Vor 25 Jahren begann das Hamburger Unternehmen Joey’s Pizza. Nun will es die Filialzahl verdoppeln. Harter Kampf mit der Konkurrenz

Hamburg. Im Konferenzraum im Erdgeschoss ist eine große Karte von Deutschland aufgestellt. Kleine rote Stecknadeln sind von Nord bis Süd, von West bis Ost hineingepinnt, besonders viele sind es in Hamburg und Berlin. Die beiden Städte sind quasi rotes Territorium – und damit Territorium von Joey’s Pizza. Jede rote Stecknadel steht für eine Filiale des Lieferunternehmens, das vor genau 25 Jahren in der Hansestadt gegründet wurde.

So weit, so gut. Wäre da nicht das Ruhrgebiet. Zwischen Gelsenkirchen, Bochum, Essen und Dortmund wohnen mehr als fünf Millionen Menschen, doch die roten Stecknadeln kann man hier an einer Hand abzählen. Der Pott ist Hallo-Pizza-Gebiet – und damit Hoheitsgebiet der Nummer zwei der Lieferantenbranche.

Karsten Freigang, Geschäftsführer von Joey’s und damit der Nummer eins, steht in der Zentrale des Unternehmens unweit des Hamburger Hauptbahnhofs, guckt noch einmal auf die Deutschlandkarte und verzieht das Gesicht. Ein bisschen wurmt ihn das mit dem Ruhrgebiet ja schon. Zumal er selbst gebürtig aus dieser Ecke kommt, er wurde in Duisburg geboren. „Hier müssen wir noch aufholen“, sagt er. Ganz leicht wird das nicht – denn Hallo Pizza ist zwischen Rhein und Ruhr nicht nur besonders präsent, sondern hat dort auch seinen Sitz.

Freigang ist allerdings nicht der Typ, der sich lange zerknirscht über diesen Umstand zeigen würde, zumindest nicht nach außen. Er ist Verkäufer durch und durch, gewinnendes Lächeln, gerader Rücken. 208 Filialen habe Joey’s derzeit, verkündet er, 200 davon werden von Franchisenehmern betrieben, acht gehören der Zentrale. „Und zwei weitere werden noch in diesem Jahr eröffnet.“ Denn die Pizza made in Hamburg ist auf Expansionskurs: In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll die Zahl der Standorte verdoppelt werden. „Wobei es auch nicht schlimm ist, wenn wir dann nur 350 statt 400 Filialen haben“, sagt Freigang. Nachhaltigkeit sei wichtiger.

Zumal die Konkurrenz auf dem Liefer-Fastfood-Markt groß ist. Allein in Hamburg gibt es zig weitere Anbieter, sie heißen Smiley’s, Max Pizza, Call a Pizza, Ready Pizza, Drive Pizza, außerdem gibt es Anbieter für Sushi, Asia-Essen, Indisch sowie Burger an fast jeder Ecke. „In Hamburg gibt es nicht mehr so viele Perspektiven“, sagt Freigang, „höchstens die Möglichkeit, schon bestehende Liefergebiete zu teilen.“ Und dann lockt ungeduldige Hungrige ja auch immer noch die Pizza aus der Tiefkühltruhe. Joey’s Alleinstellungsmerkmal bei alldem? „Bei uns bestellt man, wenn man sich belohnen will“, ist sich Freigang sicher.

Was für ihn schwerer wiegt, ist aber die Konkurrenz auf dem Franchisemarkt. Joey’s sucht laufend nach neuen Partnern, genau sie sind nötig, wenn der Plan mit der Standortverdopplung aufgehen soll. Allerdings buhlen bundesweit mehr als 800 Franchiseanbieter um motivierte Existenzgründer, die bereit sind, für ein mittelgroßes Eigenkapital ein vorgefertigtes Geschäftskonzept zu übernehmen.

Bei Joey’s muss man mindestens 30.000 Euro mitbringen und danach 5,5 Prozent des Nettoumsatzes an Franchisegebühr abführen. Damit liegt Joey’s in der Branche eher am unteren Ende: Bei Pizzalieferant Domino’s Pizza sind 80.000 Euro Startkapital fällig, bei Fischverkäufer Nordsee sogar 100.000 Euro.

