Victor ist ein geheimer Weltmarktführer aus dem Norden. In China wird produziert, an der Krückau sitzt die Denkzentrale

Elmshorn . Jan Beutler nimmt einen Federball in die Hand und zeigt auf das perfekte Rund der Gänsekiele im Kork. „Das ist Hightech, auch wenn das kaum jemand glaubt“, sagt der Inhaber der Firma Victor, die in einem grauen Zweckbau sitzt, im Gewerbegebiet am Rande von Elmshorn, mit Nachbarn wie Schrotthändlern und Logistikfirmen. So unscheinbar kann ein Weltmarktführer residieren: Victor ist der größte Hersteller von Federbällen auf der Erde.

Vier Millionen Stück produziert Victor im Monat, in einer eigenen Fabrik mit 1200 Mitarbeitern in China, ausgestattet mit modernsten Maschinen. „Früher haben die Arbeiter Tonnen von Gänsefedern noch per Hand nach Größe sortiert“, sagt Beutler, heute übernimmt diese Präzisionsarbeit eine Zentrifuge, ein für Victor eigens angefertigter Automat, denn auch in Sachen Technologie wollen die Elmshorner immer in der ersten Liga spielen.

„Es kommt auf den Winkel an, in dem die Federn ausgerichtet sind, das Ganze ist mehr als Millimeterarbeit“, begeistert sich Beutler für die Feinheiten seines Produkts, das neben Schuhen, Schlägern oder Kleidung von Victor von Badmintonspielern immer stärker nachgefragt wird: Umsatzsteigerungen im zweistelligen Bereich sind für Victor normal. Von derzeit gut 100 Millionen Dollar Umsatz will sich die Firma im nächsten Jahr noch einmal auf etwa 120 Millionen Dollar steigern.

In Fernost ist Badminton ähnlich beliebt wie Fußball

Ob Profis aus Indonesien, Brasilien, aus Korea oder Deutschland, alle schwören auf die Präzision, die sie mit Victor-Bällen erreichen können. „Mit einfachen Kunststoffbällen schaffen Sie weder einen ordentlichen Stoppball und können auch keinen Slice spielen“, verrät Beutler die Geheimnisse des schnellen Sports. Zwar leisten sich nur die Besten die Federbälle mit echten Federn, immerhin kostet eine Dose 20 Euro. Aber die Masse macht’s: Während Badminton es in Deutschland gerade mal unter das erste Dutzend der beliebtesten Sportarten schafft, erreicht der Ballsport in Fernost einen Spitzenplatz, neben Fußball und Tischtennis.

Genau diese Beliebtheit macht sich Beutler bei Victor zunutze. Der Unternehmer, der selber zehn Jahre mit seiner Familie in Ländern wie China, Dubai und Hongkong gelebt hat, sieht hier fantastische Wachstumschancen: „Allein in China steigen jedes Jahr 150 Millionen Menschen wirtschaftlich auf, die dann Sport treiben und damit potenziell Badminton spielen wollen“, sagt der 52-Jährige. Bereits heute erzielt Victor die Hälfte seines Umsatzes in der Volksrepublik. Beutler rechnet damit, dass die Erlöse hier weiterhin um 20 Prozent steigen. „Die Menschen in Asien werden wohlhabender, da nimmt die Freizeit einen wachsenden Stellenwert ein.“

Die Elmshorner sponsern 100 Spitzensportler weltweit

Aber auch in anderen Regionen der Welt ist Victor auf dem Court zu Hause. Immer mehr Bulgaren, Rumänen und Russen kaufen Victor-Produkte, und auch jenseits des Atlantiks macht Victor anderen Badmintonausstattern wie Yonnex oder Babolat Konkurrenz. „Wir haben auch schon die brasilianische Nationalmannschaft gesponsert“, sagt Beutler über die Aktivitäten der Elmshorner in Südamerika. Auch Weltklassespieler wie Lee Yong Dae und Jung Jae Sung aus Südkorea gehören zu den 100 Spitzensportlern, die Victor weltweit sponsert. Wenn die Stars im Fernsehen jubelnd die Faust in den Himmel recken, sehen Millionen von Zuschauern das „V“ für Victor auf ihrem T-Shirt, auf den Schuhen und dem Schläger.

Beutler nimmt im Showroom des Unternehmens, das sich in Elmshorn mit 30 Mitarbeitern auf den Vertrieb, das Marketing und das Design der Marke konzentriert, einen neuen Schuh in die Hand: „Wir setzen klar auf Qualität, nicht nur bei den Federbällen“, sagt der Chef, der sich das Wissen um den Sport allerdings erst spät angeeignet hat. 1997 kaufte der Unternehmer, der aus einer Hamburger Händlerfamilie stammt, die Firma Victor, als der Besitzer der GmbH verstorben war. Damals kannte Beutler Badminton nur vom Hörensagen. Doch mit seiner neuen Tätigkeit wollte er es wissen: Sofort meldete sich der Diplom-Kaufmann im Badmintonverein daheim in Blankenese an und kniete sich richtig rein in das Spiel, mit dem Victor seit jeher sein Geld verdient.

Übrigens führt die Geschichte des Unternehmens nicht nur nach Elmshorn und in früheren Zeiten auch nach China, sondern auch nach Hamburg: Bis 1989 hatte Victor den Firmensitz in Lurup, zog dann aber wegen der niedrigeren Gewerbesteuer und günstigeren Löhnen in die Stadt an der Krückau. Und auch wenn das Gewerbegebiet rund um Victor besonders an diesem grauen Herbsttag einen eher trostlosen Eindruck macht: Immerhin verdienen in Elmshorn auch andere große Firmen Millionen von Euro, wie Teppich Kibek und der Haferflockenhersteller Kölln.