Schausteller erlösen pro Jahr 3,7 Milliarden Euro. Zahl der klassischen Veranstaltungen sinkt, Weihnachtsmärkte werden immer wichtiger.

Berlin. Bald zieht der Duft gebrannter Mandeln wieder durch die Städte, Kinderaugen leuchten im Karussell. Fast 1500 Weihnachtsmärkte öffnen in den nächsten Wochen in Deutschland. Für Mandelverkäufer, Losbudenbetreiber oder Karussellbesitzer werden sie immer wichtiger, denn es läuft gerade nicht richtig rund im Schaustellergewerbe. Das fahrende Volk muss sich neu präsentieren.

Zwar schlagen die Besucher weiterhin bei Zuckerwatte zu, fahren Autoscooter oder messen sich beim „Hau den Lukas“. Doch die klassische Kirmes reicht den Schaustellern als finanzielles Standbein lange nicht mehr aus. Ein Drittel ihres Umsatzes von 3,7 Milliarden Euro machen sie inzwischen auf den Weihnachtsmärkten.

Das liege auch daran, dass in den vergangenen zwölf Jahren fast ein Viertel der klassischen Volksfeste verschwunden sei, sagt der Hauptgeschäftsführer des Schaustellerbundes, Frank Hakelberg. 9900 sind noch übrig, auf denen die Schausteller mit ihren 11.000 Buden und Karussells in immer stärkerer Konkurrenz stehen.

Albert Ritter ist auf so einem Festplatz geboren. In seiner Familie gibt es Schausteller seit fünf Generationen, angefangen hat alles mit einer Schaubude, in der unter anderem die angeblich „dickste Frau der Welt“ und eine „Dame ohne Unterleib“ auftraten. Jetzt steht der Präsident des Schaustellerbunds mit einem Ausschank auf den Rummelplätzen und sorgt sich vor allem um die kleinen und mittleren Feste. Viele Bürgermeister in den Gemeinden sagten die Kirmes zugunsten von Hummertagen oder anderen exotischen Veranstaltungen ab, sagt er: „Das liegt nicht daran, dass ein Volksfest nicht lukrativ ist.“ Für die Kommune sei ein klassisches Volksfest kostenneutral, ergänzt Hakelberg. Es bleibe sogar ein erheblicher Anteil des Umsatzes in der Region. Einer vom Schaustellerbund in Auftrag gegebenen Studie zufolge fließen auf den 9900 Volksfesten 1,145 Milliarden Euro in die örtliche Wirtschaft. Das sind neben Standgebühren und Stromkosten auch Löhne für Aushilfskräfte, Steuern und die Konsumausgaben der Schausteller. Allein bei den Standgebühren hätten die Gemeinden seit 2000 fast 200 Prozent draufgeschlagen.

In Volksfesten stecke trotzdem nicht das große Geld, betont Agneta Psczolla vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. „In der Regel gilt das Kostendeckungsprinzip, man macht damit keine Gewinne.“ Doch das Geld sei bei der Entscheidung für eine Kirmes auch nicht ausschlaggebend – es gehe um Besucherwirkung, Image und darum, „eine lebenswerte Kommune“ zu sein. Bei den Besuchern bemerken die Städte einen Trend zu Brauchtum statt zu rein kommerziellen Festen. Wein- und Schützenfeste oder Erntedank- und Allerheiligenkirmes sorgten für eine deutlich stärkere Bindung in der Bevölkerung.

Jeder Besucher gibt nach Zahlen des Schaustellerbunds etwa 22 Euro auf dem Rummel aus – das meiste für Crêpes, Bier, Zuckeräpfel, Bratwurst und Co. Am tiefsten greifen die Leute auf dem Münchner Oktoberfest, der Cranger Kirmes in Herne (NRW) und dem Bremer Freimarkt, in die Tasche.

Für wilde Karussells geben Kirmesbesucher derzeit im Schnitt noch 3,50 Euro pro Tag aus. Bis vor Kurzem versuchten sich die Betreiber noch mit immer schnelleren, immer spektakuläreren Fahrgeschäften zu überbieten. Doch das könnte sich ändern, meint Hakelberg: „Nur mit höher, schneller, weiter bei den Fahrgeschäften ist es bald nicht mehr getan.“ Denn die Kirmesbesucher werden älter – und stehen eher auf gebrannte Mandeln statt Überschlag mit Wasserdusche. „Das machen die Knochen dann nicht mehr mit.“