Hamburgs große Traditionswerft will das Geschäft mit Megayachten neu beleben. Abendblatt-Interview mit Unternehmenschef Herbert Aly

Hamburg. Anfang 2012 verkaufte der Konzern ThyssenKrupp die Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss an den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners. Dann wurde es still um das Unternehmen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts das weltweit größte und modernste Zentrum des Schiffbaus war. Die Geschäftsführung um den langjährigen Blohm+Voss-Manager Herbert Aly, 55, positioniert die Werft nun mit komplexen Umbauten und neuen Ideen für Superyachten am hart umkämpften internationalen Markt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Aly, seit fast zwei Jahren agiert Blohm+Voss als Werft unabhängig vom Konzern ThyssenKrupp. Hat sich die Übernahme durch den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners gelohnt?

Ich würde die Übernahme durch diesen Kapitalgeber so wieder favorisieren. Eine Partnerschaft zwischen einem Private-Equity-Unternehmen und einer Werft ist zwar wegen des ausgeprägten Projekt-Charakters unseres Geschäftes nicht unbedingt eine harmonische Ehe, sondern eine Zweckbeziehung auf Zeit. Aber Blohm+Voss hat dieser Schritt 2012 in schwieriger Lage sehr genützt.

Gilt das auch mit Blick auf die Belegschaft und die Zahl der Mitarbeiter?

Wir haben zuletzt sogar einige Stellen aufgebaut. Derzeit hat unser Unternehmen etwa 1000 Mitarbeiter, davon 600 im Neubaugeschäft Blohm+Voss Shipyards und 400 in der Umbau- und Reparatursparte Blohm+Voss Repair.

Übernahmen durch Kapitalfonds rentieren sich meist vor allem deshalb, weil die Einzelteile des Unternehmens mehr wert sind als das Ganze. Blohm+VossIndustries und Blohm+Voss Oil Tools haben die Briten bereits weitergereicht. Wann verkauft Star Capital Partners die Werft Blohm+Voss wieder?

Darüber werde ich nicht spekulieren. Die beiden Firmen, die Star Capital Partners weiterverkauft hat, waren schon vor der Übernahme unabhängig und tätigten ihr Geschäft losgelöst von dem regulären Werftbetrieb. Durch den Verkauf der beiden Unternehmen konzentrieren wir uns jetzt auf unser Kerngeschäft. Klar ist: Die Wertentwicklung unseres Unternehmens und damit die Perspektiven, die sich für unsere Geschäftspartner ergeben, resultieren aus einem plausiblen und funktionierenden Geschäftsmodell, das wir in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden. Ich kann Ihnen sagen: Unser Gesellschafter ist froh mit uns, unsere Rentabilität liegt über Plan.

Von außen betrachtet, ist das Geschäft von Blohm+Voss schwer zu verstehen. Sowohl der Marineschiff- wie auch der Yachtbau laufen hoch geheim ab. Erklären Sie uns, wie die Werft funktioniert?

Die Realisierung von großen, komplexen Umbau-Projekten hat für uns in jüngerer Zeit an Bedeutung zugenommen. Die „EnQuest Producer“ – quasi eine schwimmende Raffinerie und schwimmender Zwischenspeicher, die auf Ölfeldern in der Nordsee eingesetzt wird – wurde bei uns für die nächste 15-jährige Einsatzperiode im Rahmen einer „Life-Time-Extension“ grundlegend modernisiert. Sie hat das Bild der Werft zur Stadt hin mehr als ein Jahr lang geprägt. Es gibt rund 30 solche und ähnliche Schiffe allein in der Nordsee. Das ist für uns ein wichtiges Geschäftsfeld. Wir haben zudem derzeit drei Yachten auf der Werft, die „Octopus“ und die „Al Mirqab“ zur Überholung und zur Erneuerung der Klasse sowie die „Graceful“ als Neubau. Und wir bauen die neuen Fregatten des Typs F125 für die Deutsche Marine im Auftrag von ThyssenKrupp Marine Systems.

Welche Rolle spielen Kreuzfahrtschiffe für Blohm+Voss, die regelmäßig auf der Werft eindocken, unter anderem die „Queen Mary 2“?

