Neuer Chef Jérôme Lambert hat große Pläne für Hamburg. Unternehmen verzeichnet große Nachfrage gerade nach besonders teuren Produkten

Hamburg. Jérôme Lambert ist neuer Chef der Luxusmarke Montblanc mit Sitz in Hamburg. Der Vater von zwei Kindern leitete zuvor den Uhrenhersteller Jaeger-LeCoultre in der Schweiz. Vor wenigen Monaten wechselte der gebürtige Franzose vom Mutterkonzern Richemont bei Genf, zu dem neben Jaeger-LeCoultre auch A.Lange & Söhne und Montblanc seit Jahren gehören, in die Hansestadt, wo auch die Produktion der Schreibgeräte sitzt. Das Abendblatt sprach mit dem 44-Jährigen über seine Pläne, den Standort auszubauen und die Marke von hier aus in aller Welt noch bekannter zu machen.

Hamburger Abendblatt:

Sie wechseln aus der Schweiz, dem Sitz des Richemont-Konzerns, in die Geburtsstadt von Montblanc. Ihre erste Reaktion auf diese Nachricht?

Jérôme Lambert:

Ich verbinde mit Deutschland gute Erlebnisse. Als ich mit 14 Jahren zum ersten Mal hier war, besuchte ich meinen Brieffreund im emsländischen Meppen. Es war wie in einer anderen Welt, ich genoss die Freiheit. Später studierte ich in Saarbrücken, die letzten vier Jahre habe ich auch für A.Lange & Söhne in Glashütte gearbeitet. Ich habe mich also sehr auf Hamburg gefreut.

Montblanc dürfte ebenfalls ein Zeichen von Wohlstand sein, wenn die Marke auch selten mit ihrer deutschen Herkunft verbunden wird ...

Lambert:

Ja, meine Freunde waren überrascht, dass ich nach Hamburg ziehe. Sie dachten, Montblanc sitzt bestimmt irgendwo bei Genf, in den Bergen und nicht hier, wo die höchsten Erhebungen gerade 80 Meter erreichen (lacht).

Einige Wechsel im Management bei Montblanc hatten in den vergangenen Monaten für Unruhe gesorgt. Wird die Marke nun enger an die Konzernmutter gebunden und Hamburg damit an Bedeutung verlieren?

Lambert:

Nein, im Gegenteil. Montblanc ist in Hamburg bereits sehr international aufgestellt, die Bedeutung dieses Standorts wird hoch geschätzt, und die Unterstützung durch den Konzern wächst sogar.

Inwiefern unterstützt Richemont Montblanc?

Lambert:

Wir bauen mithilfe des Richemont-Konzerns die weltweite Präsenz von Montblanc aus. Immerhin ist Montblanc eines der wichtigsten Maisons in der Richemont-Gruppe. In den vergangenen fünf Jahren haben wir den Umsatz bei den Schreibgeräten stark erhöht. Durch den Ausbau der Verkaufsstandorte wird die Produktion in Stellingen weiter gestärkt.

Inwiefern?

Lambert:

Wir haben in den letzten Monaten bereits 30 neue Mitarbeiter in der Schreibgerätefertigung eingestellt und suchen weitere Spezialisten insbesondere für die anspruchsvolle Handarbeit, die nicht nur bei den limitierten Editionen gefragt ist. Die Fertigung mit ihren 450 Fachkräften ist und bleibt in Hamburg, wo wir insgesamt 985 Mitarbeiter beschäftigen. Immerhin erreichen wir hier auch eine fast 99-prozentige Wertschöpfung. Diese Kompetenz in der Hansestadt wollen wir in Zukunft auch verstärkt der Öffentlichkeit präsentieren.

Was planen Sie?