„Ein Franchisenehmer muss die Ärmel hochkrempeln“, sagt Freigang. „Er sollte Unternehmertyp sein, er muss ein Team aufbauen und führen können. Das ist kein Job für nebenbei. Wir sind hier schließlich in der gastronomischen Königsklasse.“ Er meint das ernst – auch, wenn es nicht um Sterneküche geht. „Die Arbeit hier ist anspruchsvoller als in normalen Restaurants“, sagt Freigang. „Es handelt sich immerhin um hoch technisierte Systeme und Produktionsprozesse, gleichzeitig ist so ein Lieferdienst auch Logistikunternehmen. Es ist eine Menge Koordination nötig.“

Angefangen hat alles 1988 mit einer Filiale in Eimsbüttel. Joey’s-Gründer Carsten Gerlach hatte bei einer Amerikareise das Prinzip des Pizzabringdienstes kennen- und lieben gelernt – und holte es als einer der Ersten in die Bundesrepublik. Noch im Jahr der Eröffnung kamen zwei weitere Betriebe hinzu, rund 100 waren es zur Jahrtausendwende. Heute arbeiten mehr als 5000 Menschen für Joey’s, 2012 belief sich der Umsatz auf 120 Millionen Euro. „Schon die Hälfte wird dabei mit Bestellungen aus dem Internet erwirtschaftet“, sagt Freigang, der seit dem Jahr 2007 an Bord ist.

Er steigt in seinen Wagen und braust von der Zentrale zur Filiale am Valentinskamp in die Neustadt. Sein Auto ist zwar kein Lieferauto, aber es ist komplett mit Joey’s-Werbung beklebt. Das Kennzeichen: HH-JP – JP für Joey’s Pizza. Der Standort ist einer mit kleinem Gastraum, vor allem mittags kommen viele aus den Büros zum Essen hierher. Rund ein Drittel der Joey’s-Verkäufe macht dieser Mittagslunch insgesamt aus, etwa zwei Drittel sind die abendliche Bestellung.

Freigang ruft ein lautes „Hallo“ in die Küche, in der man einen guten Eindruck davon bekommt, was Systemgastronomie bedeutet: Ganz hinten wird der Pizzateig geknetet und ruht dann 48 Stunden in einem Kühlraum. Damit jede Pizza auch die richtige Größe hat, wird der Teig an der nächsten Station in kleine Pfannen gedrückt, die einen Durchmesser von 25, 28 oder 38 Zentimetern haben – wobei die kleinste Größte am meisten gefragt ist. Kommt dann eine Bestellung herein, geht die Arbeit im Akkord: in wenigen Sekunden kann ein erfahrener Mitarbeiter die Pizza belegen, alle Zutaten liegen griffbereit an der entsprechenden Station. Künstlerische Freiheit gibt es keine. Die Mengen von Schinken, Käse und Co. ist bei jeder Pizza bis aufs Gramm genau festgelegt. Dann geht es für die Pizza in einen Rollofen, fünf Minuten bei mehr als 400 Grad. Kommt sie hinten raus, wird sie sofort im Pappkarton und dann in der vorgewärmten Liefertasche verpackt. Der Pizzafahrer wartet schon. „Wir versuchen unser Bestes, innerhalb von 30 Minuten zu liefern“, sagt Freigang. „Bei 80 Prozent aller Bestellungen klappt das auch.“ Jeden Tag werden mehr als 45.000 Gerichte ausgeliefert und rund zehn Millionen Pizzen im Jahr. Sie machen den Löwenanteil der Bestellungen aus, der Rest sind Nudeln, Salate und kleinere Snacks.

Die Hamburger Kunden mögen es dabei klassisch, am meisten bestellt wird hier die Pizza Salami Supreme mit extra viel Belag. 15 Prozent des Umsatzes werden von Joey’s in der Hansestadt erwirtschaftet. Freigang selbst isst nach eigenem Bekunden mindestens zweimal die Woche eine Pizza aus seinem Hause, seine Lieblingssorte ist die Pizza Gourmet mit Steakstreifen. Jedes Jahr freut er sich aber besonders auf den 1. Januar: Wenn Deutschland verkatert zu Hause liegt und den Silvesterrausch auskuriert, müssen die Joey’s-Mitarbeiter von Nord bis Süd, von West bis Ost so richtig klotzen. „Der 1. Januar ist der stärkste Tag des Jahres“, sagt Freigang. Und das gilt dann auch für das Ruhrgebiet.