Hamburg will sein Kreuzfahrtgeschäft deutlich ausweiten und ein drittes Terminal dafür bauen. Vor einigen Wochen hat die Reederei Aida Cruises angekündigt, von 2015 an wöchentlich und ganzjährig ab Hamburg zu fahren. Immer mehr Kreuzfahrtschiffe auf der Elbe sind für uns eine sehr gute Entwicklung. All diese Schiffe müssen regelmäßig überholt werden und eine neue Klasse – den „Schiffs-TÜV“ – bekommen. Wir haben die Anlagen und die Kompetenz dafür.

Es ist kein Geheimnis, dass die Megayacht „Octopus“, die bei Ihnen im Dock 10 überholt wird, Microsoft-Mitbegründer Paul Allen gehört. Solche Kunden werfen doch einigen Glanz auf Blohm+Voss. Warum werben Sie nicht damit?

Wir nehmen zu den Eignern der Yachten, die bei uns gebaut oder überholt werden, grundsätzlich nicht Stellung. Das ist Bestandteil der Verträge und hat sich für unseren guten Ruf in der Branche sehr bewährt.

Wie schärft Blohm+Voss sein Profil in einer Zeit immer härterer Konkurrenz im internationalen Schiffbau?

Für uns sind drei Segmente wichtig: Schiffe für die Offshore-Öl-und-Gas-Industrie, Kreuzfahrtschiffe und Yachten. Bei den drei Segmenten handelt es sich um Marktnischen, in denen die Kunden die Qualität eines ,Made in Germany’ – Problemlösungskompetenz, Ausführungsqualität und Pünktlichkeit – honorieren. Dabei versuchen wir, zwischen den Geschäftsbereichen Neubau und Reparatur so flexibel wie möglich zu agieren, um die anstehenden Aufträge zeitgerecht und mit höchster Qualität zu erfüllen. Termintreue und Topqualität, das sind seit jeher die Stärken von Blohm+Voss.

Setzen Sie dafür auch Leiharbeiter auf der Basis von Werkverträgen ein? Seit dem tödlichen Unfall zweier rumänischer Werkvertragsarbeiter der Papenburger Meyer Werft im Sommer steht auch der deutsche Schiffbau in der Kritik, Billiglöhner auszunutzen.

Der Einsatz von Arbeitern mit Werkverträgen ist für unsere Branche unverzichtbar. Und er ist umso notwendiger, je komplexer und je individueller sich ein einzelnes Projekt mit seinen Zulieferungen von externen Unternehmen gestaltet. Am Umbau der „EnQuest Producer“ haben in der Schlussphase teilweise mehr als 1800 Menschen mitgearbeitet, nur ein kleiner Teil davon waren unsere eigenen Leute.

Schweißen bei Blohm+Voss auch Rumänen oder Bulgaren?

Wir versuchen, für die Abarbeitung von Auftragsspitzen qualifizierte Fachkräfte zu bekommen, auch von Subunternehmern. Die entsprechenden Mitarbeiter kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern, unter anderem aus Nord-, Süd- und Osteuropa.

Sind das Arbeitnehmer zweiter Klasse?

Für uns nicht. Wir zahlen den Subunternehmern, die diese Leute beschäftigen, immer adäquate Löhne. Zugegeben: Es gibt in der Branche offenbar schwarze Schafe, die diese Löhne nicht wie erwartet weitergeben, die ihre Arbeiter nicht angemessen behandeln oder unterbringen. Wenn uns so etwas bekannt wird, hat dieser Subunternehmer für uns zum letzten Mal gearbeitet. Ich warne aber davor, daraus den Rückschluss zu ziehen, dass unsere Branche ohne Werkvertragsarbeiter auskommt. Im Gegenteil: Die Mannschaft, die wir brauchen, um Auftragsspitzen abzuarbeiten, kann nicht mit fest angestellten Leuten vorgehalten werden.

Einen Mangel an Fachkräften könnten Sie derzeit gut auch bei Sietas decken. Die älteste deutsche Werft in Neuenfelde steht nach gut zwei Jahren in der Insolvenz vor dem endgültigen Aus.