Lambert:

Die Montblanc-Boutique am Neuen Wall können wir leider nicht vergrößern, da spielen die Nachbarn nicht mit. Stattdessen denke ich an eine Art Gläserne Manufaktur oder ein Museum, wo die interessierten Menschen unsere Geschichte und die Handwerkskunst der Schreibwarenfertigung erleben können. Das ist für Hamburger interessant, aber auch für Touristen aus aller Welt.

Welche neuen Länder wollen Sie für Montblanc gewinnen?

Lambert:

Montblanc ist bereits sehr stark in Europa, Nordamerika, Russland, Asien und Japan und dem Nahen Osten. Mit einer neuen Vertriebsniederlassung in Dubai wollen wir die Märkte in Afrika angehen, etwa Kenia, Äthiopien, Marokko oder Algerien. Auch für die südostasiatischen Wachstumsländer bauen wir ein Team auf für Märkte wie etwa Thailand. Der dritte Schwerpunkt ist Südamerika. Von Miami aus wollen wir die bisher bearbeiteten Märkte Brasilien und Mexiko um Länder wie Venezuela, Ecuador, Uruguay, Chile und Argentinien erweitern.

Dies sieht nach einem hohen Wachstumstempo aus.

Lambert:

Ja, wir wollen in den nächsten drei Jahren dann insgesamt 600 Montblanc-Boutiquen weltweit erreichen. Davon werden wir zwei Drittel als eigene Geschäfte betreiben und einen kleineren Teil als Franchiseshops. Zugleich gewinnen wir damit 600 bis 900 neue Mitarbeiter dazu.

Diese Strategie, die Produkte selber zu verkaufen und nicht auf bestehende Händler zu setzen, dürfte sehr teuer sein. Warum gehen Sie diesen aufwendigen Weg?

Lambert:

Wir müssen durch die wertige Präsentation unserer außergewöhnlichen Schreibgeräte die Nachfrage für den gesamten Markt anregen. Immerhin haben wir bei Schreibgeräten über 200 Euro einen weltweiten Marktanteil von über 70 Prozent und müssen so als Vorreiter auch in Schwellenländern den Markt selber weiterentwickeln. So gewinnen wir auch neue Sammler, die sich für die limitierten Editionen interessieren. Mit diesen Schreibgeräten, die aus besonderen Materialien gefertigt oder mit Juwelen besetzt sind, wie die neue Great Characters Limited Edition Leonardo zu Ehren von Leonardo da Vinci, oder die diesjährige Writers Edition Honoré de Balzac, sind wir derzeit besonders erfolgreich.

In welche Dimensionen stoßen Sie vor, in einer Welt, in der die Reichen immer reicher werden und ihr Geld auch zeigen?

Lambert:

Für besondere Produkte gibt es nach oben fast keine Grenze, der Wert erreicht Millionen Dollar. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise drei Stücke für mehr als 500.000 Euro verkauft, nach Europa, in den Mittleren Osten und nach Thailand. Bei den Bestellungen dieser Einzelstücke sind wir hier in Hamburg für die nächsten zwölf Monate komplett ausgelastet. Immerhin erfordert ein Luxusschreibgerät auch eine Arbeitszeit von mehr als 200 Stunden. Um die Sammler zusammenzubringen, veranstalten wir regelmäßige Events, zuletzt etwa im Völkerkundemuseum hier in Hamburg, wo sich dann unsere Stammkunden treffen.

Namen der Sammler nennen Sie vermutlich nicht?

Lambert:

Nein, nur so viel: Sie kommen aus aller Welt, der jüngste ist übrigens erst 19 Jahre alt.

Verbindet auch Sie eine persönliche Beziehung zu Montblanc?

Lambert:

Ja. Ich war zehn Jahre alt, als ich heimlich mit meinem Freund in das Büro seines Vaters ging, dessen Tür offen stand. Der Vater war Notar, und auf dem Schreibtisch lag ein Montblanc-Meisterstück. Es war das erste Mal, dass ich den Füllfederhalter sah, und es lag etwas Verbotenes in der Luft. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen.