3000 Airbus-Beschäftigte in Hamburg warnen davor, kurzfristige Gewinnziele der Muttergesellschaft EADS über die Zukunftssicherung zu stellen

Hamburg. Auch wenn der „Aktionstag“, zu dem die IG Metall die Beschäftigten des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS aufgerufen hatte, ausdrücklich kein Warnstreik sein sollte, hätte ein außenstehender Beobachter keinen Unterschied erkennen können: Am Donnerstag kurz vor 10 Uhr versammelte sich eine große Zahl von Airbus-Beschäftigten in Hamburg mit Bannern, Transparenten und Trillerpfeifen zu einem Protestzug. Sein Ziel war eine improvisierte Bühne vor dem Werkstor des zur EADS-Gruppe gehörenden Standorts auf Finkenwerder. 3000 Teilnehmer hatte die Kundgebung nach Angaben der Gewerkschaft in Hamburg, einschließlich der anderen Werke hätten sich rund 8000 von 25.000 EADS-Mitarbeitern in Norddeutschland am „Aktionstag“ beteiligt.

„Der starke Auftakt im Norden macht deutlich, dass die angekündigten Veränderungen nur mit und nicht gegen die Beschäftigten möglich sind“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Der Hintergrund: Angesichts der Flaute bei Regierungsaufträgen will EADS-Chef Tom Enders die Rüstungs- und die Raumfahrtsparte sowie die militärischen Projekte von Airbus zu einem neuen Unternehmensbereich, der von München aus geführt werden soll, zusammenlegen.

Diese Umstrukturierung betrifft im Norden vor allem den Standort Bremen. Dort hat bisher das Raumfahrtgeschäft seinen Sitz, außerdem sind dort auch die beiden anderen betroffenen Sparten vertreten. Darüber hinaus strebt Enders an, die Umsatzrendite des Konzerns von zuletzt weniger als sechs Prozent bis zum Jahr 2015 auf zehn Prozent zu steigern.

In einem Zeitungsinterview hatte der EADS-Vorstandsvorsitzende angekündigt, es werde in einigen Teilen der Belegschaft tiefe Einschnitte geben. Unbestätigten Berichten zufolge könnten bis zu 8000 Arbeitsplätze wegfallen, das Einsparungspotenzial im Konzern wird laut „Handelsblatt“ intern auf 690 Millionen Euro veranschlagt.

Betriebsräte und Gewerkschafter fürchten zudem, dass die Zukunftssicherung durch Forschung und Entwicklung unter den verschärften Renditevorgaben leiden könnte. „Wir warnen die Geschäftsführung davor, die Rendite über alles zu stellen“, sagte Geiken. Der Konzern dürfe nicht nur an die Aktionäre denken, sondern müsse auch die Zukunft von Arbeitsplätzen und Standorten im Blick behalten: „Wir brauchen weitere Investitionen und vor allem Innovationen, damit die 25.000 Arbeitsplätze von EADS in Norddeutschland langfristig gesichert sind.“

Auch wenn die Umstrukturierung vor allem die Rüstungs- und die Raumfahrtsparte betreffe, sei durchaus auch der aktuell sehr erfolgreiche Zivilflugzeugbau von den Plänen des EADS-Vorstands unmittelbar berührt, sagte Geiken. Er erinnerte daran, dass Airbus 80 Prozent des Konzernumsatzes erziele: „Wenn man das weiß, dann weiß man auch, wer die Einsparungen leisten soll.“ Rüdiger Lütjen, der Vorsitzende des Europäischen Betriebsrates von EADS, forderte das Management auf, die geplanten Veränderungen nicht gegen die Beschäftigten durchzusetzen: „Es liegt jetzt am Unternehmen, ob man auf Kooperation oder Konfrontation setzt.“ Eindeutig sei: „Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, so Lütjen. „Das ist den Beschäftigten bei der insgesamt guten wirtschaftlichen Situation und Auftragslage des Konzerns nicht vermittelbar.“ Gegen den Anspruch der Wirtschaftlichkeit sei nichts einzuwenden, sagte Lütjen. „Aber man muss fair teilen.“ Dazu gehöre auch, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die nicht krank machen.

Jan-Marcus Hinz, der Vorsitzende des Airbus-Betriebsrats in Hamburg, hatte kürzlich im Abendblatt-Interview gesagt, der Druck auf die Beschäftigten sei schon jetzt sehr hoch. Sie arbeiteten an vielen Wochenenden, die Arbeitszeitkonten liefen über. Das erzeuge Stress, und der mache krank.

Angesichts der Veränderungen im Konzern dürfe sich die Politik nicht in die Zuschauerrolle begeben, sagte Geiken: „Notwendig sind Planungssicherheit bei Aufträgen sowie die Förderung von Forschung und wichtigen Zukunftsprogrammen.“ Von der künftigen Bundesregierung erwarte man, dass sie bald einen industriepolitischen Dialog mit dem Konzern, der Wissenschaft und der Gewerkschaft starte.

„Wir haben Verständnis für die Sorgen unserer Mitarbeiter“, erklärte ein EADS-Sprecher zu dem „Aktionstag“. Dem Unternehmen gehe es darum, die Wettbewerbsfähigkeit des Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäfts langfristig sicherzustellen. Dazu seien aber, wie von Enders angekündigt, auch „deutliche Einschnitte“ nötig. Einzelheiten der Pläne werde man am 9. Dezember zunächst dem Europäischen Betriebsrat und im Anschluss daran der Öffentlichkeit mitteilen.