Fast jede zweite Firma in der Branche sucht Spitzenpersonal. Verdienst in Hamburg ist deutlich höher als bundesweit

Hamburg. Henrik Steffen sitzt mit seiner Firma im Channel Tower in Harburg. Aus dem 14. Stock schweift der Blick über das Wasser und über die Stadt. Das Bürogebäude zählt mit seiner modernen Glasarchitektur zu den begehrten Firmenstandorten in Hamburg. Die Geschäfte laufen gut. Nur eine Sorge treibt den Internetunternehmer um: „Wir finden derzeit viel leichter neue Kunden als Mitarbeiter“, sagt Steffen, der eigentlich allein mit dem attraktiven Unternehmenssitz und auch mit seiner bemerkenswerten Gründerstory schon genügend Bewerber anlocken dürfte: Schon im Alter von 17 Jahren gründete der gebürtige Stader beim Schüleraustausch in Schweden seine erste Firma. In dem Land, das weltweit zu den IT-Vorreitern gehört, schuf er den Internetauftritt der Schule und später auch der Stadt. Das Internet hat den 35-Jährigen seither nicht mehr losgelassen, mit seiner Agentur Top Concepts erstellt er die Homepages und Onlineshops für Firmen wie Tennis-Point.de, für den Elektrogroßhändler Adalbert Zajadacz oder den Vossberg Versand aus Hamburg.

„Als E-Commerce-Agentur müssen wir unseren Mitarbeitern mehr als nur gutes Gehalt bieten. Wir locken neue Fachkräfte unter anderem mit vermögenswirksamen Leistungen, der HHV Proficard, frischem Obst und achten darauf, dass es keine Überstunden gibt – für eine Agentur unüblich, aber bei uns umsetzbar“, sagt Steffen. Die Firma mit derzeit 18 Mitarbeitern, die in nächster Zeit sechs bis acht neue Programmierer und Software-Architekten sucht, steht mit diesem Problem des Fachkräftemangels keineswegs alleine. Die starke Nachfrage und das begrenzte Angebot an Nachwuchs, eine Folge des demografischen Wandels und der Tatsache, dass sich nach wie vor nur wenige Frauen für IT begeistern, treibt die Gehälter der Spezialisten in die Höhe.

Laut einer aktuellen Studie des Internet-Branchenverbands Hamburg@work und Norddeutschen Unternehmensverbands für den Groß- und Außenhandel (AGA), die dem Abendblatt vorliegt, verdienen Entwickler und Programmierer nach einigen Berufsjahren bereits 70.000 Euro, in größeren Firmen bringen es diese Spitzenverdiener sogar auf Gehälter von 100.000 Euro in Hamburg. „Die Stadt bietet gerade für junge Talente sehr viel Lebensqualität. Allerdings spielt das Gehalt bei der Entscheidung für oder gegen den Arbeitgeber immer noch mit die größte Rolle“, sagt Uwe Jens Neumann, Geschäftsführer von Hamburg@work. Gut bezahlt wird auch in der IT-Administration, doch an zweiter Stelle in der aktuellen Gehaltstabelle der IT-Fachkräfte steht der Bereich Systemintegration. Dies überraschte die Herausgeber der Studie, da diese Mitarbeiter im bundesdeutschen Durchschnitt normalerweise ein Jahreseinkommen von 30.000 bis maximal 40.000 Euro erwarten dürfen. In Hamburg liegen die Gehälter deutlich höher: Mitarbeiter bis 30 Jahre dürfen hier ein Gehalt von mindestens 40.000 Euro erwarten, Beschäftigte bis 45 Jahre sogar 60.000 Euro. Der Bereich Design schneidet indes am schlechtesten ab. Selbst Berufserfahrene erhalten im Schnitt nur 28.000 Euro brutto im Jahr.

41,6 Prozent der in der Untersuchung befragten Firmen, sowohl aus der IT-Branche als auch aus Handel und Produktion, sind momentan auf der Suche nach Fachkräften. Aktuell benötigen die Betriebe 13 Wochen, sprich mehr als drei Monate, um vakante Positionen zu besetzen. Die meisten offenen Positionen werden laut den befragten Unternehmen über Empfehlungen vergeben. Manche Firmen verbinden diese Art der Rekrutierung sogar mit einem Bonussystem. Diejenigen Mitarbeiter, die eine Empfehlung für eine neue Kollegin oder einen neuen Kollegen abgegeben haben, erhalten einen Bonus in Form einer Prämie. Die Möglichkeit, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, wird nur von drei Prozent der Firmen genutzt. Die Probleme lägen in der Anwerbung und dem komplizierten Zuwanderungsrecht.

„Auch Abwerben ist nicht unüblich“, sagt Jan Beutler, geschäftsführender Gesellschafter der Victor International GmbH, einem Anbieter von Sportartikeln insbesondere für Badmintonspieler. Auch bei seinem Unternehmen mit Sitz in Elmshorn würden Mitarbeiter direkt von der Konkurrenz mit höheren Gehältern gelockt, hat Beutler erfahren. „Über diese Spezialisten müssen wir dann eine pekuniäre Glocke hängen“, scherzt Beutler.