Fregatte der neuen Generation F125 auf Hamburger Werft getauft. Aber der Wettbewerb um die nächsten Schiffe wird immer härter

Hamburg. Wie lange wohl noch? Für den Bau von Marineschiffen war Hamburgs große Werft Blohm+Voss einst einer der wichtigsten Orte weltweit. Nun aber sind die Aussichten ungewiss. Am Donnerstag wohnten rund 400 Gäste der Taufe einer neuen Fregatte bei. Im Baudock 5 der Werft gab Gerlinde Kretschmann bei nebliger Kälte dem Schiff den Namen „Baden-Württemberg“. Zweimal musste die Gattin des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) die Taste des Wurfmechanismus drücken, bevor die Sektflasche „Kessler Hochgewächs“ steuerbords am Bug zerschellte.

Die „Baden-Württemberg“ ist das Typschiff der neuen Fregattenklasse F125. Vier dieser ultramodernen Kampfschiffe sollen die Deutsche Marine künftig in die Lage versetzen, beim Schutz von Handelsrouten weltweit und bei „asymetrischen Konflikten“ noch effektiver einzugreifen, wie es Vizeadmiral Axel Schimpf ausdrückte, der Inspekteur der Marine. Gemeint sind damit Einsätze wie jene gegen Piraten vor Somalia, bei denen die Marine derzeit ihre Fregatten F124 einsetzt.

Für die Schiffbauer und die Vertreter der deutschen Werften aber stellt sich auch die Frage, woher die Deutsche Marine künftig ihre Schiffe bekommt – und wie viele. „Der Schiffstyp F125 ist geprägt durch zahlreiche Innovationen“, sagte Hans Christoph Atzpodien, Vorstandsvorsitzender der Konzernsparte Industrial Solutions beim Essener Konzern ThyssenKrupp, zu der auch der Marineschiffbau von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) zählt. „Gerade diese Innovationen sind es, die zusammen mit der Partnerschaft mit der Deutschen Marine geeignet sind, unsere Chancen auf dem Exportmarkt zu stärken, auf den der deutsche Marineschiffbau zur Sicherung seiner Beschäftigung in Zukunft mehr denn je angewiesen sein wird. Das gilt insbesondere angesichts der geringen Spielräume, die hierzulande absehbar in den kommenden Jahren für neue Programme bleiben werden.“

Alle führenden deutschen Marinewerften sind am Bau der F125 in einer Arbeitsgemeinschaft vertreten: neben Systemführer TKMS die Bremer Lürssen-Gruppe und Blohm+Voss. Vor allem für Blohm+Voss steht infrage, wie lange die Werft noch Fregatten, Korvetten und andere Typen wie etwa Einsatzgruppenversorger bauen wird. Anfang 2012 wurde die Werft von ThyssenKrupp an den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners verkauft. Der Entwurf von Marineschiffen, der Materialeinkauf, die Projektleitung und Bauüberwachung liegen für ThyssenKrupp nun beim Unternehmen Blohm+Voss Naval, das im Konzern bleibt und mit den anderen Blohm+Voss-Gesellschaften unternehmerisch nichts mehr zu tun hat. Die Werft Blohm + Voss Shipyards wiederum fertigt nun als Auftragsunternehmen den Stahlbau für die vier F125-Fregatten. Bis Ende 2014 werden alle vier Schiffe der neuen Serie zum Stückpreis von je 660 Millionen Euro in Hamburg auf Kiel gelegt. Die „Baden-Württemberg“ soll 2016 an die Deutsche Marine abgeliefert werden, das vierte Schiff der Reihe voraussichtlich im Jahr 2018. Mit dem Stahlbau und bestimmten Ausrüstungsarbeiten deckt Blohm+Voss Shipyards je Schiff etwa ein Viertel des Auftragswertes ab.

Aufträge der deutschen Marine werden immer knapper. Die beiden großen deutschen Anbieter im Geschäft, ThyssenKrupp und Lürssen, bündeln ihre Kräfte. TKMS hat sich mittlerweile völlig auf den Bau von Marineschiffen fokussiert. Den Mittelpunkt bildet dabei die Großwerft HDW in Kiel, Weltmarktführer beim Bau von U-Booten mit nicht-nuklearem Antrieb. Auch beim Tochterunternehmen Kockums in Schweden baut TKMS Marineschiffe. Lürssen wiederum hat die Zahl seiner Standorte für Marineschiffe in den vergangenen Jahren erweitert. Das Bremer Familienunternehmen kaufte 2012 die Peene-Werft in Wolgast, einst das führende Marineschiffbau-Unternehmen der DDR. In Hamburg erwarb Lürssen die auf Reparaturen auch von Marineschiffen spezialisierte Norderwerft. Der Versuch einer Übernahme von Blohm+Voss scheiterte im Jahr 2011.

Lürssen wie auch ThyssenKrupp haben ausreichend Kapazitäten, um Marineüberwasserschiffe für die Deutsche Marine künftig ohne Blohm+Voss in Hamburg zu bauen. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts könnte der Bau einer Generation von Mehrzweckkampfschiffen starten. Die Schiffe unter dem Projektnamen MKS 180 sind in einer Größenordnung zwischen Korvetten und Fregatten vorgesehen. Noch aber wurde die Ausschreibung durch das Bundesverteidigungsministerium nicht gestartet. „Wir haben Sorge, dass sich der deutsche Marineschiffbau angesichts eines sich stark wandelnden internationalen Umfeldes und der Art der Ausschreibung womöglich gar nicht wird an der Ausschreibung beteiligen können“, sagte Atzpodien.

In den vergangenen Jahren hat der Bund größere Marinebauaufträge stets an Arbeitsgemeinschaften von mehreren Werften vergeben. Das diente auch der Verteilung der Wertschöpfung auf verschiedene Standorte und Bundesländer. Wegen des Sparzwangs bei der öffentlichen Hand steht infrage, ob das so bleibt. „Ich frage mich, ob die deutsche Werftindustrie bei den nächsten Neubauprogrammen für die Deutsche Marine noch dabei sein wird“, sagte Blohm+Voss-Chef Herbert Aly bei einer Betriebsfeier nach der Schiffstaufe. „Wenn man, so wie heutzutage, die Teile für ein einzelnes Schiff bei verschiedenen Werften fertigen lässt, dann deshalb, um möglichst viel Wissen und Expertise im Land zu halten.“

Das Ringen um den deutschen Marinemarkt wird ohne Zweifel härter. Aber auch der Export von Rüstungsgütern könnte in den kommenden Jahren erschwert werden. Die SPD hat sich vor dem Start einer Großen Koalition mit der Union bereits sehr kritisch zu diesem Thema geäußert. Die Lürssen-Gruppe jedenfalls will 2014 eine neue permanente Vertretung in Berlin eröffnen. Man weiß ja nie, wozu es gut ist.