Wir haben im zurückliegenden Jahr einige ehemalige Sietas-Mitarbeiter eingestellt, Fachkräfte mit einer guten Qualifikation als Führungskraft, Projektmanager oder Ingenieur. Außerdem haben wir dazu beigetragen, dass Auszubildende ihre Ausbildung bei uns fortsetzen können. Dabei haben wir nicht aggressiv abgeworben, sondern im guten, kollegialen Einvernehmen mit dem Unternehmen und mit dem Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann agiert. Der ist in einer ganz schwierigen Lage: Einerseits muss er so lange wie möglich eine Mannschaft zusammenhalten, um der Werft nicht ihre letzte Perspektive zu nehmen. Andererseits suchen etliche Sietas-Beschäftigte angesichts der Situation eine berufliche Alternative, möglichst in der Region.

Yachten sind, neben Kreuzfahrtschiffen, das Werftsegment mit dem meisten Prestige. Mit dem Bau der weltgrößten Yacht „Azzam“ scheint Ihr alter Rivale, die Bremer Lürssen-Gruppe, Blohm+Voss weiter abgehängt zu haben.

Seit ThyssenKrupp Marine Systems vor rund vier Jahren ankündigte, aus dem Yachtbau und damit in Konsequenz bei Blohm+Voss auszusteigen, hat Lürssen viel Boden gut gemacht. Wir konnten in der Zeit des Übergangs zu einem neuen Eigentümer nicht viel dagegenhalten. Denn insbesondere im Yachtbaugeschäft ist, wegen der hohen Auftragswerte und der langen Laufzeiten für die Kunden, ein solider, hinter dem Geschäft stehender Gesellschafter von hoher Bedeutung. Klar ist aber auch: Bei der Qualität und Exklusivität der bei Blohm+Voss gebauten Yachten sind wir jeder Konkurrenz weltweit nach wie vor mindestens ebenbürtig.

Wie wollen Sie in diesem hart umkämpften Marktsegment wieder aufholen?

Unikate, wie sie bei uns gebaut werden, sind heutzutage mit einem viel höheren wirtschaftlichen Risiko verbunden, weil die Anzahl der Schiffe, die insgesamt gebaut werden, abgenommen hat. Wir gehen deshalb im Yachtbau künftig einen weiteren Weg: Die irakische Architektin und Designerin Zaha Hadid hat für uns ein spektakuläres Design für eine Yacht entworfen. Der Entwurf besticht durch seine Gesamtkomposition von Außen- und Innendesign und ermöglicht verschiedenste Varianten – je nach Kundenwunsch. Gleichzeitig entstehen durch die Typisierung – ohne dass dadurch das Image von Blohm+Voss als Partner für exklusive Unikate beschädigt wird – die wirtschaftlichen Vorteile einer Kleinserie. Die Realisierung dieses Projektes würde zu einer gleichmäßigeren Auslastung unserer Werft beitragen.

Die Branche wartet schon lange auf einen Neubauauftrag einer Megayacht für Blohm+Voss. Wann kommt der?

Wir arbeiten ständig an Projekten für Großyachten, die aber nicht zwangsläufig in einen Auftrag münden. Die Verträge dafür sind höchst individuelle Einzelentscheidungen mit sehr vielen Aspekten. Die „Graceful“ zum Beispiel, die wir gerade fertigstellen, haben wir ursprünglich als Auftrag zur Vollendung eines Kaskos, eines Schiffsrumpfes, bekommen. Die Komplexität der Arbeiten und der Umstand, dass der ursprüngliche Kasko auf dem Transport nach Hamburg havarierte, führte dazu, dass die Yacht faktisch ein Neubau ist. Andere Projekte, an denen wir arbeiten und mit denen wir im Wettbewerb gut positioniert sind, stehen zur Entscheidung an. Nach ersten, sehr positiven Reaktionen müssen wir weiterhin sehen, wie unser neues Yachtdesign am Markt angenommen wird.

Wie lange geben Sie sich dafür Zeit?

2014 wird für Blohm+Voss ein entscheidendes Jahr.