Wegen des Einbaus falscher Komponenten geht ein Block noch später ans Netz. Die Kosten steigen immer weiter

Hamburg. Während Windkraftanlagen wie Pilze aus dem Boden schießen, geht es mit einem riesigen Kraftwerksprojekt im Norden nicht voran: Beim Kohlekraftwerk in Moorburg sind erneut Probleme aufgetreten. Betreiber Vattenfall hat bei der Strombörse EEX in Leipzig Verzögerungen angemeldet. Demnach sollen jetzt beide Kraftwerksblöcke erst im dritten Quartal 2014 den kommerziellen Betrieb aufnehmen. Ursprünglich sollte Block B bereits Anfang 2014 ans Netz gehen.

Grund ist, dass beim langsamen Hochfahren der Kraftwerksanlage neue Baumängel aufgetreten sind, bestätigte Vattenfall dem Abendblatt auf Anfrage. „Die neuen Arbeiten unter anderem am Kessel sind nach Messungen, Einstellarbeiten und Belastungstests im Rahmen der Inbetriebnahme erforderlich geworden“, sagt Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier. „Das ursprünglich avisierte Inbetriebnahmedatum für Block B musste aufgrund erforderlicher Anpassungen damit um rund drei Monate verschoben werden. Der kommerzielle Betrieb des Blocks A soll auch weiterhin im dritten Quartal 2014 erfolgen.“ Um welche „erforderlichen Anpassungen“ es geht, wollte der Sprecher nicht konkretisieren.

Wie das Abendblatt aus Unternehmenskreise erfuhr, sollen an den Kesseln beider Kraftwerksblöcke Komponenten vertauscht worden sein. Die Anlagenteile sind zur präzisen Steuerung der Kraftwerksleistung genau auf einen der beiden Blöcke abgestimmt. Doch beim Einbau wurde in diesem Fall geschlampt. Teile für Block B fanden sich im Block A und umgekehrt.

Für den Energiekonzern Vattenfall ist das ärgerlich und vor allem teuer. Denn jeder Tag, an dem das Projekt keinen Strom produzieren und verkaufen kann, lastet auf der riesigen Anlage, die ohnehin schon verspätet ans Netz geht. Ursprünglich sollten die beiden Kraftwerksblöcke gestaffelt 2012 und 2013 den Betrieb aufnehmen. Doch dann wurden an den Schweißnähten der beiden rund 100 Meter hohen Heizkessel Spannungsrisse entdeckt. Die Kessel waren aus einem neuen Spezialstahl gefertigt worden, der sich im nachhinein als unbrauchbar erwies. Rund zehn Prozent Stahlfläche der beiden Kessel musste ausgetauscht und durch herkömmlichen Stahl ersetzt werden. Die Verbindung von altem und neuen Material erwies sich als komplex. Schließlich gab Vattenfall bekannt, dass sich die Inbetriebnahme bis Anfang des Jahres 2014 verzögert.

Mit den Problemen wuchsen die Kosten, zuletzt von 2,6 auf 2,8 Milliarden Euro. Schon der Bau eines zusätzlichen Kühlturms, dem Vattenfall in einer Einigung mit der Stadt über die wasserrechtliche Genehmigung zustimmte, hat die ursprünglichen Kosten der Gesamtanlage von zwei Milliarden Euro deutlich nach oben schnellen lassen. Welche finanziellen Auswirkungen die neuerlichen Verzögerungen haben, ist noch unklar. Ebenso, wer die Reparaturen bezahlt.

Verantwortlich für die vertauschten Anlagenelemente soll nämlich dasselbe Unternehmen sein, mit dem sich Vattenfall schon über den schadhaften Kesselstahl streitet: Und das ist der japanische Anlagenbauer Hitachi Power. Mit diesem war Vattenfall bereits über die Reparaturkosten für den Stahlwechsel in Clinch geraten. Ob sich die beiden Unternehmen darüber inzwischen geeinigt haben, ist offen: „Zu Gesprächen mit Hitachi nehmen wir keine Stellung“, sagt Kleimeier.

Wenn Moorburg voll in Betrieb ist, kann das Kraftwerk jährlich elf Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren. Damit könnte annähernd der Verbrauch in Hamburg gedeckt werden. Allerdings haben erneuerbare Energien Vorrang im Netz.