Deutliche Lohnsteigerung im Süden als Vorbild für Hamburg. Geschäftsleute zuversichtlich für Weihnachtsgeschäft

Hamburg. Nach monatelangem Ringen haben die Tarifparteien in Baden-Württemberg die bundesweit erste Einigung im Einzelhandel erzielt. Die Beschäftigten erhalten ein deutliches Lohnplus: Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben sich auf eine Steigerung der Bezüge von drei Prozent für die rund 220.000 Beschäftigten in Baden-Württemberg rückwirkend zum 1. Juli 2013 geeinigt. Zum 1. April 2014 sollen die Tariflöhne dann um weitere 2,1 Prozent steigen.

Es gibt zwar keinen bundesweiten Tarifvertrag, die Ergebnisse in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen galten zuletzt aber häufig als Vorlage. In Hamburg wertet die für den Handel zuständige Gewerkschaft Ver.di die Einigung von Baden-Württemberg als positives Signal für die laufenden Verhandlungen im Norden. „Die Einigung hat ein gutes Volumen“, bewertete Arno Peukes, Verhandlungsführer von Ver.di in Hamburg, den Abschluss im Süden. In der Hansestadt zielt die Forderung der Gewerkschaft allerdings nicht auf eine prozentuale Steigerung der Entgelte, sondern auf eine Erhöhung pro Kopf um 150 Euro. So sollen die unteren Einkommen überproportional profitieren, um Belastungen für Geringverdiener wie etwa die steigenden Mieten in Hamburg abzumildern. Eine ungelernte Verkäuferin, die derzeit 1324 Euro brutto im Monat etwa bei H&M oder im Supermarkt verdient, würde dann auf 1474 Euro kommen. Für eine erfahrene Filialleiterin würde sich die Steigerung nach dieser Forderung weniger deutlich auswirken – ihre Bezüge stiegen dann von 3258 Euro im Monat auf 3408 Euro.

Das Angebot der Hamburger Arbeitgeber sieht dagegen ein Plus von 2,5 Prozent für dieses Jahr und eine weitere Anhebung um zwei Prozent 2014 vor. Am nächsten Dienstag gehen die Verhandlungen für die 70.000 Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel in die sechste Runde.

Auch wenn Ver.di zuversichtlich ist, an diesem Tag eine Einigung mit den Arbeitgebern erzielen zu können – Streiks vor Weihnachten sind bisher nicht auszuschließen. In ganz Deutschland hatte Ver.di die Beschäftigten bereits seit Monaten zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. In Berlin und Brandenburg waren für Donnerstag neue Aktionen angesetzt. Peukes warnt die Hamburger schon einmal vor: „Wenn es zu keinem Abschluss kommt, werden wir über Streiks nachdenken.“. Diese könnten dann kurzfristig beginnen, auch wenn der Advent die wichtigste Zeit für die Geschäfte ist: Bundesweit immerhin 80,6 Milliarden Euro Umsatz fallen auf die Monate November und Dezember, schätzt der Handel. Das sind gut 18 Prozent der Jahreserlöse.

Grundsätzlich ist die Branche für die laufende Geschenkesaison zuversichtlich: „Wir hoffen, auf ein Umsatzplus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu kommen“, sagt Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands in Hamburg. Die Stadt profitiere nach wie vor von ihrer bundesweit an der Spitze liegenden Kaufkraft. „Die Hamburger wollen in diesem Jahr zu Weihnachten zwischen 280 und 400 Euro für die Familie ausgeben“, sagte Linnekogel. Die Kaufleute hofften nun auf relativ kaltes, wenig sonniges Wetter ohne Regen: Dann kaufen die Leute am meisten.

Neben den Lohnsteigerungen für alle Beschäftigten der Branche sind es derzeit in erster Linie die Kassierer, die den Fachleuten im Handel Kopfzerbrechen bereiten: Die Arbeitgeber wollen bei neu eingestellten Mitarbeitern an der Kasse Abstriche in der Bezahlung durchsetzen. „Die bestehenden Regeln stammen aus den 60er-Jahren“, argumentiert Linnekogel. Seitdem hätten sich aber die Aufgaben an der Kasse erheblich vereinfacht. „Das kann man in zwei Stunden lernen“, sagt der Verbandschef. Schließlich machten Scannerkassen und Wechselgeldautomaten in vielen Geschäften umständliches Kopfrechnen und einen umfangreichen Sortimentsüberblick heute überflüssig. Und dennoch verdienten Kassierer mehr als Einzelhandelskaufleute, die im Einkauf oder der Kalkulation arbeiteten: Ein Kassierer bekommt in Hamburg nach fünf Berufsjahren 2630 Euro brutto, ein Einzelhandelskaufmann 2248 Euro.

Einer der strittigsten Punkte in Baden-Württemberg sei bis zuletzt auch die Frage gewesen, wie Regalauffüller, die oft über Werkverträge ausgegliedert würden, wieder in den Tarifvertrag geholt werden könnten, hieß es bei Verdi. Der erzielte Kompromiss sieht vor, dass eine neue Lohngruppe mit einem Stundenlohn von knapp unter zehn Euro geschaffen wird. Dieses Thema bewegt auch die Hamburger Tarifparteien, allerdings verfolgen nur wenige Kaufleute in der Stadt diese Politik des billigen Outsourcings, sagte Peukes.

Auch wenn es noch unklar ist, inwieweit sich die Verhandlungspartner am Dienstag über die strittigen Punkte einigen können, in einer immer wieder heiß diskutierten Frage herrscht derzeit Ruhe in Hamburg: Es bleibt, weil hier derzeit nicht um den Manteltarifvertrag gerungen wird, bei den 37,5 Stunden Arbeitszeit im Hamburger Handel.