ist allerdings nur ein „Mosaikstein“, sagt Günter Hörmann, Geschäftsführer der Hamburger Verbraucherzentrale. Der Geschenkekauf allein ist für die Überschuldung nicht verantwortlich zu machen, betont er. „Die Überschuldung hat sich vielmehr über viele Jahre durch kritische Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Scheidung und Krankheit aufgebaut.“ Cordula Koning, Leiterin der Diakonie-Schuldnerberatung, weist auf die Folgen der finanziell nicht gedeckten Weihnachtseinkäufe hin: „Meist sehen wir das erst mit den Rechnungen im März des folgenden Jahres. Vorher bekommen wir und die Klienten das nicht mit.“

Inkasso-Spezialist Pietsch rechnet aber auch mit unmittelbaren Folgen für die Unternehmen. „Die Branchen verzeichnen vor Weihnachten starke Umsatzsteigerungen. Und am Ende auch überdurchschnittliche Zahlungsausfälle, die auf das Weihnachtsgeschäft zurückzuführen sind.“